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Wir Parfumnerds sind der Alptraum eines/r jeden „Parfümverkaufenden“

Ja…wir sind unmöglich…wir alle!

Dies ist eine (weitestgehend) fiktive Geschichte, die auf definitiv NICHT fiktiven Beobachtungen basiert, welche ich in den letzten Jahren machen durfte/musste/konnte/sollte.  Ich erkläre dies nur, um einen weiteren Shitstorm in Grenzen zu halten, da für einige der Begriff Satire ein Fremdwort ist...was es ja auch tatsächlich ist; ich -als auch mein lyrisches ICH - aber keinen Groll gegen diese Menschen hege.

Da steht eine Person mit einer abgeschlossenen Ausbildung und mehrjähriger Berufserfahrung, in einer Ecke neben der Tür einer beliebigen Parfümerie. Wartend auf die nächste Beute nächsten Kunden, sprungbereit und umsatzhungrig….und dann komme ich….Quasi der zu schluckende Frosch, der giftige Pilz, die ungeliebte Schwiegermutter und die lästigste (ungefährliche) Krankheit,  die man sich vorstellen kann. Und das in einer Person! Da ist er/sie/es: Der/die/das Parfumsammelnde!
Der Schritt auf den potentiellen Kunden zu und schon sitzt sie in der Falle. „Normale Gäste“ dieses Etablissements fühlen sich von der prompten Gegenwart des Verkaufspersonals rasch überfordert und gestalked. Nicht so wir: Wir drehen den Spieß um und rächen uns so für die Millionen gesichts-
und namenlosen Parfümeriebesucher, die jede Minute zählen, bis sie dem reizüberflutenden „Olfaktustempel“ entkommen können.
„Kann ich Ihnen helfen?“ dringt es in mein Ohr und ich drehe mich ruhig, fast schon provokant langsam, zu der (hier weiblichen) Fachkraft um. Ein Lächeln umspielt meine Lippen, wie es Dexter Morgan nicht besser hätte hinbekommen können. „Hallo“, sage ich weich…fast schon gehaucht und klinge dabei wie Klaus Kinski in einem Edgar Wallace-Film. Noch ahnt sie nichts….armes Ding…denke ich…so unschuldig…so unbedarft….
„Irgendetwas für Sie, oder soll es ein Geschenk sein?“, hakt die Verkäuferin nach. Mein erster Angriff kommt für sie unerwartet: „Ich suche einen guten Fougère-Duft“, schleuderte ich ihr entgegen und sah ihr stechend in die Augen, dabei näherte ich mich ihr abrupt mit einem kurzen Schritt und neigte meinen Kopf. Stille, man könnte die Stecknadel fallen - und die Rädchen in ihrem Gehirn klappern hören…. „Fuschäääär?“, ihre Stimme wurde zittrig.
„Jaaaa“….“Fougèeeeeere“, flüsterte ich und begann sie währenddessen langsam zu umrunden, wie ein Löwe die Antilopenherde. „Wir… wir…haben da etwas glaube ich.“ Sie eilte zu einem Regal und zeigte mir den klobig-runden Flakon von Dolce  & Gabbana pour Homme. Ungefragt sprühte sie den Duft auf einen Pappstreifen und hielt ihn mir entgegen. Ich ignorierte sie und den Streifen. „Wissen Sie….ich mag keinen Duft, der zu viel Lavendel beinhaltet“, sagte ich und zog dabei eine Augenbraue hoch. „Die Lavandulae flos wird auch als Arzneimittel eingesetzt. In höherer Dosierung schläft man lange….sehr lange….“, hauchte ich ihr entgegen.
Sichtlich verunsichert, stellt sie das Fläschchen zurück. „Ja…ähhh… ansonsten
