Christacita

Ok. Abermals sehe ich mich gezwungen, etwas auszuholen, da die früheren Inhaltsstoffe dieses Duftes mein Zeitrad und die damit einhergehende Phantasie etwas durch die Decke schiessen lässt. Und Schwupps katapultiert mich Doc’s Zeitmaschine zurück ins 1989. Stichwort Königin der Nacht. Ich war süsse 15, als ich die Sekundarschule des Oberstufenzentrums Domat/Ems besuchte. Mit grösserem und minderem Erfolg, wie sich herausstellte. In den öden Gängen des grauenbetonen Schulhauses pflegte ich meine Mitmenschen des Öfteren mit einer Arie aus Wolfgang Amadeus Zauberflöte zu betören. Kennt ihr das bekannte Stück, das von der Königin der Nacht leidenschaftlich gesungen oder besser gesagt geträllert wird? Da simple Worte der ganzen Dramatik nicht gerecht werden würden, muss sie ihre Gefühle buchstäblich zwitschern. Und das meine ich im positiven Sinne.

Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen....... Oooouuuuuuuuuuuuoooooo……

Auf jeden Fall fand ich im Gegensatz zu Gesang weniger Gefallen an Mathematik und Geometrie, was mein Mathelehrer demnach auch gerne unter Schalk und mit einer Prise heugetrockneten Humors meinen Mitschülern kundtat. Wenn er seine weitverbreiteten Fragen über Pythagoras und Co. in die Runde warf und etwas länger als erhofft auf eine Antwort warten musste, pflegte er zu sagen:

"Von Christina dürfen wir uns keine Antwort erhoffen, da sich ihr die Lösung nicht erschliessen wird. Aber das ist auch nicht weiter schlimm, denn sie ist gesegnet mit einer göttlichen Stimme und bringt auf ihrer Violine die zartesten Töne hervor."

Na dann! Als ehemaliger Dirigent unseres damaligen Jugend-Orchesters muss er es ja schliesslich wissen.

Von der Existenz einer Königin der Nacht als Blüte wusste ich bislang noch nichts. Doch sollte es eine bestimmte Essenz sein, die diesem Duft das Verführerische verleiht, so muss es diese namhafte Blüte sein. So intensiv nach Vanille und gar dunkler Schokolade kann doch nur sie duften. Mir ist bewusst, dass die neuere Version von Dior Addict keine Königin der Nacht beinhaltet. Das Duftbild der Königin der Nacht ist in meiner Festplatte gespeichert und nicht mehr löschbar. Könnte es sein, dass es gar das neuer inszenierte Trio O-Blüte, Jasmin und Vanille ist, das hier so überschwänglich und würzig duftet? Oder ist es einfach eine Symbiose aller angewendeten Essenzen, die jene Eindringlichkeit des Duftes ausmachen? Auch wenn die Essenzen im Drydown gemütlicher werden, so nehmen sie dennoch die Anfängliche Schwere mit.

Tatsache ist, dass dieser Duft für meine Wenigkeit nicht alltagstauglich ist, sondern sich für spezielle Anlässe eignet. Ein Special-Occasion-Duft sozusagen. Warum nicht ein Duft für die Oper oder gar eure Hoch-Zeit? Wenn ihr diese jeden Tag feiern möchtet, bitte sehr. Addict ist
wie geschaffen dafür. Ein atemberaubendes, alles vereinnahmendes WOW-Parfum, das duftet wie kein anderes. Darüber hinaus verfügt dieses Duftwässerchen über eine überdurchschnittliche Sillage und Haltbarkeit. Wenn du den Duft trägst, sei dir sicher, dass du in olfaktorischem Sinne nirgends untergehst. Mit Addict wird unter den Tisch gerochen!

Ich bin kein Fan von Dior Frauen-Düften, obwohl ich Mainstreamdüfte durchaus mag. Aber zu diesem Juwel greife ich gerne mal zwischendurch, wenn mir der Sinn nach «Königin der Nacht» ist. Wetten, dass das Parfum noch am nächsten Tag an meinem Handgelenk wahrnehmbar ist?

Unglaubliches Zeugs ist das!

In diesem Sinne – Je l'avoue, je suis accro

J’adore Dior !

