04.05.2011 - 10:38 Uhr

Profumo
285 Rezensionen

Profumo
Top Rezension
33
Diorellas kleiner, leider sehr zu unrecht vergessener Bruder
Lange habe ich mich schwer getan mit den Werken Edmond Roudnitskas. Sicher, man riecht sofort, dass es sich bei ihnen um wirklich gute Düfte handelt – der Mann verstand sein Handwerk wie kaum ein anderer! Und ja, sie haben alles, was große Düfte ausmacht: Stil und Eleganz, eine raffinierte Komposition, der erkennbare Inspiration vorausging, und vor allem eine eigene Handschrift. Wer seine vergleichsweise wenigen Werke – er war ein sehr aktiver Parfumeur, der allerdings nicht selten Jahre an seinen Düften feilte, was dazu führte, dass sein Lebenswerk kaum mehr als ein Dutzend Kreationen umfasst (ganz im Gegensatz zu heutigen Parfumeuren wie beispielsweise Betrand Duchaufour, der fast im Monatstakt einen neuen Duft lanciert, der dann häufig allerdings auch recht unfertig und wenig inspiriert riecht ....) – wer also zwischen Roudnitskas wenigen Werken hin und her schnuppert, der wird ziemlich schnell eine eigene Handschrift erkennen, die sich auf folgenden Nenner bringen ließe: Reduktion und Sublimierung.
Selbst seine üppigsten Düfte (‚Femme’, ‚Le Parfum de Thérèse’, ‚Diorama’) sind schlanke, konzentrierte Werke, die in keiner Sekunde des Duftverlaufes zu unkontrolliertem Dahinströmen neigen. Alles ist eng gefasst und auf das Nötigste beschränkt. Trotzdem wirken sie nie mager, oder gar minimalistisch (erst sein wichtigster Epigone, J.C. Ellena, wird diesen Pfad mit aller Konsequenz beschreiten), haben ganz im Gegenteil durchaus Substanz und Volumen. Doch verglichen mit so manch aufwändig gestalteter Robe, nebst flatterndem Faltenwurf, langer Schleppe und sich bauschenden Puffärmeln, wirken seine Kreationen wie passgenau auf den (durchaus kurvenreichen, aber nicht Rubens-haften) Körper geschneiderte Haut Couture.
Und so verwundet seine enge künstlerische Zusammenarbeit mit Christian Dior nicht: wie Ernest Beaux das olfaktorische Äquivalent zu Coco Chanels Kreationen schuf, so ergänzte sich der Stil des Parfumeurs Roudnitska und jener des Couturiers Dior aufs Beste. Mit ‚Diorama’, ‚Diorissimo’, ‚Diorella’, ‚Eau Fraîche’ und ‚Eau Sauvage’ kreierte Roudnitska die Duftwelt Diors, die doch ebenso seine eigene war, wie die wenigen Kreationen zeigen, die er nicht für Dior schuf: vor allem ‚Femme’ (für Rochas),‚Le Parfum de Thérèse’ (für seine Frau, später von Frederic Malle veröffentlicht) und seine letztes Werk – erneut für einen mit ihm befreundeten Couturier kreiert: ‚Ocean Rain’.
Roudnitska selbst war schon in den Achtzigern, als Mario Valentino ihn um einen Duft für sein Unternehmen bat, und als 1990 ‚Ocean Rain’ schließlich erschien, zählte der Parfumeur bereits stolze 85 Jahre (elf Jahre mehr als der heute 74 jährige Jean-Paul Guerlain!).
Wer aber vermuten würde, dass dieses - sein letztes - Werk, ein im Geiste der 50er und 60er Jahre geschaffenes sei, der wird zugeben müssen - hat er erstmal an ‚Ocean Rain’ geschnuppert -, dass er sich getäuscht hat.
Ja, es fällt schwer zu glauben, aber ‚Ocean Rain’ ist tatsächlich ein moderner Duft, und Edmond Roudnitska gelingt einmal mehr ein kleines Wunder: einerseits ist der Reichtum seines Erbes und sein mittlerweile unverkennbarer Stil hier deutlich erlebbar, andererseits aber nimmt er einen sich mächtig abzeichnenden Trend auf, der die kommenden Jahre der Parfumentwicklung wie kaum ein anderer dominieren wird, und der zu diesem Zeitpunkt – 1990 – noch recht jung ist, aber schon mit zwei Werken und einer Substanz assoziert wird: mit Yves Tanguys ‚New West’ für Aramis und Pierre Bourdons ‚Cool Water’ für Davidoff. Beide Werke entstanden zwei Jahre vor ‚Ocean Rain’, und die Substanz die sie so folgenreich einführten hieß ‚Calone’. Dabei war dieses ähnlich einer wässrigen Melone duftende Molekül gar nicht mal so neu.
