Deimos

Deimos

Rezensionen
Deimos vor 5 Jahren 13 4
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Schwarzer Wacholder
Ginepro Nero - ein Duft des oft mit naturbezogenen Produkten assoziierten und in Norditalien ansässigen Hauses L'Erbolario - ist für mich ein Beispiel, dass man immer wieder kleine, versteckte Schätze finden kann, die manchmal etwas (zu) schnell in die Kategorie "so ähnlich schon gerochen" gefallen sind und dann leider oft unter dem Radar verschwinden. Im Fall von Ginepro Nero trifft das vor allem deswegen zu, weil die allgemeine Duftrichtung, an der er oft gemessen wird, von einem mehr oder weniger ikonischen Hype der 2000er – Terre d'Hermès – beschritten wurde. Das möchte ich aber gerne zum Anlass nehmen, um zu beschreiben, warum ich finde, dass Ginepro Nero eine wertige Interpretation des Themas mit interessantem Charakter ist.

Möchte man sich den italienischen Duft in dem mattschwarzen Flakon über bekanntere Düfte herleiten, kann man sich Ginepro Nero in einem Dreieck vorstellen, dessen äußere Punkte von Terre d'Hermès EdT, Terre d'Hermès Parfum und Montale Red Vetiver gebildet werden. Allgemein könnte man sagen, dass Ginepro Nero etwas mehr auf der Hermès Seite und ein wenig näher am Terre d'Hermès Parfum ist, allerdings würde das das Bild nicht komplett erfassen. Betrachtet man den Duft etwas differenzierter, kann man vereinzelte Bilder von Hermès' EdT erspüren, die sich aber am tieferen Grundton des Parfums orientieren und zumindest teilweise mit tendenziell in die Montale Richtung gehenden, aber etwas maßvolleren, herben Zitrusnoten umgesetzt worden sind. Nach dieser sehr groben Einordnung anhand der genannten Referenzen, möchte ich aber gerne sagen, dass bei L'Erbolario keineswegs ein duftgewordenes Äquivalent zu Dolly dem (Klon-)Schaf herausgekommen ist, sondern ein eigenständiger Duft, bei dem man erkennen kann, dass er ein fundiertes Konzept verfolgt und mit Hingabe gemacht wurde.

Wer die oben genannten Düfte nicht kennt, sollte sich die Zitrusnoten nicht als typischen, zitrisch-frischen Duft vorstellen. Die enthaltene Bitterorange wird von Grapefruitschale flankiert und bildet im Zusammenspiel mit Bergamotte einen eher herben Zitrusanteil, der geschickt mit den anderen Dufttypen verwoben ist. In der Herznote ist vor allem die Wacholderbeere präsent, jedoch ohne eine Solorolle zu spielen. Die Zeder geht nahtlos in die insgesamt holzige Komposition über und knüpft damit an den natürlichen Vetiver in der Basisnote an, der den Blend, zusammen mit dezentem Eichenmoos und einem Hauch Patchouli, um grünliche und erdige Töne ergänzt, ohne dabei muffig zu wirken. Durch Elemiharz und Benzoe wird das Bild von tiefen, harzigen Noten vollendet und von maßvoll abgestimmtem Pfeffer, der insgesamt zu den frisch-würzigen Anteilen beiträgt, abgerundet.

Gemessen an einem realistischen Erwartungswert, ist die Qualität des Blends beachtlich. L'Erbolario kommt mit Ginepro Nero zwar nicht ganz an das heran, was die hochpreisige Nische teilweise zu leisten vermag, lässt die oft etwas lieblosen Durchschnittsleistungen, mit der manche renommierten Designer davon kommen, aber klar hinter sich. Für einen Duft in diesem Segment bin ich (sehr) positiv überrascht.

Am Ende steht ein dunkel angehauchter, holzig-zitrischer Wacholderduft mit Tiefe und Charakter. Da insbesondere die "dunklen" Aspekte von Düften oft etwas subjektiv und meistens schwer zu beschreiben sind, versuche ich meine Assoziationen möglichst bildhaft auszudrücken. Genau genommen wirken die etwas dunkleren Aspekte von Ginepro Nero auf mich nicht drückend dunkel, sondern eher wie diffuses Licht in einer etwas dunkleren Szene, das sich wie ein schützender Mantel auf die Silhouetten der Umgebung legt. Allerdings nicht kalt und nicht in fahlem Weiß, sondern eher etwas wärmer und in sanften Tönen aus Terrakotta und Ziegelrot. Gefällt mir sehr.

PS: Zu guter Letzt noch der möglichst objektive Hinweis, dass der Duft wahrscheinlich nicht allen Ansprüchen gerecht werden kann. Rein demografisch gesehen, würde ich sagen, dass es tendenziell eher ein Ü30 Duft ist (den man aber vermutlich auch mit Mitte 20 tragen kann). Wer bereits das komplette Hermès Portfolio im Regal stehen hat, braucht Ginepro Nero nicht unbedingt und wer der Duftrichtung und dem allgemeinen Terre d'Hermès "Vibe" rein gar nichts abgewinnen konnte, kann ihn möglicherweise überspringen.

