28.11.2014 - 10:50 Uhr
Rivegauche
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Rivegauche
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Herzblut
Die Geschichte Frédéric Malles ist in meinem persönlichen Duftuniversum etwas besonderes. Mit ihren unglaublich polierten, korrekt ausbalancierten und mit geistiger Raffinesse kreierten Schönheit gelingt es mir nicht, die Düfte - obwohl ich lange nicht alle tragen kann - unter 80 % zu bewerten. Als Neffe des Filmemachers Louis Malle (der bis zu seinem Tod mit der Schauspielerin Candice Bergen verheiratet war, der Frédéric Malle den Duft Carnal Flower als Hommage an seine Tante in dem Film "Caranal Knowledge" widmete) dem wir als wichtigen Vertreter der Nouvelle Vague u.a. den Film "Fahrstuhl zum Schafott" nicht nur mit der wunderbaren Jeanne Moreau, sondern auch mit einer meiner Lieblingsfilmmusiken von Miles Davis zu verdanken haben, gründete der Großvater Frédéric Malles, Serge Heftler-Louiche in 1947 mit dem Duft Miss Dior, geschaffen von Paul Vacher (dem Inhaber der Marke Le Galion) die Parfums Christian Dior.
In den folgenden Jahrzehnten gehörte aber der 1996 verstorbene Parfumeur Edmond Roudnitska, dessen Düfte mich seit meiner Jugend immer fest im Griff hatten, zum ständigen Bestandteil des Dior Universums. Edmond Roudnitska schuf hier im Zusammenarbeit mit Frédéric Malles Großvater u.a. Eau Fraîche und Diorissimo, sowie später nach dem Tod seines Großvaters in Zusammenarbeit mit der Mutter Frédéric Malles, die Legenden Eau Sauvage und Diorella. Frédéric Malle, sagt, dass damit diese Düfte für ihn auch einen emotionellen Wert haben. Mir geht es ähnlich, wenn diese jedoch anderer Herkunft sind. Mit diesen für diese Zeit sehr minimalistischen und reduzierten Düften festigte der 1905 in Nizza geborene...als hätte ich's geahnt...Roudnitska seinen Ruf als einer der besten Parfumeure des 20. Jahrhunderts und trug damit auch erheblich zum Renommee der Marke Dior bei. Mit seiner Ehefrau und Mitarbeiterin Thérèse Roudnitska gründete er bei Paris 1946 sein eigenes Labor "Art et Parfum" - welches er später an die Côte d'Azur nach Cabris verlegte - nachdem er sein Handwerk als Angestellter beim Duftstoffhersteller Roure u.a. für das Mischen von Basen (fertige Mischungen verschiedener Rohstoffe) erlernte. Heute lebt und arbeitet der Hausparfumeur von Hermès, Jean-Claude Ellena als einer der wenigen Schüler Roudnitskas ebenfalls in Cabris. Jean-Claude Ellenas Minimalismus ist als Folge der Ausbildung bei Roudnitska zu sehen, dessen "mozarteske" Parfuminterpretationen in ihrer subtil luftigen und aristokratischen Klarheit wegweisend für seine Zeit waren. Mit Diorissimo, dem Lieblingsparfum Romy Schneiders schuf Roudnitska die erste naturgetreue Nachbildung eines Maiglöckchenakkords, da der Duft des Maiglöckchens nicht haltbar extrahiert werden kann.
Mit "Le Parfum de Thérèse," welches in der Parfumbranche all die Jahre seit seiner Schöpfung unter dem Namen "La Prune," also "die Pflaume" wohl zur Legende wurde und nach Angabe von Frédéric Malle über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder verfeinert wurde, war es mit der Überdosis an ozonartigen Fruchtnoten seiner Zeit um vierzig Jahre voraus. Paradoxerweise wirkt es heute mit seinem Chic vergangener Zeiten etwas altmodisch. Schon in der Kopfnote nehme ich die Überdosis der dunkel sinnlich fleischigen und starken Fruchtsäure der Pflaume wahr, unterstützt von der sommerlich und saftig frischen Säure der Melonen. Bereits hier verrät sich die Signatur Roudnitskas, die im 15 Jahre später geschaffenen 'Diorella' wiederzufinden ist. Diese Überdosis war damals so unglaublich modern und hätte angeblich die Kunden eher abgeschreckt, weshalb man sich entschied, "La Prune" nie offiziell zu vermarkten. Edmond Roudnitska entschied, dass ausschließlich seine Ehefrau diesen Duft tragen sollte und hielt die Formel geheim.