Luca Turin weiß folgendes zu berichten: „1966 meldeten Chemiker des Pharmakonzerns Pfizer ein Patent auf ein merkwürdiges Molekül an, das aussah wie ein Tranquilizer (es ist entfernt mit Valium verwandt). Es roch wie nichts sonst auf der Welt oder – wie es damals prosaisch hieß – nach «Melone». Da Pfizer zwei Jahre zuvor die altehrwürdige Firma Camilli Albert Laloue in Grasse aufgekauft hatte, reichten sie den Balg an ihre parfümierten Freunde weiter, die es auf den Namen Calone tauften.“
Ende der achtziger Jahre, so Turin weiter, sei die Zeit dann wohl reif gewesen für jenes ‚merkwürdige Molekül’.
Der Rest der Geschichte dürfte uns noch hinlänglich ‚in der Nase stecken’...
Nicht so Edmond Roudnitskas wunderbares ‚Ocean Rain’, denn es verschwand, kaum dass es sich einige Jahre zu bewähren hatte, wieder von der Bildfläche.
Warum nur?
Schwer zu sagen.
Natürlich ist eine Duftlinie wie die von Mario Valentino nicht vergleichbar mir jener von Dior oder Hermès, für die Roudnitska seine Hauptwerke schuf. Sein Haus steht weit ab von der Phalanx der großen Häuser und verfügt nicht über den finanziellen Atem, ein großes, aber nicht augenblicklich erfolgreiches Werk über einen langen Zeitraum im eigenen Katalog zu belassen, um es ähnlich wie ‚Bel Ami’ von Hermès oder ‚Derby’ von Guerlain zu viel bewunderten und geachteten Außenseitern reifen zu lassen. Aber das ist nicht alles. Es erklärt vielleicht eines: ‚Ocean Rain’ war zu groß für ein so kleines Unternehmen. Hätte es beispielsweise Roudnitskas alter Auftraggeber Dior lanciert, wäre dem Duft sicher größer Aufmerksamkeit und eine längere Lebensdauer zuteil geworden. Wäre es aber letztlich wirklich erfolgreicher geworden?
Ich glaube kaum.
‚Ocean Rain’ ist nicht nur ein ungewöhnlicher, sondern auch ein schwieriger Duft. Ungeübten Nasen dürfte es schwer fallen, ihn mit luftig-leichtem, sauber und unbeschwert duftendem ‚Calone’ in Verbindung zu bringen. Hier riecht es nicht wirklich nach Sommer, Sonne, Strand und brandendem Meer. Hier schlagen auch keine braugebrannten Surfer ihre Kapriolen, nein, hier regnet buchstäblich – und wie!
So ist ‚Ocean Rain’ eher wie ein spätsommerlicher Spaziergang an der bretonischen Küste – der Himmel voller dunkler, schwerer Wolken, die einen Schauer nach dem anderen über das Land jagen; dazwischen immer wieder Lücken, durch die eine tief stehende, gleißende und noch immer wärmende Sonne bricht. In den Dünen, und dahinter, sondern die vor kurzem noch in vollster Blüte stehenden Gewächse schon einen deutlich vergehenden, leicht indolischen Duft ab, der sich wunderbar mit dem feuchten Dunst der Meeresgischt und dem Geruch der regennassen Erde mischt.
Welch Gegensatz zu den hedonistisch-heiteren Sonnenbad- und Surfdüften à la ‚New West’, ‚Cool Water’ oder ‚L’Eau d’Issey’!
Nein, ‚Ocean Rain’ war wirklich kein leichter, unbeschwerter Duft, eher ein melancholischer, und vermutlich deshalb auch zu Beginn der neunziger Jahre in gewisser Weise ein Anachronismus.
