Bob1

Bob1

Rezensionen
Bob1 vor 3 Jahren 17 9
7
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
9.5
Duft
Vanille Romantique, oder: Wenn ich einen Signaturduft hätte...
Ich muss hier mal eine Lanze für Vanille de Tahiti brechen. Nie hätte ich mir träumen lassen, dass dieser Duft so polarisiert, wie er es ja offenbar zu tun scheint...

Aber mal der Reihe nach. Ich habe Vanille de Tahiti in Form einer 2 ml Probe von einem Online-Shop erhalten und ihn nach kurzem Studium der Noten direkt ungetestet an meine Freundin weitergereicht. Klingt recht blumig, irgendwie feminin, dachte ich mir, und sie liebt Vanille. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch gar nicht in die Parfumo-Rezensionen geschaut.

Ein paar Tage später hatte sie ihn aufgetragen. Ich war von Anfang an dabei, und hing ab da praktisch nur noch mit der Nase an ihrem Hals.

Vanille de Tahiti eröffnet sehr floral. Nicht wirklich pudrig,eher blumig-cremig und eine Spur süß-herb. Das ist das Ylang-Ylang und Champaka, letzteres hatte ich bis dato noch nicht bewusst in einem Duft wahrgenommen. Es ist wohl ein Magnoliengewächs mit stark duftenden Blüten, deren Öl eine beliebte und ziemlich teure Duftingredienz ist (danke Wikipedia). Riecht nach vanilliger Orchidee. Lecker!

Diese blumige Kopfnote wird schon von der darunter liegenden Vanille getragen. Der Extrakt wird hier wohl durch Spülung mit CO2 aus den Schoten gewonnen, was besonders aromaschonend sein soll, und ich kann euch sagen, das funktioniert fabelhaft. Was für eine wundervoll authentische Vanille!

Während sich die Gewichtung nun allmählich vom Kopf zum Herzen hin verlagert, wird die gourmandige Vanille langsam trockener, doch noch immer säuselt Ylang-Ylang verführerisch dahin und schärft meine Aufmerksamkeit, so dass ich mich hell wach fühle, eigentlich tut es das über die gesamte Lebensdauer hinweg. Diese Kombination ist unglaublich sexy, und ich will sie ständig riechen, immer noch ein bisschen näher und intensiver. Es ist einfach zum Niederknien.

Und dann, auf weichen Pfoten leise heranschleichend, ist es plötzlich da: das Tier! Das animalische, wunderbar verruchte, leise keuchende, dunkel lockende... und die Vanille wogt... und die Florale zittern...

Und ich renne, renne, renne, und plötzlich finde ich mich im Souk wieder!

Und wie ich da so auf meinen Flakon wartete, die Probe, meiner Freundin entrissen, stetig lechzend in der Hand... da las ich die Rezensionen. Und ich versuchte nun auch, dem Tier einen Namen zu geben. Doch es wollte keiner Passen.

Die Basis ist warm, weich und stark zu gleich, mir wäre nicht direkt Sandelholz in den Sinn gekommen, aber zusammen mit dem Amber und Moschus verwandelt es die ohnehin schon ausdauernde Vanille zum athletischen Langstreckenläufer.

Und wer bis hier hin durchgehalten hat und sich auch mit Vanille de Tahiti im hochsommerlichen Pferdestall wiederfindet, die Luft geschwängert vom Schweiß der ungewaschenen Schabracken, für den habe ich einen Tipp: sprüht es nicht auf Kleidung! Genau das ist es, was bei mir eine Erinnerung an urinalische Noten aufkommen lässt - das Hemd, auf dem noch VdT vom Vortag haftet. Diese Komponente entwickelt sich nach etwa 10-12 Stunden, und das ist auch genau der Zeitpunkt, an dem der Duft von meiner Haut vollständig verschwunden ist. Ganz genau, es hält wirklich lange, obwohl ich Düfte hauttechnisch oft nur so aufsauge. Beherzige ich diese Regel, ist von Fäkalien zu keiner Zeit die Rede.

Noch ein Wort zur Sillage, die ist genau richtig für mich. Ich ziehe die ersten 4-5 Stunden eine deutliche Duftspur hinter mir her, danach habe ich noch für weitere 3 Stunden eine wunderbar sanfte Vanillewolke oszillierend in der Nase. Das klappt besonders gut, wenn man auch die Armbeugen mit je einem Spritzer bedenkt.

Der Flakon ist übrigens guter Durchschnitt - wertig und stabil, etwas zu kantig um perfekt in der Hand zu liegen. Der Hubweg des Zerstäubers ist recht gering, er gibt immer nur kleine, fein dosierte Sprühstöße mit einem recht konzentrierten Strahl ab, so dass man gut dosieren und zielen kann. Eine etwas feinere Zerstäubung fände ich allerdings wünschenswert.

