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Im Kindergarten mit Sohan - dem Kompromisslosen

Im Kindergarten mit Sohan - dem Kompromisslosen

Angeregt durch einen Thread im hiesigen Forum, bei dem uns ein scheinbar (?) völlig desillusionierter (?) und/oder rücksichtsloser Mitmensch offenbarte, dass er -  bezogen auf Intensität und Sillage -  nun überhaupt nicht auf sein Umfeld achtet und sich nicht vorschreiben lassen möchte, was er wann, wo und in welchem Maße auflegt, kam mir doch eine Idee: Was ist, wenn ich noch weitergehe? Sprich, es ist mir nicht nur egal, wie die Menschen um mich herum meine „wohlriechende“  Ausstrahlung  wahrnehmen, sondern eben ein solches Verhalten bewusst einsetze, um meine Umgebung zu nerven! Dies macht -eo ipso- nur dann Sinn, wenn ich mich damit zukünftig vor bestimmten Situationen  drücken kann und sich diese Konstellation zudem innerhalb einer sozialen Gruppe abspielt, die ich danach auch nicht wiedersehe/wiedersehen will.


(HINWEIS: Obwohl die Ereignisse so oder (zumindest) so ähnlich stattgefunden haben, ist dies EINE SATIRE… sollte sich jemand auf den Schlips getreten fühlen, dann tut es mir leid….aber dann ist das so…..Sollte sich jemand wiedererkennen, dann ist das auch so :-) )

Die beste Ehefrau von allen (großer Dank an Ephraim) und ich haben keine Kinder. Nicht, dass wir eine besondere Aversion gegen sie hegen; aber einen gesteigerten Kinderwunsch hatten wir nie. Und nun?
Endfünfziger…Normalo…Stereotyp…so stellt man/Frau/binär ihn sich vor. Nichts mit dem ich angeben könnte; nichts wofür ich mich schämen müsste. Unsere guten Freunde Babsi  & Fred empfanden es allerdings als eine besonders gute Idee, mich zum Taufpaten ihres Sohnes Tim zu machen, da sie meinen, dass ich in jeder Hinsicht ein gutes Vorbild sei (von meiner Parfümverrücktheit vielleicht abgesehen ;-) ).
Tim ist nun 4 Jahre alt…und bislang verlief mein Dasein als Pate ohne besondere Vorkommnisse. Grüße zum Geburtstag, ein kleines Präsent zu Weihnachten…und - bei Besuchen - ein bisschen mit dem Kleinen und seinen „Paw-Patrol“- Autos  spielen.

Da kam es allerdings zu der Bitte, meine Freunde und Tim auf das Winterfest des Kindergartens zu begleiten. Und schon zu diesem Zeitpunkt wusste ich, dass dies eine ganz bescheuerte Idee war. Tim ist OK…Aber fremde Kinder? Obwohl es ja eigentlich nicht die Kinder sind, die mich stören…es sind meist die Eltern, für die es kein anderes Gesprächsthema zu geben scheint, als den Nachwuchs. Ich bin grundsätzlich ein kommunikativer Zeitgenosse, aber bei dieser Thematik bin ich raus! Auch interessiert es mich ehrlich gesagt nicht, seit wann die kleine Marie keine Windeln mehr trägt, wie viel ein Kinderzustellbett im Hotel kostet oder wie lange man benötigt, um die Spiellandschaft „Trelleborg“ im Garten zu installieren. Auf derartig aufgedrängte Gespräche hatte ich überhaupt keine Lust und so musste ich mir etwas ausdenken um 

1. diesen Nachmittag  zu überleben
&
2. in Zukunft nicht noch einmal in eine derartige Situation zu kommen

So entschied ich mich für ein Bad in Penhaligon´s  Sohan  - den Kompromisslosen! Nicht nur, dass es genauso auf dem Flakon steht…es ist einer meiner stärksten Düfte mit einer Sillage von gut einem Kilometer. Ich hoffte so, nervige Gesprächspartner schon im Ansatz zu vergraulen, überflüssigen Smalltalk auf Abstand zu halten und definitiv einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

An diesem Tag erreichte mich eine Nachricht von Babsi. Sie hat Tim schon im Kindergarten abgesetzt und muss jetzt noch Fred im Sportclub einsammeln. Ich möge doch schon einmal reingehen….dauert nicht lange….