Heute aber, zwanzig Jahre später, bleibt festzustellen: ‚Ocean Rain’ war ein großer Duft, mit dem Edmond Roudnitska zeigte wie delikat Calone duften konnte, wenn man es nur raffiniert genug einzusetzen wusste. So riecht es bei ihm überhaupt nicht beliebig und banal, weil er exemplarisch vorzuführen versteht, wozu dieses Molekül imstande ist, wenn man es nur die ihm gemäße Funktion ausüben lässt – nämlich die Schwere einer Textur aufzulockern, sie mit einer Kuppel von leichter, fruchtiger Frische zu überwölben.
Ähnlich wie er ‚Eau Sauvage’ mit hellen Hedionen aufstrahlen ließ, ohne es in ein Blütenbouquet zu verwandeln, so versteht er es ‚Ocean Rain’ mithilfe der gar nicht mehr so neuartigen Substanz ‚Calone’ aufzuhellen, ohne den Duft in das immergleiche Melonendessert abdriften zu lassen, mit dem wir jahrelang traktiert werden sollten.
Würde der Duft heute veröffentlicht - sagen wir mal unter dem Label von Frederic Malle - wir empfänden ihn sicher als sensationelle Neuheit, als einen Duft, der die klassische Parfumkunst mit der modernen Parfümerie auf das Raffinierteste vereint.
Seltsam: womöglich kam ‚Ocean Rain’ nicht eigentlich zu spät, sondern viel eher zu früh!
Wie auch immer.
‚Ocean Rain’ duftet jedenfalls – wie gesagt – nach vielen regenfeuchten, in später Blüte stehender Blumen, nach dunkel tosendem Meer und nach Roudnitskas vielleicht besten Kreationen: ‚Diorella’ und ‚Le Parfum de Thérèse’. Letzterer könnte so etwas wie seine Mutter sein, während ersterer seine androgyne, größere Schwester ist. Wie ein Zeichen familiärer Zusammengehörigkeit, besitzt auch ‚Ocean Rain’ - als jüngerer Bruder - eine ebenso wunderbar sublimierte Chypre-Basis, nur dunkler gestimmt, von holzigeren Tönen gerahmt. So mag er vielleicht etwas maskuliner wirken, aber wie fast alle genialen Werke – und insbesondere jene von Roudnitska selbst – entzieht er sich der eindeutigen Zuteilung zu diesem oder jenem Geschlecht, ohne im banalsten, also geschlechtslosen Sinne ‚unisex’ zu sein. Dieser Duft hat definitiv Sex - ein bisschen mehr männlichen als weiblichen, aber das sollte keine Frau daran hindern diesen Duft, so sie denn je seiner habhaft werden kann, zu tragen.
Ebensowenig wie ‚Diorella’ nur Frauen vorbehalten ist, ist ‚Ocean Rain’ ausschließlich Männern zugeeignet.
Habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich mich mit Edmond Roudnitskas Kreationen nicht mehr schwer tue?
Ich bin ihnen verfallen.
‚Diorella’ und ‚Ocean Rain’ sei Dank!
Selbst seine üppigsten Düfte (‚Femme’, ‚Le Parfum de Thérèse’, ‚Diorama’) sind schlanke, konzentrierte Werke, die in keiner Sekunde des Duftverlaufes zu unkontrolliertem Dahinströmen neigen. Alles ist eng gefasst und auf das Nötigste beschränkt. Trotzdem wirken sie nie mager, oder gar minimalistisch (erst sein wichtigster Epigone, J.C. Ellena, wird diesen Pfad mit aller Konsequenz beschreiten), haben ganz im Gegenteil durchaus Substanz und Volumen. Doch verglichen mit so manch aufwändig gestalteter Robe, nebst flatterndem Faltenwurf, langer Schleppe und sich bauschenden Puffärmeln, wirken seine Kreationen wie passgenau auf den (durchaus kurvenreichen, aber nicht Rubens-haften) Körper geschneiderte Haut Couture.
Und so verwundet seine enge künstlerische Zusammenarbeit mit Christian Dior nicht: wie Ernest Beaux das olfaktorische Äquivalent zu Coco Chanels Kreationen schuf, so ergänzte sich der Stil des Parfumeurs Roudnitska und jener des Couturiers Dior aufs Beste. Mit ‚Diorama’, ‚Diorissimo’, ‚Diorella’, ‚Eau Fraîche’ und ‚Eau Sauvage’ kreierte Roudnitska die Duftwelt Diors, die doch ebenso seine eigene war, wie die wenigen Kreationen zeigen, die er nicht für Dior schuf: vor allem ‚Femme’ (für Rochas),‚Le Parfum de Thérèse’ (für seine Frau, später von Frederic Malle veröffentlicht) und seine letztes Werk – erneut für einen mit ihm befreundeten Couturier kreiert: ‚Ocean Rain’.