Tja, meiner Freundin ist er an ihr zu schwer, aber nun trage ich ihn, oft, sogar im Hochsommer, sogar draußen, sogar tagsüber, sogar zu offiziellen Anlässen, und ich liebe ihn. Denn das muss man Vanille de Tahiti lassen. Er kann sexy, er kann verrucht, aber er kann auch elegant und unaufdringlich, ganz abhängig vom Setting. Es ist für mich, als würde ich eine zweite Haut tragen, die meine Sinne schärft und mir gleichzeitig Ruhe und Geborgenheit vermittelt. Bisher nahmen ihn, nur am Rande bemerkt, auch meine Mitmenschen sehr positiv wahr. Ein wahres Chamäleon. Wenn ich einen einzelnen Signaturduft hätte, den ich aus Liebe zum Rest meiner Sammlung aber nicht habe, dann hätte dieser gute Chancen, es zu werden.

Glücklicherweise muss ich mir den Flakon nicht teilen. Meiiin Schatzzz!

Vanille de Tahiti ist der schönste Vanilleduft, den ich bisher unter der Nase haben durfte. Punkt. Und sollte er einmal eingestellt werden, wird gebunkert, was das Zeug hält, soviel ist sicher.
9 Antworten
Bob1 vor 3 Jahren 11 4
6
Flakon
4
Sillage
6
Haltbarkeit
7.5
Duft
Eine Digitalisierung von Acqua di Gio mit niedriger Abtastrate
Zara ist ja inzwischen berüchtigt für ihre schier endlose Flut von Düften, die wie Pilze aus dem Boden schießen, mit gefühlt willkürlicher Namensgebung und wunderbar bunt klingenden Beschreibungen allerlei Duftnoten auf den Kartons. Ebenso schnell versickern diese Releases leider auch wieder, so dass man mit dem Testen gar nicht wirklich hinterher kommt und eigentlich für gut befundenes nicht mehr nachkaufen kann. Nun sind die Düfte im Vergleich zu dem, was man sonst so gewohnt ist, ich nenne es mal sehr attraktiv bepreist, so dass man sich kaum traut, etwas negatives darüber zu schreiben, weil man sich irgendwie undankbar dabei vorkäme. Ich versuche jetzt einfach mal, die unglaublichen 10,95 €, die mich die 100 ml Lisboa gekostet haben, für den Rest der Rezension zu vergessen und nur die dafür erhaltene Leistung zu bewerten.

Zunächst zum Flakon. Er ist schlicht, liegt gut in der Hand und, das hat mich wirklich begeistert, mit einem wunderbaren Zerstäuber ausgestattet, der mit seiner recht feinen Vernebelung sogar meinem Armani Acqua di Gio Profumo ein Stück voraus ist. Da ist mir dann auch die Plastikkappe egal, die mich an die Messbecher auf den Hustensaftflaschen aus meiner Kindheit erinnert, nur eben nicht rund.

Wo wir nun schon bei der AdG-Reihe sind, kann ich gleich sagen, dass, anders als oft zu lesen, Zara's Lisboa kein adäquater Ersatz für das originalen Acqua di Gio pour Homme EdT ist, jedenfalls nicht für meine Nase. Es gibt definitiv eine große Ähnlichkeit, vor allem direkt nach dem Aufsprühen dachte ich: "Jawoll, das ist der perfekte preiswerte Ersatz!" Doch das AdG riecht für mich sauberer, kühler, hat irgendwie eine endlose maritime Tiefe, in der ich mich gedanklich verlieren könnte. In Lisboa schwingt eine leicht synthetische, zitrisch-kratzige Wärme mit, die ich übrigens auch im Vibrant Leather Cologne wahrnehme, das ich mir zeitgleich gekauft habe und dessen Rezension noch auf dem Zettel steht. Auch nach den ganzen Reformulierungen (oder sollte ich sagen, Verwässerungen?) des AdG hat es dem Lisboa in Sachen H+S noch ein Stück voraus. Wenn Acqua di Gio eine Schallplatte ist, dann ist Lisboa eine digitalisierte Fassung davon, aber mit etwas zu geringer Abtastrate und von einem nicht ganz sauberen Analog/Digital-Wandler. Sie büßt Raumklang ein, die feine Auflösung der Bühnengeometrie. Aber hey, vielleicht bemerkt man das ja gar nicht, wenn es nicht völlig still um einen herum ist?

