Fhfhfh

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6 - 10 von 23
Fhfhfh vor 10 Jahren 18
Der Ocean schlägt mit einem Tsunami zurück: es regnet
[Disclaimer: Dies ist nur eine Meinung, kein elaborierter Essay.]
Warum eigentlich immer die gesamte Menschheitsgeschichte einholen, wenn es nur um eine Meinung geht? Oder, warum eine Novelle verfertigen, wenn ein kurzer Eindruck genügen sollte?
Keine Ahnung, hier nur kurz ein Erlebnis.
Ich war heut beim Zoll. Nun, das bedeutet, einmal quer durch die Stadt zu fahren, sich vor der Deathline (15 Uhr) in der Nähe Flughafen einzufinden, die Warteprozeduren zu überleben (Marke ziehen, warten, deklarieren, Personenidentifikation, auf die Ware warten, die Ware kontrollieren, Rechnungen präsentieren, 19% Umsatzsteuer zu errechnen (aus dem $-Raum), zu entrichten, Stempel, Quittung, Go).
Das sind Kosten (5,70 EUR Fahrt), das frisst Zeit (2,5 Stunden - inklusive Fahrscheinkontrolle) und das ist trotzdem: der Hauptgewinn.
Jetzt mal Klartext: Es geht um „Ocean Rain“. Edmond Roudnitska. 1990 in Italien produziert. Der Mann hat (laut unserer Datenbank - ich glaube aber, da sind Lücken im Spiel) gerade mal 17 Stükker produziert, jedes Stück ein Knaller, OR ist das vorletzte, ein Spätwerk mithin, ein Testament. Und damit sowieso schon Legende.
Ich habs also aus Amiland erhalten. International Affair mithin: In Franzenland ausgedacht, in Italia produziert, in der Welt verbummelt, auf einem nordamerikanischen Kirchenbasar aufgetaucht, nach Germania versendet und schließlich angelangt, wo es von Anfang an hingehörte: zu mir.
Hatte ich nicht Klartext angekündigt? Ja. Bevor es dazu kommt: ein Auszug aus dem beiliegendem Propagandamaterial: „Ocean Rain – Mario Valentino – Men’s Cologne. Eine grüne Komposition, nach Agrumen, Blumen, Holz und Ambra duftend. Der erste Eindruck der Frische wird durch den Agrumenduft vermittelt, der zusammen mit dem Duft des Meeres ein aromatische Ganzes bildet, das an die zarte Blume des Likörs ‚Chartreuse’ erinnert. Das alles wird mit Tropenblumen, Holz- und Ambraduft noch zauberhafter und milder gemacht. Aus diesen Übereinstimmungen geht ein Parfum von seltener Raffinesse hervor.“ Amen. Wer’s glaubt wird seelig.
„Tropenblumen“ (*pruuust*) hin oder her. Ach (die Damen mögen entschuldigen), Scheiß drauf.
Klartext, jetzo: Ocean Rain ist eine Jasminbombe, die dermaßen in die männlich-animalische Richtung tariert ist, dass ein Gender-Mißbrauch ausgeschlossen ist (*rülps*: Frauen werden damit nichts anfangen können…). Ikke sprays mir auf und schon läuft das Rudel los… In die Irre. Ach, es ist schwer zu beschreiben, besonders für das venusianische Geschlecht. Ich versuchs: Kennt ihr den Katzenblick („evil face“) des Katers, wenn er den Korridor durchstreift und am abgetragenen T-Shirt des Hausherrn sich verbeißt: Hass-Kampf-Attraktion? Sonst Herr Cool persönlich und plötzlich leidenschaftlich wie ein spanischer Stier?
Also die Frau, die dieses Parfüm aus Überzeugung trägt, die würde ich gerne kennenlernen (bitte per PN). Die Zahl der Frauen, die ihm verfallen, ohne es zu schätzen, wüsste ich zwar auch gern, aber das wird schwer zu ermitteln sein.
Ach so, der Duft selbst. *römmpömm* Über Jasmin hatten wir schon geredet. Agrumen (also Hesperiden) spielen eine so kurze Rolle, dass sich die Erwähnung nicht lohnt. Über die Duftentwicklung gibt es ein Forschungsprojekt, dass die Entwicklung zur holzigen Basis herausstellen wird.
Aber, verdammt (*tschulligung*), dieses Parföng startet folgende Raketen (unabgeschlossene Aufzählung):
- Dislokation: Es transportiert zu entfernten Raumregionen
- Transgender: Es überträgt sich wie ein Virus zu intimen Situationen.
- Polyolfaktorium: Es springt von Nase zu Stammhirn…
[Ach verdammet, wieder eine misslungene Duftbeschreibung, stattdessen unnütze Gefühligkeit…]
Und um noch ein Wort zu Profumos würdigen Kommentar zu sagen: Der kleine Bruder ist ein Großer...