Roudnitska selbst war schon in den Achtzigern, als Mario Valentino ihn um einen Duft für sein Unternehmen bat, und als 1990 ‚Ocean Rain’ schließlich erschien, zählte der Parfumeur bereits stolze 85 Jahre (elf Jahre mehr als der heute 74 jährige Jean-Paul Guerlain!).
Wer aber vermuten würde, dass dieses - sein letztes - Werk, ein im Geiste der 50er und 60er Jahre geschaffenes sei, der wird zugeben müssen - hat er erstmal an ‚Ocean Rain’ geschnuppert -, dass er sich getäuscht hat.
Ja, es fällt schwer zu glauben, aber ‚Ocean Rain’ ist tatsächlich ein moderner Duft, und Edmond Roudnitska gelingt einmal mehr ein kleines Wunder: einerseits ist der Reichtum seines Erbes und sein mittlerweile unverkennbarer Stil hier deutlich erlebbar, andererseits aber nimmt er einen sich mächtig abzeichnenden Trend auf, der die kommenden Jahre der Parfumentwicklung wie kaum ein anderer dominieren wird, und der zu diesem Zeitpunkt – 1990 – noch recht jung ist, aber schon mit zwei Werken und einer Substanz assoziert wird: mit Yves Tanguys ‚New West’ für Aramis und Pierre Bourdons ‚Cool Water’ für Davidoff. Beide Werke entstanden zwei Jahre vor ‚Ocean Rain’, und die Substanz die sie so folgenreich einführten hieß ‚Calone’. Dabei war dieses ähnlich einer wässrigen Melone duftende Molekül gar nicht mal so neu.
Luca Turin weiß folgendes zu berichten: „1966 meldeten Chemiker des Pharmakonzerns Pfizer ein Patent auf ein merkwürdiges Molekül an, das aussah wie ein Tranquilizer (es ist entfernt mit Valium verwandt). Es roch wie nichts sonst auf der Welt oder – wie es damals prosaisch hieß – nach «Melone». Da Pfizer zwei Jahre zuvor die altehrwürdige Firma Camilli Albert Laloue in Grasse aufgekauft hatte, reichten sie den Balg an ihre parfümierten Freunde weiter, die es auf den Namen Calone tauften.“
Ende der achtziger Jahre, so Turin weiter, sei die Zeit dann wohl reif gewesen für jenes ‚merkwürdige Molekül’.
Der Rest der Geschichte dürfte uns noch hinlänglich ‚in der Nase stecken’...
Nicht so Edmond Roudnitskas wunderbares ‚Ocean Rain’, denn es verschwand, kaum dass es sich einige Jahre zu bewähren hatte, wieder von der Bildfläche.
Warum nur?
Schwer zu sagen.
Natürlich ist eine Duftlinie wie die von Mario Valentino nicht vergleichbar mir jener von Dior oder Hermès, für die Roudnitska seine Hauptwerke schuf. Sein Haus steht weit ab von der Phalanx der großen Häuser und verfügt nicht über den finanziellen Atem, ein großes, aber nicht augenblicklich erfolgreiches Werk über einen langen Zeitraum im eigenen Katalog zu belassen, um es ähnlich wie ‚Bel Ami’ von Hermès oder ‚Derby’ von Guerlain zu viel bewunderten und geachteten Außenseitern reifen zu lassen. Aber das ist nicht alles. Es erklärt vielleicht eines: ‚Ocean Rain’ war zu groß für ein so kleines Unternehmen. Hätte es beispielsweise Roudnitskas alter Auftraggeber Dior lanciert, wäre dem Duft sicher größer Aufmerksamkeit und eine längere Lebensdauer zuteil geworden. Wäre es aber letztlich wirklich erfolgreicher geworden?
Ich glaube kaum.
‚Ocean Rain’ ist nicht nur ein ungewöhnlicher, sondern auch ein schwieriger Duft. Ungeübten Nasen dürfte es schwer fallen, ihn mit luftig-leichtem, sauber und unbeschwert duftendem ‚Calone’ in Verbindung zu bringen. Hier riecht es nicht wirklich nach Sommer, Sonne, Strand und brandendem Meer. Hier schlagen auch keine braugebrannten Surfer ihre Kapriolen, nein, hier regnet buchstäblich – und wie!