Persönlich mag ich den Duft sehr :)
4 Antworten
Deimos vor 7 Jahren 14 2
David gegen Goliath (mit oder ohne Steinschleuder?)
G. Bellini X-Bolt ist ein Duft, auf den ich vor einiger Zeit im Zusammenhang mit Boss Bottled (den er gut kopieren soll) aufmerksam geworden bin. Dieser Kommentar ist vor allem ein Vergleich der beiden Düfte.

Ich beziehe mich dabei ausschließlich auf die mir zur Verfügung stehenden Muster (G. Bellini X-Bolt Chargen-Nr. 2146 und Boss Bottled Chargen-Nr. 5293) und meine subjektive Wahrnehmung beider Düfte. Alle Beschreibungen sind vergleichend (relativ gesehen zum jeweils anderen Duft) gemeint, also bitte nicht als kontextfreies "Review" mit absoluten Angaben missverstehen.

Die Eröffnung von X-Bolt wirkt auf mich etwas würziger und hat eine leicht holzige Note, die von meinem subjektiven Empfinden her fast schon den "Vibe" einer leicht rauchigen Nuance trägt. Dieses Zusammenspiel wirkt insgesamt etwas rau und ein wenig kratzig – Boss Bottled empfinde ich an dieser Stelle als deutlich weicher und runder. Der fruchtige Anteil kommt etwas weniger klar zur Geltung, als es bei der Eröffnung von Boss Bottled der Fall ist. Auch wirkt X-Bolt im Vergleich ein wenig synthetischer.

Bei der ersten, unmittelbaren "Drydown" Phase wirkt X-Bolt insgesamt etwas flacher und etwas weniger fruchtig. Es ist als ob man zwei unterschiedliche Drucke vom selben Bild vor sich hätte – die Parallelen sind da, aber einer der beiden Drucke ist etwas unschärfer und die Farben sind etwas blasser. Bei X-Bolt scheint an dieser Stelle bereits die süßlich wirkende Vanille kurz sandig, weich aus den Basisnoten hervor. Bei Boss Bottled sind die Kopf- und Herznoten viel zu präsent, als dass man die Basis bereits einzeln im Vordergrund ausmachen könnte. Insgesamt wirkt X-Bolt immer noch ein wenig synthetischer.

Im weiteren Verlauf des "Drydowns" ist mir etwas aufgefallen, das den zu diesem Zeitpunk, aktuell bestehenden Gesamteindruck des Duftes zwar nicht unmittelbar nachhaltig beeinflusst, dass ich des Details wegen aber trotzdem kurz erwähnen möchte. Der sandig weiche Aspekt der Vanille, der mir bereits davor aufgefallen war, verschwindet zu gewissen Teilen wieder, das Süßliche der Vanille tritt insgesamt etwas mehr in den Hintergrund und bekommt zwischenzeitig fast schon einen leicht cremigen, aber auch flachen Unterton. Eine solche Veränderung von Vanille, auch wenn sie zunächst nicht übermäßig groß ist, finde ich zu diesem Zeitpunkt und in dieser speziellen Form etwas ungewöhnlich. Ich sehe darin zumindest ein Indiz, dass sich die Qualität der einzelnen Bestandteile von X-Bolt (dem Preis entsprechend) von denen von Boss Bottled unterscheidet. Etwas später setzt dann ein im Laufe der Zeit zunehmender Verlust der fruchtigen Anteile von X-Bolt ein (möchte an dieser Stelle nochmal auf den oben genannten Vergleich mit den beiden Drucken hinweisen), während die leicht synthetische Wirkung unverändert bleibt und dadurch subjektiv zunimmt. Es ist zwar ein schleichender Prozess, den man vielleicht nicht sofort bemerkt, der im direkten Vergleich aber deutlich ist. Spätestens jetzt verliert X-Bolt etwas mehr an Ähnlichkeit zu Boss Bottled.

Die Eröffnung und der erste, unmittelbare "Drydown" dauern jeweils nur kurz an und sind vergleichsweise schnell vorüber. Auf mich wirkt der Verlauf weniger so, als ob der jeweilige Übergang bewusst durch die Komposition beabsichtigt ist, sondern mehr danach, dass vereinzelte Duftnoten einfach irgendwann abflachen bzw. nachlassen.

Unter dem Strich würde ich zwar sagen, dass X-Bolt streckenweise - bis auf einen gewissen Abstand – an Boss Bottled herankommt, aber zu keiner Zeit eine authentische Kopie darstellt. Möglicherweise gibt es auch Produktionschargen, die sich ähnlicher sind, das weiß ich aber nicht und kann dementsprechend auch nichts dazu sagen. Bei den beiden von mir getesteten Mustern kann ich die oft genannte, extrem große Ähnlichkeit der beiden Düfte jedenfalls nicht bestätigen.

