22.03.2015 - 15:31 Uhr
Meggi
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30
Ein Augenzwinkern, nur für den Träger
„Hast Du vorhin irgendwelches Weihnachtsgebäck gegessen?“ fragte meine Frau mich gegen 13 Uhr telefonisch anlässlich des gewohnten ‚Wir-sind-alle-wieder-hier‘-Anrufs bei mir im Büro. Lustig. Nicht wegen des Gebäcks, das ist mir zu jeder Jahres- und Tageszeit zuzutrauen. Nein, meine spontane Assoziation nach dem Aufsprühen am Morgen war tatsächlich eine ganz spezielle Kindheits-Erinnerung an die Vorweihnachtszeit gewesen: Wenn wir Apfelsinen mit Nelken bespickt und an einem Kerzenhalter aufgespießt hatten. Das sah übrigens exakt so bescheuert aus, wie es sich anhört. Siebziger Jahre halt. Und meist fingen die Dinger natürlich schon lange vor dem Fest an zu schimmeln - das nur nebenbei.
Damit ist bereits einiges über den Duft gesagt. Erstens: Orange, und zwar nicht (oder sagen wir: nicht in erster Linie) deren Blüte oder eines der diversen nahen Öle, sondern richtig Orange, dazu Gewürze, obwohl im Körpereinsatz nicht weihnachtlich-penetrant. Zweitens hat sich eine Angabe zur Präsenz in der Geschichte versteckt. Ich hatte mir Noir Epices nämlich unüblicherweise im Wohnzimmer aufgesprüht, wo noch die frischen Proben-Schätzchen vom Wochenende lagen. Das Aroma des seitlich ausgebüxten Anteils, im Laufe von mehr als sechs Stunden verteilt auf rund 150 Kubikmeter Luft, war offensichtlich deutlich wahrzunehmen. Meine Frau hat eine gute, aber vermutlich nicht überragend feine Nase, daher ist das recht ordentlich, finde ich. Das hat Art.
Genau wie die Probe (Begriff ‚Pröbchen‘ unangebracht). Anständige 3,5ml in einem vernünftigen Glasfläschchen, mit vergleichsweise breitem, tadellos arbeitendem Sprühkopf versehen; alles in einer ansehnlichen, großzügig bemessenen Schachtel gut gefedert verpackt. Da bleibt nach dem Test womöglich was für weitere Parfumas/-os nach. So stelle ich mir das bei ambitioniertem Preisniveau vor.
Das war der einfachere Teil. Denn den Duft finde ich schwierig. Meine Erwartungen werden nicht erfüllt, wobei freilich der Begriff ent-täuscht in seiner gängigen Bedeutung nicht passt.
Von Noir keine Spur, dieser Auffassung anderer Kommentaren schließe ich mich an, nur nicht der angebotenen Ersatz-Übersetzung ‚dicht‘. Ich finde den Duft nicht ‚dicht‘, jedenfalls nicht im Sinne von ver-dicht-et oder kompakt. Im Gegenteil. Ich habe Mühe, mich ihm zu nähern, ihn zu greifen und zäume deshalb das Pferd von hinten auf:
Noir Epices ist ein äußerst anspruchsvoller Anzugduft. Schlichtweg Anzugduft geht bekanntlich leicht, laue Wässerchen sind auf Parfumo wahrscheinlich zu Tausenden gelistet. Unser Kandidat ist für Leute, die nichts Auf- oder gar Ausfallendes riskieren wollen, doch gleichzeitig keineswegs auf etwas AusGEfallenes verzichten können, das gehobenes Riech-Vergnügen beschert- vielleicht als einziger Lichtblick auf öder Sitzung. Die wahre Musik spielt bei Noir Epices nämlich ausschließlich auf der Haut, beschränkt sich mithin auf die eigene Wahrnehmung.
In der Projektion – ich habe nachgefragt - ist er ein sanft gewürzter, fruchtiger Orangenduft, der durch die Beigabe von entsprechendem Öl, später Sandelholz und Moschus der Spitze beraubt wird. Dezent, unaufdringlich und ruhig; distinguiert-elegant bis zum Gehtnichtmehr.