Ich versuche mich jetzt mal an der Duftpyramide, äh, den Duftnoten, denn das Ganze ist meines Empfindens ab dem Zeitpunkt, zu dem der Alkohol verflogen ist, sehr linear. Zitrische Noten tragen den Duft, sowohl Zitrone als auch Orange kann ich nachvollziehen. Die grünen, etwas holzigen Noten lassen mich dabei eher an Schale und Astwerk denn an den Fruchtsaft denken. Zitrone und Orange sind ja auch zwei der sich mit dem originalen AdG überschneidenden Noten, vermutlich sind sie es, gemeinsam mit den grün holzigen Komponenten, die hauptsächlich für die Ähnlichkeit verantwortlich sind. An Jasmin denke ich bei Lisboa weniger, dann doch eher an den Moschus. Wahrscheinlich ist das der zuvor beschriebene, wärmende Akkord, der sich wie ein dünner Schleier über die frische Fruchtigkeit legt und ihr gewissermaßen die Detailschärfe nimmt.

Die Sillage ist bei mir bestenfalls durchschnittlich, spürbar schwächer als die des AdG Profumo (beachte: EdP-Konzentration) und auch etwas unter der des normalen AdG (EdT). Die Haltbarkeit ist ebenfalls durchschnittlich, man wird (nach großzügigem Einsprühen) für 1-2 Stunden aus 1 m Entfernung gut wahrgenommen, danach schrumpft die Sphäre aber leider schnell zusammen. Nach etwa 4 Stunden ist der Duft bei mir sehr hautnah und hält so weitere 4-5 Stunden. Bei diesem Preis (ok, ich muss ihn doch erwähnen), gönne ich mir gern zwischendurch ein paar Sprühstöße zur Auffrischung, das flache Format des Flakons macht ihn zum Glück sehr portabel. H+S ist ja immer eine Sache der Hautchemie, und hier sind auch einige Rezensenten, bei denen Lisboa besser hält und stärker projeziert als AdG, also nehmt mich in diesem Punkt nicht allzu ernst.

Der Duft bekommt bei wärmeren Temperaturen (> 25 °C) eine etwas bessere Sillage, allerdings nehme ich dann auch diese synthetische Komponente stärker wahr, das ist also ein zweischneidiges Schwert. Aber auch bei 15-20 °C kann man ihn gut und wahrnehmbar tragen. Letztendlich ist es eben ein zitrischer Duft mit den damit einhergehenden Vorzügen und Nachteilen, irgendwo wird also temperaturmäßig eine Grenze erreicht sein.

Alles in allem gefällt mir Zara's Lisboa ganz gut. Es ist ein Schnäppchen für Liebhaber von zitrisch-aquatischen Düften, und ich kann den Selbstversuch nur empfehlen. Man sollte einfach nicht mit den falschen Erwartungen an die Sache herangehen und eine 1:1-Kopie von Acqua di Gio erwarten, dann kann man viel Freude an diesem Flakon haben.
4 Antworten
Bob1 vor 3 Jahren 21 5
9
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
8.5
Duft
U-Bahn-Schacht, und ein Hauch Bahnhofsklo
So, das ist meine erste Rezension hier, und dann gleich zu so einem polarisierenden Duft. Schauen wir mal...

Der Titel klingt schon ziemlich derb, aber gleich vorweg: das ist genau das, was ich empfinde, wenn ich diesen Duft aufsprühe. Warum sollte man so riechen wollen? Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, vielleicht finden wir es ja gemeinsam heraus.

Aller Warnungen zum Trotz habe ich mir Rien Intense Incense als Blindkauf zugelegt. Ich habe etwas wirklich forderndes erwartet, und in sofern wurde ich auch schon mal nicht enttäuscht.

Der Flakon fühlt sich schwer und wertig an und liegt gut in der Hand. Besonders der Zerstäuber gefällt mir, er vernebelt schön fein und es lässt sich damit auch gut dosieren, was bei der Stärke des Duftes sicher kein Nachteil ist.

Einzelne Duftnoten aus der Pyramide hier herauszuriechen fällt mir etwas schwer. Der namensgebende Weihrauch? Naja, Rauch schon, dann aber von verbranntem Gummi. Das sind dann die U-Bahn-Bremsen. Die Assoziation habe ich mir übrigens aus einer anderen Rezension geklaut, danke dafür. Dieser Gummibrand hält sich tapfer vom Anfang bis zum fernen Ende.

Wenn Leder zu riechen sein sollte, dann ein ziemlich dreckiges, verschwitzt säuerliches, und auch erst nach den ersten Stunden. Ich glaube, ich hatte mal eine Schuhcreme, die mich an diese Note erinnert.

Rose und Zistrose bekomme ich hier überhaupt nicht, da sind nicht mal ansatzweise blumige Noten. Vielleicht etwas pudriges, das wird die Iris sein, die sich aber erst nach etwa 3-4 Stunden zunächst zaghaft, dann etwas deutlicher hervorkämpft. Glück gehabt, denn ich kann Rosenduft wenn überhaupt nur sehr sparsam dosiert ertragen.