Als ich ein Kind war, wand sich im Garten unseres Elternhauses eine riesige Birke in die Weiten des Himmels empor, die ich über alles liebte. Ich pflegte sie, sprach zu ihr, weilte endlose Stunden auf einem ihrer ausladenden Äste, wenn ich keinen Rat wusste. Mit ihrer vor Kraft strotzenden Präsenz schenkte sie mir ein Gefühl von Mut und Sicherheit, ja Heimat. Im Alter von zarten 11 Jahren widmete ich jener besagten Birke das folgende Gedicht:

Oh mein Baum, wie du doch lebst,
dich immer immer mehr erhebst,
dass du gute Seel nie brichst,
wenn es uns, den Mensch betrifft,
Alles was man hört von dir,
ist dieses sachte Rauschen hier.

Ich kann alles was mich bedrückt dir klagen.,
und hör dich gar, gar nie was sagen,
Nur mit deines Herzens Gut,
gibst du mir wieder Kraft und Mut.
Auch kann ich spüren wie's dir geht,
ohne, dass's ein andrer seht.

Wenn du musst scheiden von der Welt,
und nun kommst ins Himmelszelt.
Wer rauschet dann im Garten sacht,
und schützet mich die ganze Nacht?
Ich weiss, was wird dein Herz mir sagen,
da kannst du nur die Sterne fragen.

Auf die Frage hin, was denn dieses Gedicht mit diesem Duft verbindet, werde ich euch mit einer simplen Antwort beglücken. Tja meine Lieben, es sind die einfachen Dinge des Lebens.... Dieses süsse Duftwässerchen schenkt mir das behagliche Gefühl, angekommen zu sein. Zudem entzückt es mich mit einer wohligen Sicherheit, die mir einst die Birke in Domat/Ems, Graubünden, Schweiz, schenkte. Nichts da, kein einziger abneigender Funke des Grauens. Im Gegenteil, die Essenzen vereinen sich wie das Universum mit der Sonne und bilden so ein überirdisches, grosses Ganzes.

Ich rieche keinen glamourösen Auftritt der Früchte, denn dann würde mich diese Leckerei nicht so sehr in ihren Bann ziehen. Der Auftakt von Pure Sugar besteht aus einer leicht an Früchte erinnernden Note, ganz weit weg im Nirgendwo. Im weiteren Verlauf taucht ein leiser Rosa Pfeffer Hauch auf, gefolgt von einer wunderschönen Jasmin, die eine Symbiose mit vollen, runden Pralinen eingegangen ist. Alles in allem mutet "Pure sugar" cremig, süsslich, gourmanden und leicht synthetisch an. Irgend eine magische Zutat muss hier gewütet haben, denn das gewisse Etwas, das einem das Gefühl von Angekommen sein schenkt, muss schliesslich von Zauberhand erschaffen worden sein.

Es ist wichtig, sich seiner Herkunft bewusst zu sein mit der Gewissheit im Gepäck, was einem guttut und was nicht. Letzten Endes können wir uns nur selbst jene Sicherheit schenken, die wir so dringend auf unserem Lebensweg brauchen, obschon sie bereits seit jeher ein Teil von uns ist. Sie in sich zum Leben zu erwecken, kann in der Tat eine Mammut Aufgabe darstellen. Aber was wäre das Leben schon ohne seine vielschichtigen Herausforderungen...?

Ein grosses Dankeschön an Pure Sugar und an meine wunderschöne Birke, dass ihr mich auf meinem mannigfaltigen Weg des Lebens begleitet (habt).

Rawaa soll in orientalischen Gefilden ein beliebter Mädchenname sein, dem verschiedene Bedeutungen zuteil werden. Dr. Google zufolge soll er aber nicht mit Wasser in Verbindung gebracht werden, sondern mit den Adjektiven "prächtig und wunderbar".

Als wunderbar empfinde ich derweil alles orientalisch Anmutende, Wohlklingende und davon Abstammende. Seien es Düfte, Gerichte, Namen und nicht zu vergessen alle Länder des Orients. Gerne erinnere ich mich an verschiedene Türkeireisen meiner Jugend, dem wohlwollenden Erkundungsland des Tors zum Orient. Memet, unser damaliger Freund aus Bodrum pflegte verhüllte Frauen als "Frau geschlossen" zu benennen. Wenn ich daran zurückdenke überkommt mich jäh ein leichtes Schmunzeln. Nie im Leben wäre es diesem jungen Mann in den Sinn gekommen, sich eines unserer westlichen Kultur abstammenden Mädchens als zukünftige Ehefrau vorzustellen. Es muss ihm indes grotesk vorgekommen sein, wie unbefangen wir damals in unseren knappen Bikinis die Tiefen der Ägäis erkundeten. Wer weiss, was aus den Träumen des jungen Mannes geworden ist.