Allein für den Träger changiert er, wabert beinahe, spielt mit unterschwelligen Gegensätzen. Wird indes nie laut, zwinkert mir nur schelmisch zu, sobald ich glaube, ich hätte ihn durchschaut:
„Riech‘ her, ich bin ein Orangenduft mit sacht verschleierten Gewürzen! Und die Orangenschale kann ich ebenfalls. Komm ein bisschen näher ran, das ist bloß Orange: weicher, runder, tiefer als Zitrone, nicht so übermütig; ich mache schließlich keinen auf Sommer…. Hab‘ ich Dich! Spürst Du jetzt das leise Kratzen der Rosengeranie? Ich habe sie gut versteckt. Suchst Du nach der Rose? Na dann viel Erfolg… Kleiner Tipp: Versuch’s auch mit Orangenblüte! Guck‘ mal, im Mittelteil halte ich Dir plötzlich ein wenig Bergamotte hin und mache in der fünften Stunde eine behutsame (Jasmin)-Seifig-Sauberkeit daraus. Ist es wirklich Bergamotte? Oder ist es Zitrone? Gar Limette? Egal - macht die gemeinsam mit dem Reinlich-Aroma nicht eine großartige Figur!“
Die schönste Phase entsteht ab dem frühen Nachmittag: Die Gewürze sind zwar kaum deutlicher, gleichwohl um einiges wärmer geworden und mischen sich nun stärker mit der Orange. Beides wird von einer mehr angedeuteten Holznote umspielt. Und immer wieder Rückgriff auf Voriges, die Duftentwicklung ist überhaupt keine, Noir Epices schwankt vor und zurück wie die Meinung einer Frau beim Klamottenkauf.
Nach rund sieben Stunden zeigt sich Moschus, vor allem aber mehr mildes Holz (ich tippe zudem auf eine Vetiver-Beigabe). Die Zeder hat einen minimalen Stich, der sie ins Würzige zieht. Allerdings ist die Orange noch nicht am Ende. Sie wird bitterer, nahezu likörhaft und liefert damit eine letzte Überraschung. Die Haltbarkeit ist mit locker acht, neun Stunden ziemlich gut und auch danach bleibt der Duft auf der Haut bis weit in den Abend hinein charaktervoll erhalten.
Fazit: Ein Duft mit vielen Gesichtern, der stets spannend ist und definitiv einen Test lohnt. Für mich persönlich ist er nicht erste Wahl, da ich zu selten Bedarf an heimlicher Originalität habe. Ich darf sie meist direkt drauftun.
Damit ist bereits einiges über den Duft gesagt. Erstens: Orange, und zwar nicht (oder sagen wir: nicht in erster Linie) deren Blüte oder eines der diversen nahen Öle, sondern richtig Orange, dazu Gewürze, obwohl im Körpereinsatz nicht weihnachtlich-penetrant. Zweitens hat sich eine Angabe zur Präsenz in der Geschichte versteckt. Ich hatte mir Noir Epices nämlich unüblicherweise im Wohnzimmer aufgesprüht, wo noch die frischen Proben-Schätzchen vom Wochenende lagen. Das Aroma des seitlich ausgebüxten Anteils, im Laufe von mehr als sechs Stunden verteilt auf rund 150 Kubikmeter Luft, war offensichtlich deutlich wahrzunehmen. Meine Frau hat eine gute, aber vermutlich nicht überragend feine Nase, daher ist das recht ordentlich, finde ich. Das hat Art.
Genau wie die Probe (Begriff ‚Pröbchen‘ unangebracht). Anständige 3,5ml in einem vernünftigen Glasfläschchen, mit vergleichsweise breitem, tadellos arbeitendem Sprühkopf versehen; alles in einer ansehnlichen, großzügig bemessenen Schachtel gut gefedert verpackt. Da bleibt nach dem Test womöglich was für weitere Parfumas/-os nach. So stelle ich mir das bei ambitioniertem Preisniveau vor.
Das war der einfachere Teil. Denn den Duft finde ich schwierig. Meine Erwartungen werden nicht erfüllt, wobei freilich der Begriff ent-täuscht in seiner gängigen Bedeutung nicht passt.