Machen wir mal mit den Gewürzen weiter. Kreuzkümmel und schwarzer Pfeffer sollen es also sein. Ich rieche direkt nach dem Aufsprühen etwas prickelndes, schon leicht scharf beißendes, das sogar den Gummibrand überlagert. Das ganze geht dann aber schon nach wenigen Minuten erst einmal auf Tauchstation, bevor diese würzig kribbelnden Noten nach 4-5 Stunden interessanterweise wieder erscheinen. Sie kühlen den Duft für mich auf eine spannende Weise herunter, geben ihm einen doch deutlich wahrnehmbaren metallischen Touch, eben die funkensprühenden Bahngleise... es könnten aber auch einfach nur die Aldehyde sein. Die sind es wahrscheinlich auch, die diese leicht fäkalische Note beisteuern - oh mein Gott, warum beschäftige ich mich überhaupt mit etwas, das sich so beschreiben lässt?

Zu Sillage und Haltbarkeit wurde hier ja schon einiges gesagt. Ich kann dem nur zustimmen. Zwei oder drei Spritzer, und man füllt damit ganze Räume. Zwar nicht gleich beim Betreten, aber nach 30 Minuten ist die U-Bahn-Schacht-Atmosphäre perfekt. Dabei werde ich selbst nach einiger Zeit leider etwas duftblind, denn meine Mitmenschen scheinen RII intensiver wahrzunehmen, als ich selbst. Insgesamt ist er eher einer, der sich gemächlich aber nachhaltig im Raum aufbaut, statt einen direkt mit voller Kraft anzuspringen. Gut ausstrahlen tut der Duft bei mir locker 6-8 Stunden, und meine Haut ist in dieser Hinsicht eigentlich recht kompliziert. Am nächsten Tag ist er immerhin noch ganz leicht direkt auf der Haut zu riechen. Von dem Shirt, das ich am ersten Tag getragen und probehalber mal ungewaschen liegen gelassen habe, kam nach zwei Wochen noch immer eine leichte RII-Brise.

Zum Thema Jahreszeit kann ich bisher nur sagen, dass ich ihn sowohl in der Wohnung als auch draußen bei 28-30 °C getestet habe und dazwischen keine wirklichen Unterschiede feststellen konnte. Ich gehe aber davon aus, dass er sich aufgrund seiner Intensität auch zuverlässig durch winterliche Lufttemperaturen arbeiten wird.

Tja, und nun wundert ihr euch sicher, warum ich diese Duftbewertung vergeben habe. Jetzt beim Schreiben dieses Textes tue ich das auch. Ich finde Rien Intense Incense aber einfach sehr angenehm, ohne sagen zu können, warum! Das ist ein wirklicher Love-or-Hate-Duft, ein geniales Stück Parfumeurskunst, und trotz der irritierenden Assoziationen, die er in mir weckt, würde ich ihn wohl öfter tragen, wenn... ja, wenn da nicht meine bessere Hälfte wäre, die eindeutig zur letzteren Fraktion gehört. Als sie den Raum betrat, in dem ich ein paar Minuten zuvor zwei Spritzer RII auf meinen Handrücken aufgetragen hatte, blieb sie buchstäblich wie angewurzelt stehen und hielt die Luft an, bevor sie dann ganz aufgeregt fragte, ob nicht irgendwo ein Elektro-Schwelbrand ausgebrochen wäre, bevor ich ihr dann ganz stolz meine neuste Errungenschaft präsentierte.

Sie meinte dann zwar etwas geknickt, dass sie ja versuchen könne, sich daran zu gewöhnen, wo ich den Duft ja so mag, aber den ganzen restlichen Tag wollte sie möglichst nicht in meiner Nähe sein, und als sie es dann beim Abendessen nicht mit mir an einem Tisch aushielt, machte ich dem Spuk schweren Herzens erst einmal ein Ende.

Was ich auf Dauer mit dem Flakon mache, weiß ich noch nicht. Aufgrund der guten Haltbarkeit wird es wohl schwer, den Duft nur mal eben zwischendurch zu tragen, wenn ich außer Haus bin, aber die eine oder andere Gelegenheit wird sich bestimmt finden.

So, das ist die schöne aber traurige Geschichte meiner Begegnung mit Rien Intense Incense. Wir sind wohl wie die zwei Königskinder, die einfach nicht zueinander finden durften.

EDIT 03.08.2021: So schnell kann's gehen! Mir wurde heute per Beschluss der Regierung gestattet, Rien Intense Incense auch zu Hause zu tragen. Ich zitiere: "Hmmm, riecht irgendwie gut, ist das ein neues Parfum?" Wie sehr uns unsere Nasen doch einen Streich spielen können... jetzt darf er ganz sicher bleiben!
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