DerRitter

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Rezensionen
Ein Vikinger mit einer gewissen Inkubationszeit, großer Vielfalt und einem bemerkenswerten Twist
Das erste Mal Viking in der Parfümerie geschnuppert: Neee! Denn das Einzige, was ich seinerzeit wahrgenommen habe, war ein ordinärer altbackener Männerduft, den ich mit billigstem Aftershave assoziiert habe. Oder als Bild: Ein ganz alter Kriegsveteran, der sein ganzes Leben lang immer nur diesen einen einfältig-dominant-maskulinen Duft trägt und damit völlig aus der Zeit fällt.

Aber: Eine Abfüllung von Spice and Wood hatte mich auch nicht auf Anhieb gecatcht. Erst Monate später, als ich es aus reiner Neugierde mal wieder aufgesprüht hatte, hat sich mir der elegante Zauber erschlossen.

Irgendwann also, habe ich mir aus Neugierde 10ml des Viking ersoukt. Und wieder - wie Klaus Lage so schön singt: »...ist nichts passiert«. Es vergingen Monate bis ich es Abends mal vor dem schlafengehen probierte und den Zerstäuber zu den anderen Proben neben das Bett legte. Und eines Morgens dann, dieser einzigartige Hauch in der Luft, der meine Aufmerksamkeit erregte. Nun lagen auf dem Nachttisch einige Abfüllungen und ich fragte - mit ernster Miene - in die Runde: wer von Euch ist es??? Ich war derart angestochen, dass ich es wissen musste. Als ich dann den Verschlussdeckel vom Viking abzog und am Sprühkopf roch - da war es. Dieser feine, holzig-würzige Duft, wie ich ihn noch nie zuvor gerochen habe. Auch nicht ansatzweise bei anderen Duftkreationen.

Ab diesem Moment hat mich der Viking gehabt »...es hat Zoom gemacht!« Äußerst praktisch: Dieser holzig-würzige Duft ist am Sprühkopf immer präsent und sehr deutlich zu riechen. Ich muss den Duft nicht einmal aufsprühen. Er ist immer da...

Über die Wochen habe ich ihn dann immer wieder aufgesprüht und es hat einige Zeit gedauert, bis ich in der Kopfnote die Hesperiden (kalabrische Bergamotte, sizilianische Zitrone, Orange) überhaupt wahrgenommen habe. Oh wunder über mich selbst, wie mir das wochenlang entgangen ist? Die nächste Überraschung kam, nachdem sich die Kopfnote verflüchtigte: die Gewürznelke betrat die Bühne. Und was hat sie mit mir geflirtet...

Und dann, nach einigen Stunden, wenn sich alles verflüchtigt hatte, blieb am Ende diese holzig-würzige Note, von der ich nicht genug bekam. Seitdem kann ich es einfach nicht lassen, immer wieder am Sprühkopf zu riechen und mich von dieser Basisnote berauschen zu lassen. Und daher würde ich nur allzu gern wissen, was das ist. Die Tonkabone? Der weiße Moschus? Das indische Sandelholz? Es ist definitiv nicht das »haitianische Vetiver«; denn das ist im Original Vetiver derart ausgeprägt (love it!), dass ich es auf Anhieb erkennen würde. Wer es also identifizieren kann: bitte kommentieren!

Seit dieser Erfahrung parke ich Düfte erst einmal, wenn sie nicht auf Anhieb einschlagen. Und probiere sie dann wieder von Zeit zu Zeit. Und obwohl mir die Kompositionen von Creed am meisten liegen, habe ich bis jetzt noch keinen zweiten gefunden, der dem Vikinger in seiner Komplexität und Vielfalt das Wasser reichen kann. Die Betonung liegt auf Komplexität. Denn es gibt durchaus Kreationen, die mir noch besser gefallen. Aber keinen mit dieser Vielfalt und der so verspielt aufwartet.

P.S.:
Batch FP9619Y01: Sehr ausdrucksstark/das Würzige ist ziemlich ausgeprägt
Batch A9619Y01: Neben dem FP9619Y01 deutlich blasser und »weniger« Vielfalt & Aroma
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Mirabellen? Unschuld? Von wegen – hier knistert’s gewaltig!
Vom ersten Schnüffler vor einigen Jahren bis heute verorte ich die Backpflaume/Edel-Pflaume in der ersten Reihe. Das viele Rezensenten Mirabelle aufführen, obwohl in der Beschreibung »nur« Backpflaume und Edel-Pflaume steht, zeigt, wie unterschiedlich das Geruchsempfinden und die subjektive Wahrnehmung eines jeden doch sein kann.

Seitdem ich Acqua Fiorentina (2012) vor Jahren das erste Mal gerochen habe, ist er in meinem Kopf als wunderschöner femininer wie feinsinniger Damenduft verankert. Sehr passend in einem wunderschönen Flakon, der, eine Schande, im Jahr 2025 durch den Creed typischen Flachmann ersetzt wurde. Der Duft spricht mich so sehr an, dass ich ihn schon immer haben wollte - wenn auch nur, um ihn nur für mich selbst auf den Handrücken aufzusprühen und mich beim Lesen eines Buches oder Fernsehen daran zu erfreuen.

Mit ihm verknüpfe ich eine wunderschöne, stilvoll gekleidete Frau, mit Klasse, Eleganz und reizender Ausstrahlung, von der ich meinen Blick einfach nicht abwenden kann. Und obwohl der Duft so unschuldig daherkommt, ist er ganz und garnicht unschuldig. Denn, mit Acqua Fiorentina (2012) kommen auch ganz andere Gedanken: wie sie, die gerade noch so vornehm im Licht der Sonne stand, nun in einem Bett, mit frisch bezogener Leine, weitem Balkon und offenem Blick aufs Meer, neben mir, in ebenso erotischen wie stilvollen Dessous, liegt. Und frivolem Lächeln. Dieser Anblick, dieser Duft, es ist betörend. Möge der leidenschaftliche Tanz und das Spiel der Sinne beginnen...
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