Byronia
Byronias Blog
vor 4 Jahren - 09.05.2020
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smells like... Duft ist ein Gefühl

Ich lese gerne hier und bin oftmals berauscht von den informativen Kommentaren, die jedes noch so kleine olfaktorische Quentchen eines Parfums beschreiben. Und ich fände es fast schon frevelhaft, wenn ich unter beispielsweise 476 Kommentaren noch einen setzen würde mit meiner dilletantischen olfaktorischen Analyse.

Ich selbst schreibe wenige Kommentare, aber wenn, dann schreibe ich sie aus einem Gefühl heraus und mit Herzblut. Denn ein Duft ist für mich ein Gefühl. Es macht etwas mit mir. Das ist natürlich individuell und zumeist wunderbar.

Wie mich zum Beispiel diese großartigen opulenten Düfte der 80er genau in diese hineinversetzen können. Must de Cartier, Kouros, Eau Sauvage Extreme (das Schwarze) und natürlich Obsession. Was wahrscheinlich als Titel recht passend für dieses Jahrzehnt ist. Einem Jahrzehnt, dessen Ausschweifungen sich nicht nur in der Mode zeigten: Schulterpolster, Glitzer, Glamour und Gigantomanie. Und natürlich in der Tragik einer Krankheit namens AIDS. So sind auch leider viele Düfte den harschen Kriterien der EU geopfert worden, bzw. reformuliert verschlimmbessert worden.

Oder das mysteriöse und heute vielleicht ein wenig altbacken wirkende Shalimar oder Youth dew von Lauder. Sie erinnern an die Goldenen Zwanziger Jahre, an F.Scott Fitzgerald, an Diaghilew, Nijinsky...und natürlich an Jour Fixes in englischen Landhäusern (es gab eine großartige Literatenszene zu der Zeit in England) oder in den marokkanischen Kasbashs in Tanger oder Marrakesch, die bereits zu jener Zeit ein Hot spot der Künstler und Reichen waren.

Andy Tauer hat (wahrscheinlich) so sein Parfum kreiert. In Marokko, bei Sonne und in der Wüste...!
Wer das Land kennt, weiß um die flirrende etwas schwerfällige Süße, die die Luft durchströmt und sie mit einem feinen Schleier in tausend Nuancen von gelb bis rot umhüllt. So ein Name wie der des Tauer Parfums weckt eine Assoziation, allerdings gehe ich nicht wirklich mit bei seiner Komposition, ich habe das Land anders in Erinnerung. Wobei ich den Tauer-Duft schon sehr mag.

Und das genau ist es, was ich meine: ein Duft weckt bei mir ein Gefühl. Ein einzigartiges Gefühl. Aus diesem Grund habe ich mir zum Beispiel den neuesten Duft von Bottega Veneta gekauft: Illusione. Ich schließe gerne die Augen, wenn ich an einem Duft rieche und es entstehen Bilder, Gefühle...

Das ist es, was mich interessiert. So geht es mir auch mit Musik. Ich mag die für mich strengen englischen Suiten von Bach wie auch neuerdings den oppulenten Gesang eines Adam Lambert...den ich übrigens fantastisch finde, aber nur, wenn er mit Queen performed. Er setzt noch einmal "einen drauf" und scheint wie eine eigenwillige Mischung aus Freddy und George Michael.

Während ich dies schreibe frage ich mich gerade, wie wohl Nirvana riechen würde? :-)

Was ich also meine ist folgendes: die Landkarte ist nicht das Gebiet. Das kenne ich aus dem nlp und es beschreibt recht gut, was ich meine. Wenn ein Duft ein Gefühl ist, ist es recht individuell. wenn ich einen Duft seziere in seine Bestandteile, so kann ich dies tun, wie wenn ich die Musikinstrumente eines Orchesters benenne. Die Instrumente sind bekannt, können aber im Zusammenspiel unterschiedlich sein, es kommt immer auf den Dirigenten an. Diese Klänge erzeugen eine bestimmte Resonanz beim Hörer. So ist es auch beim Duft.

Was aber meint: die Landkarte ist nicht das Gebiet. Nehmen wir als Beispiel den Begriff „Meer“. Für den einen ist es verbunden mit Urlaub, Sonne und Erholung. Für den anderen vielleicht Erinnerungsort an eine Hochzeitsreise, für den nächsten aber ist es verbunden mit der Dramatik eines Todes (z.B. ertrinken eines Angehörigen…).

Während der eine bei Weihrauch an eine Kirche denkt, ist für den anderen die Mystik des Waldes damit verbunden. Wenn man dann auch noch die Vielfalt der Kompositionen (Parfums) bedenkt, findet sich eine riesige Spannbreite bei den Düften. Sollte man meinen. Doch wie so oft denke ich wenn ich so im Parfumladen bin, naja, gourmandig, süß, gefällig und…leider auch recht banal. „Will gefallen“ hätte wahrscheinlich ein Lehrer daruntergeschrieben.

So hüte ich meine wenigen Düfte aus der Vergangenheit und lasse mich inspirieren von den Gerüchen der Gegenwart in der Hoffnung, dass auch noch zukünftig Düfte in der Neuzeit meine Nase streifen, die mich einfach umhauen. Ich meine damit das Gegenteil von „nett“. Wobei ich auch nette Düfte mag und habe, keine Frage. Auch diese muss es geben, damit man die wahren Kracher immer wieder neu erleben kann. Jeden Tag ein Tom Ford wäre im wahrsten Sinne des Wortes ein Zuviel des Guten. Darum kann ein Duft, auch wenn er keine 8 erreicht, ein guter Duft sein…

Es gibt noch viel zu entdecken, ich meine, riechen und fühlen…

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