Von Noir keine Spur, dieser Auffassung anderer Kommentaren schließe ich mich an, nur nicht der angebotenen Ersatz-Übersetzung ‚dicht‘. Ich finde den Duft nicht ‚dicht‘, jedenfalls nicht im Sinne von ver-dicht-et oder kompakt. Im Gegenteil. Ich habe Mühe, mich ihm zu nähern, ihn zu greifen und zäume deshalb das Pferd von hinten auf:
Noir Epices ist ein äußerst anspruchsvoller Anzugduft. Schlichtweg Anzugduft geht bekanntlich leicht, laue Wässerchen sind auf Parfumo wahrscheinlich zu Tausenden gelistet. Unser Kandidat ist für Leute, die nichts Auf- oder gar Ausfallendes riskieren wollen, doch gleichzeitig keineswegs auf etwas AusGEfallenes verzichten können, das gehobenes Riech-Vergnügen beschert- vielleicht als einziger Lichtblick auf öder Sitzung. Die wahre Musik spielt bei Noir Epices nämlich ausschließlich auf der Haut, beschränkt sich mithin auf die eigene Wahrnehmung.
In der Projektion – ich habe nachgefragt - ist er ein sanft gewürzter, fruchtiger Orangenduft, der durch die Beigabe von entsprechendem Öl, später Sandelholz und Moschus der Spitze beraubt wird. Dezent, unaufdringlich und ruhig; distinguiert-elegant bis zum Gehtnichtmehr.
Allein für den Träger changiert er, wabert beinahe, spielt mit unterschwelligen Gegensätzen. Wird indes nie laut, zwinkert mir nur schelmisch zu, sobald ich glaube, ich hätte ihn durchschaut:
„Riech‘ her, ich bin ein Orangenduft mit sacht verschleierten Gewürzen! Und die Orangenschale kann ich ebenfalls. Komm ein bisschen näher ran, das ist bloß Orange: weicher, runder, tiefer als Zitrone, nicht so übermütig; ich mache schließlich keinen auf Sommer…. Hab‘ ich Dich! Spürst Du jetzt das leise Kratzen der Rosengeranie? Ich habe sie gut versteckt. Suchst Du nach der Rose? Na dann viel Erfolg… Kleiner Tipp: Versuch’s auch mit Orangenblüte! Guck‘ mal, im Mittelteil halte ich Dir plötzlich ein wenig Bergamotte hin und mache in der fünften Stunde eine behutsame (Jasmin)-Seifig-Sauberkeit daraus. Ist es wirklich Bergamotte? Oder ist es Zitrone? Gar Limette? Egal - macht die gemeinsam mit dem Reinlich-Aroma nicht eine großartige Figur!“
Die schönste Phase entsteht ab dem frühen Nachmittag: Die Gewürze sind zwar kaum deutlicher, gleichwohl um einiges wärmer geworden und mischen sich nun stärker mit der Orange. Beides wird von einer mehr angedeuteten Holznote umspielt. Und immer wieder Rückgriff auf Voriges, die Duftentwicklung ist überhaupt keine, Noir Epices schwankt vor und zurück wie die Meinung einer Frau beim Klamottenkauf.
Nach rund sieben Stunden zeigt sich Moschus, vor allem aber mehr mildes Holz (ich tippe zudem auf eine Vetiver-Beigabe). Die Zeder hat einen minimalen Stich, der sie ins Würzige zieht. Allerdings ist die Orange noch nicht am Ende. Sie wird bitterer, nahezu likörhaft und liefert damit eine letzte Überraschung. Die Haltbarkeit ist mit locker acht, neun Stunden ziemlich gut und auch danach bleibt der Duft auf der Haut bis weit in den Abend hinein charaktervoll erhalten.
Fazit: Ein Duft mit vielen Gesichtern, der stets spannend ist und definitiv einen Test lohnt. Für mich persönlich ist er nicht erste Wahl, da ich zu selten Bedarf an heimlicher Originalität habe. Ich darf sie meist direkt drauftun.
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