Amen.
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Fhfhfh vor 11 Jahren 11
Lorbeer-Reigen
Nein, nicht nur wir sind immer das Opfer, weil wir immer wieder auf die großen Namen hereinfallen. Manchmal werden auch großartige Parföngs Opfer ihrer großformatigen Namensgeber. Alain Delon zum Beispiel. Was würde man von so einem Kerl erwarten? Also meine Tochter (wenn ich eine hätte), würde ich instantan im Luftschutzbunker (wenn ich einen hätte) verbergen, wenn dieser Typ mit seinem wahrscheinlich übermotorisierten, hochglanzpolierten, chequeheftgewarteten Fantasyfahrzeug auf meinem hochherzoglichen Bauernhof (den ich nicht habe) vorfahren würde und um ein Glas kühles Mineralwasser bitten würde, das ich ihm bereitwilligst gegeben hätte. – Aber nicht von meiner Tochter überreicht, nein, von dieser gewisslich nicht.
Alain Delon, also. Ist echt nicht meine Leitfigur.

Der Duft ist eingestellt, er erzielt unterdessen auf Erden Mondpreise. (Hier aus gegebenem Anlass mal ein kleiner Exkurs: Selbst wenn man die schlimmsten Exzesse der Ausbeutung großer, vergangener, rarer Marken betrachtete: Gucci pour Homme, Patou pour Homme, Background von Sander, Alain Delon Classique und egal was noch, das ist doch selten nur 1:1 oder 1:1,5 (also 1ml=1€ etc.), und damit noch allemal weit unterhalb des Mittelfeldes vom Nischen-Durchschnitt – mit anderen Worten: das ist alles unterhalb der Preise, die man bei Sharings, bei Souks und sonstwo zu entrichten hat). Solche Betrachtungen sind nicht wichtig. Wichtig ist: hier hat ein Mann eine eigene Linie aufgestellt. Und die ist nicht testosteron-oktan geleitet, sondern von einem absolut einzigartigen, vorbildfrei und nachahmungslosen Stil bestimmt. Ich würde ihn nennen: den Lorbeer-Stil.

Lorbeer-Stil? Bei "Alain Delon Plus": Lorbeer und Brot. Bei "Alain Delon Classique": Lorbeer plus…. Bei "Iquitos": Lorbeer und Rose. Etc. Zu den Damensachen habe ich keine schlüssige These, ich kenne sie nicht genug.

Lorbeer, also… Aha. Kommt in der Pyramide aber gar nicht vor… Ja, gewiß. Der Umkehrschluss ist gültig: das meiste, was in der Pyramide vorkommt, kommt in dem Duft nicht vor (wie so oft), aber in jedem Fall nicht "her"vor. Any way…

Lorbeer-Garten – so würde ich AD-Plus beschreiben: als Gang durch einen Gewürz-Garten. Über allem liegt Lorbeer (das hatten wir ja schon) und jeder Schritt in diesem Garten bringt eine andere Facette an Kräutern hervor. Sie schlingen sich ineinander wie ein Küchen-Reigen und sind doch open air und Natur und Landschaft. Ich bin nicht der Mann die Ingredienzen zu beschreiben. Aber: in diesem Garten halte ich mich gerne auf. Er begleitet mich auch in der Stadt, unter Tage in der U-Bahn, im Gewimmel von Mensch und Glas und Stahl. Ein Sniff am Handgelenk und es gibt eigentlich nur noch eine Frage: "Monsieur Maitre – wo ist der Weg zum Luftschutzbunker?…"

Eine Angelegenheit für Machos, gewiss, aber wo hätte man schon mal einen Super-Macho im Kräutergarten? *grins* Aber passt nur gut auf, höhere Töchter, wenn ihr das nächste Mal in einen Ferrari steigt und es riecht nach Lorbeer… *surrender*
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Fhfhfh vor 11 Jahren 14
Ein Abend in Cinemascope – olfaktorisch
Tja, dies ist ein weiteres dieser geheimnisvollen Parföngs von denen die Parfümgeschichte raunt, von denen aber eigentlich fast alles unbekannt ist:
- wer war der Parföngmeur?
- was ist drin?
- wann kam es raus (1945)? Wann und warum ging es dahin?