Rawaa mundet anmutig und weiblich an. Ein sehr schöner gourmandener Auftakt, der an Mandelgebäck und türkischen Kaffee erinnert. Das sinnliche Mädchen mit den tiefschwarzen Augen und dem dramatischen Lidstrich, dessen Ausdruck eine abgründige Tiefe erahnen lässt, jedoch für uns westlich Weltlichen im Verborgenen weilt. Ganz schön geheimnisvoll diese Rawaa! Trotz der prächtigen Herznoten, die an Jasmin und Iris erinnern und bestimmt viele Duft-Herzen höher schlagen lassen, so stellen diese Blüten eine etwas zu hohe Hürde für mich dar und vereinnahmen mir den Duft eine Prise zu stark, als dass aus unserer Begegnung mehr würde als einem flüchtigen Duft-Flirt. Die Basis mutet ebenfalls gourmanden an, nur kann ich sie nebst der Blütendecke nur ganz vernebelt wahrnehmen. Doch siehe da, nach ein paar wohltemperierten Stunden des Seins ist die Blütendecke beinahe verklungen und es zeigt sich eine prächtige Tonkabohne im überirdischen Sandelholz-Vanille Beet. Ein gelungener Gourmand-Duft für Blütenliebhaber, die das orientalische Flair schätzen.

Als musikalischer Anreiz kommt mir das Lied Aisha aus dem Jahre 1996 in den Sinn. Erinnert ihr euch?

Yeah Khaled, you rocked that!

Comme si j'n'existais pas
Elle est passée à côté de moi
Sans un regard, reine de Saba
J'ai dit Aïcha, prends, tout est pour toi
Voici les perles, les bijoux
Aussi l'or autour de ton cou
Les fruits bien mûrs au goût de miel
Ma vie, Aïcha, si tu m'aimes
J'irai où ton souffle nous mènent
Dans les pays d'ivoire et d'ébène
J'effacerai tes larmes, tes peines
Rien n'est trop beau pour une si belle, oh-oh

Aïcha, Aïcha, écoute-moi
Aïcha, Aïcha, t'en vas pas
Aïcha, Aïcha, regarde-moi, oh-oh
Aïcha, Aïcha, réponds-moi

In liebevoller Erinnerung an meinen Papi, mit welchem ich die Türkei erkunden durfte, beim Segeln, der Einnahme des legendären allabendlichen Ankertrunks, patriotischen Liedereinlagen und ganz viel Tränen der Rührung. Soviel von dir trage ich in mir weiter. Han di liab Papa, bisch dr Bescht !

Warm fühlt sich der marokkanische Tag an, in welchem die Rufe des Muezins zum Sonnenaufgang wie leuchtende Sterne in die Morgenidylle hallen. Andächtig gehe ich ein paar geruhsame Schritte, um mich voller Hingabe beim Allmächtigen zu bedanken. Die Orangenblütenhaine duften milde und voller Anmut, so, als wäre es ihre einzige verklärte Aufgabe, der Menschheit von ihrer Herkunft zu erzählen, nämlich jener aus 1001er Nacht. Gemächlich mische ich mich in das bunte Treiben des geschichtsträchtigen Souks von Marrakesch und lasse mich inspirieren von Farben, Formen, Düften und Stimmen. Eine Explosion der Sinne erwartet mich, wie ich es noch nie erleben durfte. Inmitten des Duftfeuerwerks weht von irgendwo her der Geruch von sonnengereiften Zitronen, und nach der Essenz haschend, ja beinahe verzweifelt suchend, entblößen sich meinem Auge goldgelbe, in Zucker eingelegte Zitronen-Splitter, angereichert mit Samen einer vollmundigen Vanilleschote. Nachdem ich die Köstlichkeit probiert habe, kann ich meine freudige Euphorie nicht mehr zurückhalten und aus den Tiefen meines Innern entspringt ein herzhaftes Lachen. Eine leuchtende Wärme entflammt in meinem Herzen, deren Emotion gepaart ist von Hingabe und Dankbarkeit.

Devotion habe ich kurz vor Weihnachten entdeckt, als ich mir beim Erhaschen der letzten Weihnachtsgeschenke das in einem vielversprechenden und prunken wirkenden Flakon stammende Parfum aufs Handgelenk gesprüht habe. BAM! Die süssen Zitronen duften voll, zuckersüss und weiblich, wobei die darauffolgende Orangenblüte von göttlicherer Anmut nicht sein könnte. Keine alles vereinnahmende O-Blüte, sondern eine dezente und sinnliche Variante, die diesem Duft die Herrlichkeit verleiht, die ihn zum Superduft kürt. Die Vanille rundet die Essenzen perfekt ab, sodass es mir sprichwörtlich die Sprache verschlägt.