Schnell entdeckte ich Tim auf einem Spielteppich, winkte ihm zu und setzte mich auf eine Bank in einer Ecke des Raumes. Davor lag einer großer Haufen mit Klemmbausteinen. Ein Mann setzte sich neben mich….Gernot….Meine außergewöhnliche Sillage schien ihm keine Schwierigkeiten zu bereiten.
Er betrachtete seinen Spross, während dieser einen unförmigen Turm aus Lego baute. Voller Pathos bemerkte er mit erstickter Stimme: „Er ist so kreativ; viel kreativer als andere Kinder in seinem Alter;
ja sogar viel kreativer als deutlich ältere Kinder…dieser kleine Kamerad.“ Ein Tränchen kullerte Gernots Wange herunter, während der „kleine Kamerad“ das soeben errichtete architektonische Kunstwerk mit einem Tritt in seine Einzelteile zerlegte. Als Gernot aufgrund dieser Aktion seinem Sohn gerade unglaubliche Kräfte und eine beispiellose Augen – Fuß Koordination andichten wollte, verabschiedete ich mich in Richtung Küche. Denn es gibt durchaus Momente, an denen ich meine grundsätzlich pazifistische Lebenseinstellung hinterfrage.

Dort angekommen, widmete ich mich zunächst dem Nudelsalat. „Wie kannst Du das nur essen?“, wurde ich von hinten gefragt. „Da ist Ei ´drin!“ … Sie stellte sich als Tanja vor. Alleinerziehende Mutter und Tanzpädagogin; dabei strikt vegan lebend. „Es riecht hier so…natürlich“, sagte sie und stellte fest:  „Das bist Du!“. Ich nickte mit einem Lächeln, denn Sohan zeigte hier erstmals seine Wirkung. Sie fuhr fort: „Ich mag es ja nicht, wenn man sich so eindieselt und deshalb finde ich es sehr angenehm, wenn man sich -wie Du- diesem Schönheits- und  Kosmetikzwang nicht anschließt und sich auch ´mal gehen lässt“. Ihre Reaktion fühlte sich für mich so gar nicht richtig an.  „Du bist mir sehr sympathisch, wir sehen uns bestimmt nachher noch“; dann drehte sie sich um und verließ die Küche. „Na das klappt ja großartig“, dachte ich und nahm noch einen Löffel Nudelsalat.

„Es ist viel wichtiger, den Geist zu schulen“, sagte auf einmal Jasmin. Unsere Tochter Jule-Katharina ist so intelligent! Wir überlegen uns, ob sie nicht gleich die erste Klasse überspringen sollte, wenn sie in einem halben Jahr aus dem Kindergarten kommt. Sie ist hier so unterfordert. Dieses ständige Spielen und das alberne Musizieren stören doch augenschlich die Entwicklung. „Sie hat eine bemerkenswerte Auffassungsgabe…das sagen alle!“ Ich setzte mich auf einen kleinen Stuhl an einen für mich viel zu tiefen Tisch. Mein Rücken schmerzte, wie eben ein Rücken in meinem Alter schmerzt. Jule-Katharina saß an einem anderen Kindertischchen und spielte ein Art übergroßes „Memory“ …allerdings mit den Symbolen nach oben, was das Auffinden der identischen Karten doch geringfügig erleichterte.  Dabei versuchte sie sich ein Wiener-Würstchen in die Nase zu stecken, welches nur „semi-gut“ gelang. Zählen konnte sie schon bis 5 und zudem alle Buchstaben erkennen, die aussahen wie ein O.

Der große Philosoph Phil Dunphy fragte einst: „ Warum haben wir eigentlich Kinder in die Welt gesetzt, wenn wir nicht mit ihnen angeben können?“
Ich bin kein Pädagoge und sicherlich ist es auch zu früh für eine finale Einschätzung, aber im Gegensatz zu Jasmin hegte ich tiefe Zweifel daran, ob Jule-Katharina einer anderen Person, jemals den Platz an einer Schule für Hochbegabte streitig machen wird.
Ich war froh, dass Tims Eltern ihren Sohn einfach nur Kind sein ließen ohne ihm Fähigkeiten anzudichten, bei denen selbst Nobelpreisträger vor Neid erblassen würden.

Da auch hier mein Penhaligons-Freund überhaupt keine Wirkung erzielen konnte, stand ich auf und wollte  so schnell wie möglich einer weiteren Lobhudelei  entkommen. Dabei blieb der Stuhl an meinem zu breiten Hinterteil hängen und ich fegte beim Umdrehen den Nudelsalat vom Tisch.
„Ich hole mal schnell Handfeger und Schaufel“, noch nie kam mir eine eigene „Dick & Doof -Aktion“ so willkommen.