Viel zur Aufklärung kann ich nicht beitragen. Was ich weiß ist: es gab es als EdT (siehe das Bild von Lancaster85) und als EdP (mein Bild – unterscheidbar sind sie durch die Form der Kappe bzw. des Deckels). Alle Jubeljahre tauchen bei Ebay Amerika Exemplare auf. Meines ist von "Pfizer" New York, wohl in Lizenz hergestellt, die Plastik-Klebe-Folie am Flakon-Boden macht mich glauben, dass die Produktion noch nicht sooooo lange her ist. Aber die Produktion ist zweifellos eingestellt – und damit läuft die Uhr rückwärts.

Was noch? Ein Oma-Parföng at its best – alle Youngsters, Hippsters und Berufsjugendlichen können hier ihre Textbemühungen einstellen, das wird nichts. Keine Aquaten, keine Konditionsschwäche, keine Identitätsprobleme, kein forcierter Auftakt mit anschließender Abschlusskrisis (oder wie eine Sekretärin es einmal sagenhaft präzise definierte: "Der Chef startete schwach, und ließ dann stark nach…"). Nein, soetwas ganz und gar nicht.

Also? (Man darf einfach wirklich nicht Texte damit beginnen zu sagen, was alles nicht ist…)? Ich habe keine analytische Nase, kann und will nichts behaupten: aber eines doch: Dies Parföng überrascht: Die Flasche schraubt sich auf: eine Explosion von Früchten und Blumen bricht sich Bahn (wenn es ein Oelgemälde wär, wäre es von Caravaggio), bricht hervor: bernsteingelb, profunde, voluminös.

Das Wunder ist: die Fülle an Ingredienzen changiert unablässig. Oder mit anderen Worten: mit jedem Schnuff am Handgelenk klappt sich ein anderes Bild auf, eine weitere, große Landschaft (in Oel). Und wenn man sich einen Abend freinehmen würde und "Les Muses" (über den Namen ließen sich Dutzende Essays schreiben) auftragen würde und sich nichts sonst antäte, kein Kino, kein Fernsehen, keine Musik, keinen ablenkenden Sexualpartner (oder sonstigen Ehegespons) – dieser Abend würde als DER Abend ins Tagebuch eingehen: als Abend der unablässigen Variationen, der Imaginationen, der Sehnsucht, der Vorfreuden, der ungelebten Versprechen…

