Wissenswertes über Guerlain - Nahema 1979
Gäbe es die Aufgabe, ein jeder hätte in schneller Folge 10 Guerlain Parfums aufzuschreiben, würde ich sehr stark vermuten, dass Nahema gar nicht oder nur höchst selten notiert wäre.
Nahema stand noch nie im Fokus, aber seit 35 Jahren ununterbrochen auf den Verkaufslisten des Hauses. Mittlerweile steht es nur noch in der 2.Reihe, vielleicht sogar versteckt hinter den populäreren Namen und es steht auch nur noch in den Countern, die das allumfassende Sortiment anbieten dürfen. Es steht in keinem Duty Free, aber – und da bin ich mir sicher – es wird immer in den Boudoirs derjenigen stehen, deren Liebe zu Nahema erwachte.
Ich mag die Kreationen von Guerlain, die nicht im Licht stehen, die man entdecken muss, die sich nicht sofort öffnen, die einen zunächst ratlos erscheinen lassen, die man immer wieder beim Besuch eines Guerlain Counters probiert, bis…...ja, bis man gefangen ist.
Es ist hier nicht die Aufgabe einen Parfumkommentar zu verfassen. Er würde an anderer Stelle stehen, außerdem wurde Nahema dort schon prächtig und facettenreich beschrieben.
Der Hintergrund des Blogs ist vielmehr das Aufdecken von diversen Merkmalen, die Nahema von seinen ‚Schwestern‘ unterscheidet.
Das Extrait
War es seiner Zeit bei Guerlain üblich, Extraits von neu kreierten Düften sofort in mindestens 4 Größen anzubieten, wurde Nahema 1979 bei seiner Markteinführung nur in der kleinsten Größe von 7,5 ml präsentiert. Der Flakon in Form eines Hufeisens ist heutzutage ein wertvolles Sammlerstück, wurde er doch bereits ein Jahr später von dem bekannten Nahema Flakon abgelöst. Diese vom Bildhauer Robert Granai entworfene Form stellt eine Anlehnung an die Alchemie dar, die ‚Träne‘ an der Vorderfront versinnbildlicht den Tropfen eines destillierten Parfums. Dieser Flakontyp wurde nun auch für die Größen 7,5/ 15/ 30/ 60 und 120 ml hergestellt. Die Produktion regulierte sich aber schon nach 5 Jahren auf die gängigen Größen, bis dann 1992 auch die Produktion der 15 ml Größe eingestellt wurde. Von nun an gab es Nahema Extrait nur noch im bekannten Jicky Flakon.
War die Präsentation im Hufeisenflakon bewusst so geplant? Und die Darreichung in der damals unüblichen 7,5 ml Version eine Notlösung, weil die Granai-Formen in den Glasmanufakturen noch nicht fertig waren? Die Fragen bleiben offen. Klar ist nur, dass J.P.Guerlain angibt, für Nahema 7 Jahre gebraucht zu haben. Robert Granai arbeitete seit 1974 (Eau de Guerlain) für das Haus und ich denke mir, dass er bei Zeiten beauftragt wurde.
Der Hufeisen-Flakon als Miniatur (1 ml) :
Die Verpackung und der Preis
1979 war noch die Ära der weiß-schwarzen Zick-Zack Umkartons. Jedes Produkt, egal ob Duft, Pflege, Maquillage, alle wurden von den Packungen ummantelt. Anders Nahema. Hier war die Verpackung schwarz, die Zick-Zack Optik blieb erhalten, sehr markant hob sich nun das goldene oval-förmige Emblem ab. Der Firmenname wurde noch in kleinen Buchstaben geschrieben. Die nachfüllbaren Zerstäuber waren in einem für die 70iger Jahre typischen, poppigen Design in orange und rosa und gold. Heutzutage ist das schon fast wieder en Vogue. Insgesamt fiel Nahema mit seinem Erscheinungsbild komplett aus dem Rahmen. Offensichtlich startete man hier mit neuen Produkt/Design Ideen.
Nach Angaben von J.P.Guerlain steckten Unsummen in der Entwicklung, dies drückte sich dann auch gleich im Verkaufspreis aus. Nahema kostete gut und gern 10 % mehr als die im Sortiment bislang teuersten Düfte Shalimar und Chamade.
Das Parfum de Toilette
Häufig taucht die Vermutung auf, Shalimar wäre der Wegbereiter des Parfums de Toilette (dem heutigen Eau de Parfum). Hier steckt ein Funken Wahrheit in der Aussage, denn 1986 bildete Shalimar den Vorreiter in einer großangelegten Kampagne für eine neue Duftkonzentration - bis 1987 die anderen populären Guerlain-Düfte wie Mitsouko, Jicky und L’heure bleue folgten.
Korrekt ist es aber, Nahema als ersten Namensträger für das Parfum de Toilette zu nennen (und das seit 1979) !
Es gab nie ein Eau de Toilette. Schon immer waren die Duftöle bei Nahema hoch konzentriert. (Ehrlich gesagt mag ich mir den Duft auch nicht leicht konzentriert vorstellen).
Ähnlich wie beim Extrait verschwanden auch bald die PdT-Flakons aus den Produktionen und Nahema wurde in (nachfüllbaren) Zerstäubern angeboten.
Auch hier gab es eine Kuriosität. Der Tatsache geschuldet, nie ein Nahema-EdT produziert zu haben, füllte man das PdT einfach in das für das EdT vorgesehene 93 ml Recharge und die Sache war geritzt. Bis 2003 füllte man eine ‚falsche‘ Konzentration in nicht dafür vorgesehene Zerstäuber! (Sicherlich hat LVMH bei der 100-Prozent-Übernahme mit den Kuriositäten aufgeräumt.)
Extrait-Zerstäuber 8ml :
Der Vertrieb
Die bereits erwähnte sehr hohe Duftkonzentration war verantwortlich, dass Nahema nicht sofort europaweit oder gar weltweit vertrieben wurde. Man hatte von den Problemen mit Chamade gelernt, die in heißen Regionen rund um das Mittelmeer entstanden waren. Und somit wurde das seinerzeit noch existierende Werk in Spanien gar nicht erst mit der Produktion von Nahema beauftragt.
Soweit die Unterschiedsmerkmale.
Interessant ist vielleicht noch zu wissen, dass J.-P. Guerlain für seine Kreationen stets eine Muse als Inspiration brauchte. Für Nahema war Catherine Deneuve die Auserkorene, als er sie in dem Streifen „Benjamin -Aus dem Tagebuch einer männlichen Jungfrau“ auf der Leinwand sah. (Sie selbst stand zu der Zeit für ein anderes Haus unter Vertrag und auf Befragen gab sie an, eine L’heure bleue - Verwenderin zu sein.)
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Dieser Blog ist unter Zuhilfenahme einiger Passagen des Buches von J.-P.Guerlain „Les routes de mes parfums“ (Verlag „le cherche midi“) entstanden.
Leider ist die Schreibweise hier bei Parfumo falsch. Nahema schreibt sich ohne accent aigu.
Coriolon