Schnell raus aus der Küche und hinein in einen mit unzähligen Schokoweihnachtsmännern inflationär geschmückten Raum mit Bällebad. „Hi, ich bin Hanna und das ist Mike“, drang es in mein linkes Ohr. Ich öffnete die Lippen und wollte mich gerade vorstellen, als es sofort auf mich hereinprasselte.  „ Ja, Du schaust uns an und fragst Dich, was machen die denn hier?“, sie lachte…. „Nein, ähhh eigentlich nicht und ich wollte auch…“ stammelte ich und kam nicht weiter. „Ich bin noch einmal spät - mit 48 - Mutter geworden“ …“Und ich Vater!“…kam es irgendwo aus dem Background. "Unser Großer studiert an der Sorbonne; das ist in Paris“ erzählte sie stolz. „Das ist in Frankreich“, fügte Mike hinzu. Ich fühlte, in welche Richtung sich diese einseitige Konversation entwickeln würde und fächerte hektisch meinen Duft zu ihnen herüber. Keine Reaktion. Bei Vampiren wirkt wenigstens plakativ ein Kreuz oder eine Kette aus Knoblauch…und schon suchen sie das Weite. „Unsere kleine Mathilde ist jetzt 5“, dabei zeigte sie auf ein blondes Mädchen in einem pinkfarbenen Gucci-Jogginganzug, dass mit einer Barbie in einem pinkfarbenen Gucci-Jogginganzug spielte. „Wir wohnen in „Webü“, (In-Bezeichnung für den recht noblen Hamburger Stadtteil „Wellingsbüttel“). Hanna erzählte, dass Mike bei einem großen Finanzdienstleister in höherer Stellung arbeitet, im letzten Jahr 230K verdiente und dass Sie für ihre 170qm Penthousewohnung mittlerweile 6500,00 € Miete zahlen. Zudem hat sie - aus Gründen des Umweltschutzes- selbstredend neben ihrem GLE, nun auch noch einen Hybridwagen, den sie aber bislang kaum gefahren ist. Grund dafür ist, dass die Wallbox aus Platzproblemen derzeit nicht in ihrer Garage installiert werden kann. Ski- und Golfausrüstung lassen sich ansonsten nirgendwo unterstellen…und die Hamburger Stellplätze sind ja sowieso viel zu klein. Auch erfuhr ich ungefragt, dass sie gerne Kurzurlaub „auf dem Sylt (?)“ machen, eine Ferienwohnung in Kitzbühel besitzen, Hanna sich als Schmuckdesignerin versucht, Mike ein entfernter Verwandter irgendeines fast ausgestorbenen Adelsgeschlechtes mit dicken Lippen ist und sie mit KETO in 3 Monaten 5 Kilo abgenommen hat. Nach gefühlten 30 Minuten frage sie mich: „Und was machst Du so beruflich?“.
Sohan ließ mich wieder in Stich und so musste ich mich nun verbal aus dieser Zwangsjacke befreien.    „Ach…ich mache nur noch Only-Fans!“, gab ich zum Besten. Die beiden guckten mich erschrocken an und zogen ihre Tochter schützend zu sich.

Die darauffolgende Stille versprach mir eine kleine Pause…eine ganz kleine, denn auf einmal schallte es durch den Raum: „Hallo, ich bin die Sigrun und meine Tochter möchte jetzt etwas für euch auf der Blockflöte spielen“. „Hallo, ich bin der Marc und ich möchte jetzt weglaufen!“, dachte ich und sprang in meiner Vorstellung ins Bällebad.
„Meine Tochter Merle - ihr kennt sie ja alle - spielt fast schon virtuos…und nun Ruhe bitte!“
Es wurde still und das Knarren des Holzfußbodens verhinderte meine Flucht. Schon beim ersten Ton wurde mir klar, dass der Weg zu einem zweiten Amadeus noch sehr weit sein dürfte. Die eher eigenwillige Interpretation von „Ihr Kinderlein kommet“, wurde zudem dadurch erschwert, dass Mutter Sigrun versuchte irgendeinen Rhythmus zu stampfen und somit das Mädchen vollends aus dem – sowieso recht fragilen – Konzept brachte. Hier war definitiv noch Luft nach oben und als die zweite Strophe sich nun ganzheitlich in einer Modern-Jazz - ähnlichen Improvisation verlor, kam das Ende abrupt aber erlösend. Sigrun klatschte frenetisch und die anderen Anwesenden lächelten gequält-freundlich. „Es ist halt nicht ihr Instrument“, sagte eine ältere Dame hinter mir leise, und ich musste –trotz Tinnitus - schmunzeln.

Auf einmal tauchten Babsi & Fred in der Tür auf; eine schwere Last fiel von meinen Schultern. Ich zeigte auf das Bällebad, aus dem Tim in diesem Moment seinen Kopf heraussteckte. „Sorry, aber es ging nicht früher“. „Irgendetwas passiert?“, fragte Babsi. „Nein….alles toll hier…“, antwortete ich.

Nachtrag:
Zwei Wochen danach rief mich Fred lachend an. „Du hast ja auf dem Winterfest einen wirklich guten Eindruck hinterlassen. Alle fanden Dich total nett. Ach…und Tanja fragte, ob ich ihr Deine Nummer geben kann. Nur Mike schien irgendwie verunsichert und meinte, dass sie wohl zum Sommerfest nicht mehr kommen werden, wenn zu viele „Externe“ dabei sind… Und noch etwas: Kannst Du mir sagen, welchen Duft Du an diesem Tag trugst? Wir fanden den richtig gut!“

Aktualisiert am 15.02.2024 - 08:18 Uhr
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