Und der Morgen danach? Wir werden sehen. (Morgen.)
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Fhfhfh vor 11 Jahren 40 3
Der Namenlose: bitter-grün
Wir sind alle Opfer der Großen Namen! Marken-Fetischismus, ist es nicht? Geben die Häuser Guerlain, YSL oder Wasweißich einen neuen Flanker heraus, ist ihnen die Aufmerksamkeit gewiss. Mag das Duftwasser noch so dünn, so flüchtig, so billig-riechend sein wie es ist, wir werten es als kleinen Ausrutscher aus dem Großen Sortiment, verharren in Duldungsstarre auch wenn sie die Schätze unserer Jugend verramschen und verpanschen…
Dagegen: ein Label aus Deutschland, Mäurer & Wirtz, ist das nicht eine Lachnummer? Haben die nicht das "Nonchalance" krëiert, dass in allen Altenheimen der Nation fröhliche Urständ feiert?
Haben sie, aber nicht, weil sie Altenheime für die Zentren der Parfümerie halten. Sondern weil Opa und Oma auch nicht nur doof sind und die Nase nicht erst in der Gegenwart erfunden wurde. Man möge Ursache und Wirkung nicht leichtfertig verwechseln.
"Ravissa" jedenfalls – um zum Thema zu kommen – schlägt sich in der Oberliga der Bitter-Grünen herum. Serviert uns Komplexität im Anlaut, im Herzen und im Nachklang. Wechselt alle 15 Minuten seine Anmutung (innerhalb des Spielfeldes) und bleibt beständig am Ball – das heißt: die Nase bleibt am Handgelenk, nolens volens, nichtwollend-nichtanderskönnend.
Über Duftpyramiden, Duftverlauf und Nebenwirkungen befragen Sie bitte ihren Arzt… (er wird Ihnen nichts Vernünftiges zu sagen haben.)
Jetzt noch das Bekenntnis: Als ich den Duft in der Bucht erschepperte (60ml für 1€), da dachte ich noch – der Name resonierte nur trübe – Ravissa sei ein untergegangenes Label. Ist es aber nicht, ist von Mäurer & Wirtz, habe ich hier, durch parfumo, gelernt.
Und nun das Credo zum Fall: "Nasen aller Welt, erhebt Euch gegen den kapitalistischen Marken-Fetischismus – vertraut Euren Nasen!"
Ende der Predigt.
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Fhfhfh vor 12 Jahren 19
"Schönheit" – das ist nur die Hure der Werbung auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit
Wo steht denn geschrieben, dass Musik "schön" sein soll? Nirgends. Gibt es irgendeinen Hinweis von Beethoven, dass irgendeine Stelle irgendeiner seiner Sonaten oder Symphonien "schön" gespielt werden soll? Nirgends.
Musik soll stark sein, soll wahrhaftig sein, soll zart sein oder kosend oder kopflos ("scherzando") oder toll, also verrückt. Aber bestimmt nicht "schön".
Mit "Schönheit" tapezieren sie die Verkaufsräume bei Ikea (falls es solche gibt) ((aber die entsprechenden Kataloge gibt es, ich habe sie gesehen)).

Ist irgendwo verfügt, dass Parföng "schön" riechen soll? Ich wüßte nicht. Atemberaubend, ja, überwältigend, gänsehauterregend und augenbrauenrunzelnd, ja. Aber: lieblich, niedlich, reizend oder soft und säuselnd? Ich weiß nicht. Nein, ich glaube nicht.

Oliven. Das sind diese dürren, ölreichen Früchte eines Baumes, der unter widrigen Bedingungen (zu heiß, zu trocken, zuviel UV) Tausende von Jahren alt wird. Wer das von Jungfrauen gepresste Öl (vergine) ((ich weiß, ich weiß)), trinkt, der fühlt den scharfen Streich auf der Zunge, dem zieht sich alles zusammen, aber die Aromen, die sind da.

Ein Oliven-Parföng? Wer will schon nach Oliven-Öl riechen, oder nach Oliven-Holz?
Das ist die falsche Frage. (Denn wer will schon nach Melonen-Eis riechen oder nach Zuckerwatte, nach Tankstellen-Ölwechsel oder nach Fruchtgummi).
Die richtige Frage ist: wer will die vielhundert Aromen, geboren aus Sonne, Licht, Erde, Wind und Nachtschatten riechen? Die von Leben, Drangsal, Wachstum, Lust und Wehe, Dürre, Knappheit, Reichtum und Fülle und Segen zeugen?

"Nach-etwas-riechen" und "Etwas-riechen-wollen" sind schon zwei sehr verschiedene Dinge…

"Life essence" von Fendi, also. Die Aufmachung – wir schreiben das Jahr 1996 – ist karg, ist Öko (Braunpappe, Holzknuppel, Erdbodenbeigefarbigkeit), ist schlicht. (Das gelebte schlechte Gewissen eines Luxushauses?)
Der Duft ist nicht gefällig, aber er ist reich, dauerhaft und einprägsam. Wer von der ersten Sturmböe nicht umgeblasen wurde, er wird ihn nicht missen wollen, den Duftzeugen aus der Antike, der vom Sieg der Fülle über die Kargheit berichtet.

Statt Wohllebe und Komfort, gibt es vielleicht noch etwas. Essence? Existenz? Existenzialismus?
Appelle, schon gar moralische, sind wenig ersprießlich…
Wer eine Nase hat, zu riechen, der rieche…

Der Wind aber,
streicht durch das silbrigblättrige Haar des Baumes,
wie er es seit je getan.
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