Eine Detail-Bewertung für X-Bolt möchte ich an dieser Stelle nicht abgeben, da ich mich hauptsächlich auf einen Vergleich konzentriert habe, bin aber subjektiv der Meinung, dass mindestens ein Punkt zwischen den beiden Düften liegt.
2 Antworten
Deimos vor 7 Jahren 8 4
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
7.5
Duft
Ungewöhnliches Grün
Dunkel und frisch, unkonventionell und (sehr) grün, Testempfehlung und Blindkaufwarnung zu gleich, so ließe sich der Duft in einem Satz grob umreißen.

Um Encre Noire "Sport" näher zu beschreiben, möchte ich vorweg nehmen, dass ich eine Herleitung über die Duftnoten-Aufschlüsselung für etwas irreführend halte. Besser kann man es mit einem Bild beschreiben, das aus drei, ineinander liegenden Teilen besteht:

Wald, möglicherweise ein Mischwald, aber auf jeden Fall kein Nadelwald. Der Wald ist nicht *übermäßig* dicht, aber man befindet sich weit genug in seinem Inneren, dass man den überwiegenden Schatten und die dadurch am Tag entstehende Atmosphäre deutlich wahrnimmt. Die Temperatur ist ausgeglichen, bedingt durch die Umgebung nicht zu warm, aber auch nicht kalt. Im gemäßigten, mitteleuropäischen Klima vielleicht Frühling oder Herbst. Es hat gerade erst geregnet, der Regen hat aber mittlerweile aufgehört. Die Luft ist klar, der Boden ist zwar nicht wirklich nass, aber merklich feucht. Eine Nuance von einer sich hintergründig vermischenden Kategorie von holzig, frisch und "erdig". Hinzu kommt ein indirekter, eher subtiler Einfluss von einem klaren Gewässer in unmittelbarer Nähe. Vielleicht ein kleiner, sich schlängelnder Bach, vielleicht ein kleiner See mit stetigem Zu- und Abfluss. Die Wirkung ist nicht direkt aquatisch. Es ist eher ein abstrakter Eindruck von frischer Luft und klarem Wasser, der das dunkle Grün am schmalen Uferbereich ergänzt. Das ist der erste Teil des Bildes und macht ungefähr 2/5 vom Gesamten aus.

Hinzu kommt frisch geschnittenes, saftiges Gras. Wenn man jetzt an einen typischen, gemähten Rasen denkt, liegt man aber bereits leicht daneben. Treffender finde ich die abstrakte Vorstellung von einem unnatürlich dicken Grashalm, fast schon so dick wie ein kleiner Baumstamm, dessen frische Schnittfläche man wie einen kleinen Baumstumpf vor sich hat. Vielleicht ist diese Beschreibung etwas ungewöhnlich, aber auch nicht ungewöhnlicher als das etwas eigene "Grün" dieses Duftes. Ich vermute (Spekulation), dass sich Zypresse und Vetiver teilweise so überlagern, dass ihr Zusammenspiel ein ganz eigenes "Grün" ergibt. Vielleicht fehlt mir eine tiefer gehende Erfahrung mit diesen speziellen Duftnoten oder ich habe Schwierigkeiten diesen speziellen Akkord detaillierter zu riechen, möglicherweise ist es aber auch einfach ein in dieser speziellen Hinsicht sehr außergewöhnlicher "Blend" der Parfümeurin. Jedenfalls kenne ich keinen anderen Duft, der genau dieses "Grün" vergleichbar umsetzt. Das ist der zweite Teil des Bildes und macht ebenfalls ungefähr 2/5 vom Gesamten aus.

Der dritte Teil besteht einfach aus einer vergleichsweise "weichen" Grapefruit-Duftnote. Sie ist mal mehr, mal weniger deutlich vorhanden, aber niemals verdeckend im Vordergrund und hat die Bergamotte zu einem großen Teil in sich integriert. Es ist eine leicht zitrisch fruchtige Note, die aber vor allem frisch ist und – immer in Wechselwirkung mit den anderen Teilen - etwa 1/5 vom Gesamten ausmacht.

Zusammengefasst ist der Duft dunkel und frisch, aber auch (sehr) grün. Der "Blend" ist außergewöhnlich (das ist wertungsfrei gemeint) und eine Einordnung in typische Kategorien funktioniert am ehesten nach dem Ausschlussverfahren. Unmittelbar als erste, "schubladenmäßige" Wahl anbieten – weil er gerade so *perfekt* passt – tut sich Encre Noire "Sport" eigentlich nie wirklich, verdient sich (s)einen möglichen Platz aber dadurch, dass sich die Komposition durch individuellen Charakter von den Mitbewerben abzusetzen weiß. Habe deswegen in meiner Bewertung einen halben Punkt wegen leicht eingeschränkter "Tragbarkeit" (sehr allgemein gesehen) abgezogen, den man – wenn man solche Düfte mag – aber gerne wieder dazurechnen darf.
4 Antworten