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vor 12 Jahren - 06.08.2012
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Guerlain und die Guerlinade

 

…und wieder ist es ein gerade geschriebener Beitrag zu einem Guerlain-Duft (Guerlinade), der offensichtlich Fragen aufwirft.  Und wieder verbringe ich Zeit mit der Recherche, die aber letztendlich auch mir zu Gute kommt...das ein oder andere vergesse ich ja auch.

Zunächst bitte sollten wir den Zeiger der Uhr mal um gut 15 Jahre zurückdrehen! Das Internet steckte in den Kinderschuhen, Informationen über Parfums waren wenig vorhanden. Diejenigen, die Zugang zu großen Parfümerien oder zu den Countern der Kaufhäuser hatten, kennen Sie noch, die schönen aufwändig gestalteten Broschüren über die Produkte des Parfumhäuser. Sie waren doch die einzigen Quellen, aus denen Wissen vermittelt wurde. (Vielleicht wusste eine Counterleiterin noch einige weitere Details, doch die wurden doch eigentlich nie weitergegeben – sicherlich haben sie uns auch nicht interessiert).  Wie gesagt, dass Internet hatte auch die Firmen noch nicht erobert und an Parfumo war damals auch nicht zu denken. Mittlerweile sind wir aufgeklärt, sind neugierig geworden, uns stehen viele neue Informationsquellen zur Verfügung und auch die Firmen erleichtern es uns; ich denke da an ‚Les Journées Particulières‘ von LVMH, die Tage der offenen Tür, bei denen man hinter die Kulissen von Dior, Guerlain etc. schauen kann.

Worauf will ich hinaus?  Mit dem Namen ‚Guerlinade‘ konnte der Verbraucher, selbst der Parfum-Interessierte 1988 – dem Jahr des Erscheinens - doch gar nichts anfangen.

(Hier wieder ein kleiner Hinweis an die Admis: das Erscheinungsjahr ist hier 1988, mit der Version aus den 20iger Jahren hat es nichts zu tun !)

Das kleine, reich bebilderte Notizbuch von Jean Paul gab Auskunft. (Der Kauf eines Flakons beinhaltete auch  dieses Buch.) Auf gut 40 Seiten schildert Jean Paul Guerlain sein Leben mit dem Parfum, nimmt Bezug auf die Kreationen seiner Ahnen, schwärmt aber immer wieder von den Frauen. Und so schreibt er.  Zitat: „Mein neues Parfum heißt „Guerlinade“. Es ist eine Liebeserklärung an alle Frauen dieser Welt und natürlich vor allem auch an jene Frauen, die mein Leben geteilt haben und mich zu meinen schönsten Kreationen inspiriert haben.“

Weiter schreibt er. Zitat:“ Jeder Parfümeur hat seine Lieblingsbesetzung. Wie ein Maler oder ein Musiker bevorzugt er bestimmte Elemente. Meine Lieblingsblume ist zum Beispiel die Rose. Ich habe sie wieder und immer wieder in allen Formen und Varianten verwendet...Es wird oft gesagt, der Familiencharakter unserer Parfums würde sich in der unnachahmlichen, typischen Note bemerkbar machen, die sie von allen anderen Düften unterscheidet. Es stimmt, dass man ein Parfum von Guerlain oft problemlos als solches identifizieren kann, auch wenn das Parfum nicht bekannt ist… Des Rätsels Lösung ist ein ganz bestimmter Duftakkord, der in allen unseren Parfums vorhanden ist…aber ich kann Ihnen zumindest verraten, dass er aus einer Jasminnote besteht, die durch Rose, Vanille und Tonkabohnen unterstrichen wird. Dieser unverwechselbare Akkord zieht sich wie der rote Faden der Ariadne durch alle unsere Kreationen…“Zitatende.

Bitte beachten: Jean-Paul weist auf den 40 Seiten übrigens nicht darauf hin, dass diese Zusammensetzung Guerlinade heißt. Er spricht zwar vom typischen Akkord, vermeidet aber diese Namensgebung!

Der Leser erfährt erstmalig(*) etwas von der Zusammensetzung von Guerlain-Parfums. Der Name lenkte vielmehr in Richtung Fantasienamen und unwillkürlich zieht man Parallelen zu Dior-Parfums: Diorella, Diorling,Diorama etc.

Hier erkennen wir, dass durch die neue Eigentümerstruktur (an anderer Stelle ausführlich beschrieben) eben eine ‚Öffnung hin zum Verbraucher‘ erfolgte.

Heutzutage wissen wir, was die Guerlinade ist. 1988 wussten wir es nicht. Und es liegt natürlich nahe, dass wir unser heutiges Wissen gleichsetzen mit dem Gedanken, dass der  Duft dieses Namens eben genau DIE Guerlinade seien könnte.

Hier kommt nun ein aussagekräftiges NEIN.  „Guerlinade“ beinhaltet natürlich die Guerlinade, aber sie ist es nicht.

Ich glaube, hinter das gutgehütete Geheimnis werden wir wohl alle nicht kommen. „Guerlinade“ wurde nur werbetechnisch genutzt, um sowohl einem  exklusiven Damenduft einen Namen zu geben und den Käufer mit den neu erworbenen ‚Geheimnissen‘ um die Duftherstellung wieder etwas mehr an das Haus Guerlain zu binden. Nicht unklug !

Ich erinnere mich an den Hype um Guerlinade. Der Duft wurde als streng limitiert präsentiert und er gefiel offensichtlich. Erstmalig bemerkte ich, dass begeisterte Duftverwenderinnen sich gleich mehrere Flakons reservierten.

 

(*)es mag sein, dass Colette Fellous in ihrem GUERLAIN Buch, 1987 erschienen im Denoel-Verlag bereits  die Guerlinade erwähnt, auf die Schnelle habe ich nichts gefunden. Aber zu diesem Buch gab es ja auch nur sehr eingeschränkten Zugang.

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