Die Kopfnote vervollständigt sich mit der belebend heiteren Frische verschiedener Zitrusnoten. Der weitere Verlauf wird ergänzt durch die opulent florale Wucht des sommerlich weißblütigen Jasmins einschließlich seiner indolischen (fäkalen) Facetten und etwas vom blumig seifig - aber auch holzig strunkig - eleganten Charakter der Rose. Veilchen in ihrer sanft heimeligen Zartheit helfen vielleicht, die mozarteske Romantik hier nicht komplett vergessen zu lassen. Markante Akzente werden durch Gewürze wie trocken holziges Muskat und etwas würzigem Pfeffer in der Herznote gesetzt und erden unsüß die florale Wucht. In der Basis geht der grün holzig erdige Vetiver mit der Rose eine gute Verbindung ein, etwas Moos - heute sicherlich durch Evernyl ersetzt - und trocken leichtes Zedernholz legen sich mit der bitter harten Kante von etwas Leder als Abrundung unter das ganze Gerüst. Ich bin begeistert. Die dominante Pflaumennote ist dauerhaft präsent und fügt sich perfekt ein, wie überhaupt der ganze Duft unglaublich ausbalanciert und fein erscheint. Er verhilft in Kombination mit Melone und den Blüten den sommerlich luftig und heiter leichten Charakter dauerhaft zu bewahren, obwohl man der Thérèse gerade im Verhältnis zur recht ähnlichen 'Diorella' eine gewisse barocke Pracht, die dunkel konzentrierter und leidenschaftlich sinnlicher wirkt, nicht absprechen kann. Der prägnanteste Unterscheid mag auch in der ungewöhnlichen Kombination von säuerlich fruchtiger Pflaume und bitterem Leder liegen, die man mögen muss und in dem gefälligeren und heiter eleganten Diorella nicht findet.
Als Mann kann man diesen Duft tragen, wenn man nichts gegen eindeutig florale Düfte mit "vintage" Charme hat, die wie Thérèse recht unsüß mit holzig "frischer" Kante sind. In der heutigen Zeit gelingt es einem als Mann auf der Suche nach Individualität mit so einem Duft aus dem Rahmen zu fallen, egal ob positiv oder negativ. Da ich den alten Dior Düften schon immer verfallen bin - und ich mich seit mehr als 25 Jahre mit Düften beschäftige - trage ich sie wahrscheinlich mit einer anderen Selbstverständlichkeit. Nachdem ich nun nach all den Jahren und einigen Proben meine erste volle Flasche besitze, fragte ich mich schon gleich nach dem Sprühstoß, weshalb ich solange gewartet habe. Haltbarkeit und Silage sind wunderbar. Obwohl der Duft recht üppig ist, passt er mit seinen doch klaren und kühlen Ausstrahlung nicht unbedingt zu den kältesten Wintertagen, brütend heiße Sommertage jedoch lassen den Duft explodieren.
Als sich Frédéric Malle in 1999 entschloss, sein Unternehmen zu gründen, wusste er weiterhin von der Existenz dieses Parfums. Die in 2004 verstorbene Thérèse Roudnitska war wohl so gerührt, dass jemand - der noch dazu aus der Familie stammte, mit der über zwei Generationen zusammengearbeitet wurde - dieses Parfum der Öffentlichkeit präsentieren wollte und sagte sofort, nach Erläuerung des Konzepts der Marke, zu. Als Hommage an die Frau, die Edmond Roudnitska als Inspiration diente, nannte Frédéric Malle den Duft "Le Parfum de Thérèse."
In den folgenden Jahrzehnten gehörte aber der 1996 verstorbene Parfumeur Edmond Roudnitska, dessen Düfte mich seit meiner Jugend immer fest im Griff hatten, zum ständigen Bestandteil des Dior Universums. Edmond Roudnitska schuf hier im Zusammenarbeit mit Frédéric Malles Großvater u.a. Eau Fraîche und Diorissimo, sowie später nach dem Tod seines Großvaters in Zusammenarbeit mit der Mutter Frédéric Malles, die Legenden Eau Sauvage und Diorella. Frédéric Malle, sagt, dass damit diese Düfte für ihn auch einen emotionellen Wert haben. Mir geht es ähnlich, wenn diese jedoch anderer Herkunft sind. Mit diesen für diese Zeit sehr minimalistischen und reduzierten Düften festigte der 1905 in Nizza geborene...als hätte ich's geahnt...Roudnitska seinen Ruf als einer der besten Parfumeure des 20. Jahrhunderts und trug damit auch erheblich zum Renommee der Marke Dior bei. Mit seiner Ehefrau und Mitarbeiterin Thérèse Roudnitska gründete er bei Paris 1946 sein eigenes Labor "Art et Parfum" - welches er später an die Côte d'Azur nach Cabris verlegte - nachdem er sein Handwerk als Angestellter beim Duftstoffhersteller Roure u.a. für das Mischen von Basen (fertige Mischungen verschiedener Rohstoffe) erlernte. Heute lebt und arbeitet der Hausparfumeur von Hermès, Jean-Claude Ellena als einer der wenigen Schüler Roudnitskas ebenfalls in Cabris. Jean-Claude Ellenas Minimalismus ist als Folge der Ausbildung bei Roudnitska zu sehen, dessen "mozarteske" Parfuminterpretationen in ihrer subtil luftigen und aristokratischen Klarheit wegweisend für seine Zeit waren. Mit Diorissimo, dem Lieblingsparfum Romy Schneiders schuf Roudnitska die erste naturgetreue Nachbildung eines Maiglöckchenakkords, da der Duft des Maiglöckchens nicht haltbar extrahiert werden kann.