So ist ‚Ocean Rain’ eher wie ein spätsommerlicher Spaziergang an der bretonischen Küste – der Himmel voller dunkler, schwerer Wolken, die einen Schauer nach dem anderen über das Land jagen; dazwischen immer wieder Lücken, durch die eine tief stehende, gleißende und noch immer wärmende Sonne bricht. In den Dünen, und dahinter, sondern die vor kurzem noch in vollster Blüte stehenden Gewächse schon einen deutlich vergehenden, leicht indolischen Duft ab, der sich wunderbar mit dem feuchten Dunst der Meeresgischt und dem Geruch der regennassen Erde mischt.
Welch Gegensatz zu den hedonistisch-heiteren Sonnenbad- und Surfdüften à la ‚New West’, ‚Cool Water’ oder ‚L’Eau d’Issey’!
Nein, ‚Ocean Rain’ war wirklich kein leichter, unbeschwerter Duft, eher ein melancholischer, und vermutlich deshalb auch zu Beginn der neunziger Jahre in gewisser Weise ein Anachronismus.
Heute aber, zwanzig Jahre später, bleibt festzustellen: ‚Ocean Rain’ war ein großer Duft, mit dem Edmond Roudnitska zeigte wie delikat Calone duften konnte, wenn man es nur raffiniert genug einzusetzen wusste. So riecht es bei ihm überhaupt nicht beliebig und banal, weil er exemplarisch vorzuführen versteht, wozu dieses Molekül imstande ist, wenn man es nur die ihm gemäße Funktion ausüben lässt – nämlich die Schwere einer Textur aufzulockern, sie mit einer Kuppel von leichter, fruchtiger Frische zu überwölben.
Ähnlich wie er ‚Eau Sauvage’ mit hellen Hedionen aufstrahlen ließ, ohne es in ein Blütenbouquet zu verwandeln, so versteht er es ‚Ocean Rain’ mithilfe der gar nicht mehr so neuartigen Substanz ‚Calone’ aufzuhellen, ohne den Duft in das immergleiche Melonendessert abdriften zu lassen, mit dem wir jahrelang traktiert werden sollten.
Würde der Duft heute veröffentlicht - sagen wir mal unter dem Label von Frederic Malle - wir empfänden ihn sicher als sensationelle Neuheit, als einen Duft, der die klassische Parfumkunst mit der modernen Parfümerie auf das Raffinierteste vereint.
Seltsam: womöglich kam ‚Ocean Rain’ nicht eigentlich zu spät, sondern viel eher zu früh!
Wie auch immer.
‚Ocean Rain’ duftet jedenfalls – wie gesagt – nach vielen regenfeuchten, in später Blüte stehender Blumen, nach dunkel tosendem Meer und nach Roudnitskas vielleicht besten Kreationen: ‚Diorella’ und ‚Le Parfum de Thérèse’. Letzterer könnte so etwas wie seine Mutter sein, während ersterer seine androgyne, größere Schwester ist. Wie ein Zeichen familiärer Zusammengehörigkeit, besitzt auch ‚Ocean Rain’ - als jüngerer Bruder - eine ebenso wunderbar sublimierte Chypre-Basis, nur dunkler gestimmt, von holzigeren Tönen gerahmt. So mag er vielleicht etwas maskuliner wirken, aber wie fast alle genialen Werke – und insbesondere jene von Roudnitska selbst – entzieht er sich der eindeutigen Zuteilung zu diesem oder jenem Geschlecht, ohne im banalsten, also geschlechtslosen Sinne ‚unisex’ zu sein. Dieser Duft hat definitiv Sex - ein bisschen mehr männlichen als weiblichen, aber das sollte keine Frau daran hindern diesen Duft, so sie denn je seiner habhaft werden kann, zu tragen.
Ebensowenig wie ‚Diorella’ nur Frauen vorbehalten ist, ist ‚Ocean Rain’ ausschließlich Männern zugeeignet.
Habe ich eigentlich schon gesagt, dass ich mich mit Edmond Roudnitskas Kreationen nicht mehr schwer tue?
Ich bin ihnen verfallen.
‚Diorella’ und ‚Ocean Rain’ sei Dank!
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