So möchte ich duften, wenn ich ausgehe. So, möchte ich duften, wenn ich zur Arbeit gehe, so möchte ich im Sommer und im Winter durften, ja so möchte ich buchstäblich immer duften.

„Hingabe bedeutet einen erhöhten Zustand der Empfänglichkeit, weil du nicht mehr voll von dir selbst bist. Er ist eine Leere in dir, also kann dich etwas berühren, etwas kann in dich eindringen, etwas kann in dir wohnen.“

Diese Duftpyramide von Guimauve erinnert mich an eine Olympiade von Superhelden, ein Kräftemessen der Superlative. Jede einzelne der hiesigen Essenzen möchte es an die Spitze der Weltrangliste schaffen. Die Duftnoten bäumen sich virtuos auf, setzen sich pompös in Szene und um einen bleibenden Eindruck bemüht, greifen sie tief in die Trickkiste. In der Tat präsentiert sich diese Dufttonleiter, bestehend aus einer Mischung an Hölzern, Blüten, Früchten und anderen leckeren Zutaten so kunterbunt, dass es mir die gleichnamige Villa aus dem Märchen von Astrid Lindgren in Erinnerung ruft. So bunt und farbig, dass ich nicht mehr weiss, wo mir der Kopf steht. Süssigkeiten aller Farben und Geschmäcker türmen sich auf der Terrasse jener Villa Kunterbunt, fast so, als habe sich die Terrasse selbst zum Süssigkeitenladen gemausert. Die auf der Wiese tummelnden Kinderherzen schlagen die höchst möglichen Frequenzen, wobei die Hauptperson selbst den Ton angibt. Dieses Mädchen zeugt von ungebändigter, wilder und überwältigender Energie und ist durch nichts und niemanden aus der Ruhe zu bringen. Unsere Pippi hat es sich zur Aufgabe gemacht, alles und jeden zu lieben, um dabei jede Hürde mit Bravour und Herzblut zu meistern. Pippi Lotta, die legendärste Figur unserer Kindheit. Wer liebt sie nicht, diese vor Liebe und Phantasie strotzenden Kinderbücher und liebevoll inszenierten Filme aus den 70er Jahren? Nostalgie pur. Auch meine eigenen Kinder konnten sich die Augen kaum sattsehen an jenem vor positiven Vibes sprühenden Märchens. Dann kam das Handy..... aber das ist eine andere Geschichte.

Den Kampf um den vordersten Platz gewinnen erstmals mal die Bittermandel und der Schopflavendel und bleiben zeitlich begrenzt auf Platz 1. Erstere hat es noch immer geschafft, mich zu verzaubern, hingegen ich den Lavendel dort am besten mag, wo er hingehört, nämlich in den Weiten der Provence. Es vergeht eine ganze Weile, bis sich die Essenzen beruhigen, um dann ganz wohlig ineinander zu verschmelzen. Irgendwann bleibt nur noch ein Hauch dieses kunterbunten Potpourris haften, das zart, cremig und leicht mandelig anmutet. Ob nun diese Symbiose an Essenzen es tatsächlich schafft, eine Marshmallow-Fatamorgana heraufzubeschwören, sei einmal dahingestellt. Unbestritten ist, dass die Basis ein cremiges, zartes, beinahe kindlich wirkendes Duftwölkchen hinterlässt, das mich gerne begleiten darf, wenn ich mich beschützt und zurück in die Kindheit versetzt fühlen möchte, um Kindheitserinnerungen XXL nachzujagen.

Die Haltbarkeit der Guimauve Komposition ist überirdisch. Sie weilt mindestens 24 Stunden so cremig zart und bescheiden auf der Haut, dass mich ein Hauch von Demut überkommt. Und habt ihr dieses Flakon gesehen? Es lässt einen buchstäblich dahinschmelzen. Mit ganz viel überschwänglicher Phantasie und Glaube gelingt es auch, dass einem aus dem Zauberflakon Hundert Tausende an Marshmallows entgegenduften, um einen gänzlich zu überwältigen. Wetten?

In freudiger Erinnerung,
Eure Pippi Lotta Victualia, Rolgardina, Pfefferminz Efraim's Tochter Langstrumpf

Anmerkung:
Mi Fa ist eine klägliche Untertreibung, versinnbildlicht doch dieser Duft die Pracht der gesamten Tonleiter: Do Re Mi Fa So La Ti Do.