weiß ich nicht…“  Schon nach kurzer Zeit wünscht sich die verkaufende Person den usseligen Typen von vor 10 Minuten zurück, der emotions- und teilnahmslos einfach nur irgendeinen x-beliebigen Duft für seine Freundin abgreifen wollte, um sich so das zeitaufwendige Einpacken zu sparen.                                                Sie schaute sie sich um und suchte den Blick ihres Kollegen, der allerdings gerade mit dem Einräumen einer neuen Duftkerzenkollektion beschäftigt schien. Dann huschte ein leises „Tippitoe“ über ihre Lippen….das Codewort für: „ICH BRAUCHE HILFE!“ Sofort ließ der andere Mitarbeiter alles stehen und eilte umgehend zur Unterstützung herbei, denn es schien sich um eine Notlage zu handeln….Das Codewort wurde schließlich seit 2 Jahren nicht mehr benutzt. Er schob sich zwischen die Verkäuferin und mich und fragte nasal: „Was haben wir denn für ein Problemchen?“
„Fuuuschääär….er will Fuuuschääär!“, kam es aus ihr heraus, während sie wild fuchtelnd auf mich zeigte…. „Fougère, ma petite crétin“, schob ich in pseudo-Französisch ein.  Der Kollege drehte sich um, holte wieder den DGPH aus dem Regal und benetzte abermals einen Pappstreifen. „Bitte nicht….das hatten wir doch schon.“ Schnell entsorgte er den Schnipsel, als ob er sich mit einer herabglimmenden Zigarette die Finger verbrannt hätte und eilte ein Regal weiter. „Der hier wird ihnen bestimmt gefallen“, und zog Dior Sauvage Elixir. „Mein guter Freund…“, ich legte ihm langsam aber bestimmt meinen Arm auf die Schulter, „halten Sie mich für einen Troglodyten?“ Seine Augen wurden größer. „Farn, Barbershop, Paul Parquets….klingelt es...nein?“ Die Verkäuferin, die die letzten Minuten stumm verfolgte, ging leicht in die Knie und schlich vorsichtig von dannen. Ihr Schritt wurde schneller, je weiter sie sich von mir entfernte.
„Von der Marke habe ich schon einmal gehört, aber das…“, ich unterbrach ihn mit einer abweisenden Handbewegung. „Psssst“, zischte ich in seine Richtung. „Citrus bergamia, Geranium pratens, Evernia prunastri und Cumarin…allerdings mit einer nur gering wahrnehmbaren Lavendelnote.“ Seine offensichtlich mit einer getönten Tagespflege bearbeitete Stirn lag in Falten. Schweißtropfen bahnten sich ihren Weg unter dem gefärbten Haaransatz hervor und hinterließen als Rinnsal zarte Streifen über seinen Augen. „Ich…ich…“, stammelte er. Zeit für mich, meinen Monolog zu starten…
Und so erzählte ich etwas über Farne; über das Jahr 1882 inklusive einer kleinen Retrospektive zu den Deutschen Vereinigungskriegen und der Schlacht bei Sedan; Houbigant und die verloren geglaubte Rezeptur; über Rasiercreme, Reformulierungen, Allergene, Toxikologie, Grenzwerte von 0,1mg. Aber auch über die Einordnung in aromatisch-frisch, aquatisch, orientalisch und würzig sowie der manchmal merkwürdigen Schreibweise „Fougair“, die ja jedweder Logik entbehrt.
Draußen wurde es dunkel und mittlerweile standen die originäre Verkäuferin und das gesamte Parfümeriepersonal um mich herum und lauschten meinen Ausführungen.
„Ich glaube, wir haben nicht, was Sie suchen“, sagte sie unsicher. „Ich glaube schon“, entgegnete ich
und zeigte dabei auf ein paar Positionen in nahen und fernen Regalen.
„Wissen Sie…Ich bin Sammler und Influencer mit 250 Followern auf Instagram!“ Alle zuckten ehrfürchtig  zusammen…. Ruhig schritt ich gen Ausgang und setzte, trotz Dämmerung, meine Sonnenbrille auf. Dann drehte ich mich ein letztes Mal um und schaute in leere Gesichter: „Ich komme wieder…..“
Die Verkäuferin flüsterte zu ihren Kollegen: „Das war aber ein ganz schöner Klugscheisser“...und alle nickten…

Aktualisiert am 24.01.2024 - 11:19 Uhr
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