Mit "Le Parfum de Thérèse," welches in der Parfumbranche all die Jahre seit seiner Schöpfung unter dem Namen "La Prune," also "die Pflaume" wohl zur Legende wurde und nach Angabe von Frédéric Malle über einen Zeitraum von zehn Jahren immer wieder verfeinert wurde, war es mit der Überdosis an ozonartigen Fruchtnoten seiner Zeit um vierzig Jahre voraus. Paradoxerweise wirkt es heute mit seinem Chic vergangener Zeiten etwas altmodisch. Schon in der Kopfnote nehme ich die Überdosis der dunkel sinnlich fleischigen und starken Fruchtsäure der Pflaume wahr, unterstützt von der sommerlich und saftig frischen Säure der Melonen. Bereits hier verrät sich die Signatur Roudnitskas, die im 15 Jahre später geschaffenen 'Diorella' wiederzufinden ist. Diese Überdosis war damals so unglaublich modern und hätte angeblich die Kunden eher abgeschreckt, weshalb man sich entschied, "La Prune" nie offiziell zu vermarkten. Edmond Roudnitska entschied, dass ausschließlich seine Ehefrau diesen Duft tragen sollte und hielt die Formel geheim.
Die Kopfnote vervollständigt sich mit der belebend heiteren Frische verschiedener Zitrusnoten. Der weitere Verlauf wird ergänzt durch die opulent florale Wucht des sommerlich weißblütigen Jasmins einschließlich seiner indolischen (fäkalen) Facetten und etwas vom blumig seifig - aber auch holzig strunkig - eleganten Charakter der Rose. Veilchen in ihrer sanft heimeligen Zartheit helfen vielleicht, die mozarteske Romantik hier nicht komplett vergessen zu lassen. Markante Akzente werden durch Gewürze wie trocken holziges Muskat und etwas würzigem Pfeffer in der Herznote gesetzt und erden unsüß die florale Wucht. In der Basis geht der grün holzig erdige Vetiver mit der Rose eine gute Verbindung ein, etwas Moos - heute sicherlich durch Evernyl ersetzt - und trocken leichtes Zedernholz legen sich mit der bitter harten Kante von etwas Leder als Abrundung unter das ganze Gerüst. Ich bin begeistert. Die dominante Pflaumennote ist dauerhaft präsent und fügt sich perfekt ein, wie überhaupt der ganze Duft unglaublich ausbalanciert und fein erscheint. Er verhilft in Kombination mit Melone und den Blüten den sommerlich luftig und heiter leichten Charakter dauerhaft zu bewahren, obwohl man der Thérèse gerade im Verhältnis zur recht ähnlichen 'Diorella' eine gewisse barocke Pracht, die dunkel konzentrierter und leidenschaftlich sinnlicher wirkt, nicht absprechen kann. Der prägnanteste Unterscheid mag auch in der ungewöhnlichen Kombination von säuerlich fruchtiger Pflaume und bitterem Leder liegen, die man mögen muss und in dem gefälligeren und heiter eleganten Diorella nicht findet.
Als Mann kann man diesen Duft tragen, wenn man nichts gegen eindeutig florale Düfte mit "vintage" Charme hat, die wie Thérèse recht unsüß mit holzig "frischer" Kante sind. In der heutigen Zeit gelingt es einem als Mann auf der Suche nach Individualität mit so einem Duft aus dem Rahmen zu fallen, egal ob positiv oder negativ. Da ich den alten Dior Düften schon immer verfallen bin - und ich mich seit mehr als 25 Jahre mit Düften beschäftige - trage ich sie wahrscheinlich mit einer anderen Selbstverständlichkeit. Nachdem ich nun nach all den Jahren und einigen Proben meine erste volle Flasche besitze, fragte ich mich schon gleich nach dem Sprühstoß, weshalb ich solange gewartet habe. Haltbarkeit und Silage sind wunderbar. Obwohl der Duft recht üppig ist, passt er mit seinen doch klaren und kühlen Ausstrahlung nicht unbedingt zu den kältesten Wintertagen, brütend heiße Sommertage jedoch lassen den Duft explodieren.
Als sich Frédéric Malle in 1999 entschloss, sein Unternehmen zu gründen, wusste er weiterhin von der Existenz dieses Parfums. Die in 2004 verstorbene Thérèse Roudnitska war wohl so gerührt, dass jemand - der noch dazu aus der Familie stammte, mit der über zwei Generationen zusammengearbeitet wurde - dieses Parfum der Öffentlichkeit präsentieren wollte und sagte sofort, nach Erläuerung des Konzepts der Marke, zu. Als Hommage an die Frau, die Edmond Roudnitska als Inspiration diente, nannte Frédéric Malle den Duft "Le Parfum de Thérèse."
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