29.05.2016 - 13:52 Uhr
Meggi
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40
Letztes Rezital
Als Dinu Lipatti sich am 16. September 1950 in Besançon an den Flügel setzte, muss ihm bewusst gewesen sein, dass es sein letztes Konzert sein würde. Er war todkrank und starb schon am 2. Dezember, im Alter von nur dreiunddreißig Jahren. Geblieben sind wenige Stunden an Ton-Aufnahmen – kostbare, technisch brillante Klavierkunst voller Glanz und Wärme zugleich.
Auf dem Programm hatten eine Partita von Bach, eine Sonate von Mozart, zwei Impromptus von Schubert und vierzehn Walzer von Chopin gestanden. Nach dem vorletzten Stück war Lipatti völlig erschöpft. Er kehrte nach einer Pause zwar auf die Bühne zurück, allerdings reichte seine Kraft nicht mehr für den vierzehnten Walzer und er beendete das Konzert mit einer Klavierbearbeitung des Bach-Chorals ‚Jesus bleibet meine Freude‘. Auf dem Mitschnitt des Auftritts fehlt das Stück, doch er hatte es andernorts aufgenommen (https://www.youtube.com/watch?v=k7PNFDrcqmY).
In Angeliques Sous La Pluie nehme ich dreierlei wahr, was mir zu Lipatti, zu seinem letzten Rezital und zu dessen Ende zu passen scheint. Gewisse Freiheiten nehme ich mir heraus.
Da ist erstens der Habitus des Dargebotenen. Schlicht, klar und transparent ist der Duft, so ziemlich das Gegenteil eines donnernden Virtuosentums. Auch Lipatti hatte sich von derlei ferngehalten. 1946 hatte er für das Studium von Tschaikowskijs erstem Klavierkonzert, dem Klavier-Schlachtross schlechthin, mindestens weitere drei Jahre veranschlagt. Zu einer Aufführung kam es überhaupt nicht mehr. Aber Zugeständnisse kannte sein künstlerischer Anspruch nicht, nicht einmal angesichts der rasch ablaufenden Lebens-Zeit nach der Diagnose der unheilbaren Krebs-Erkrankung im Jahr 1947.
Mir ist bekannt, dass Ellenas „künstlerischer Weg“ andersherum zu sehen ist, trotzdem scheint mir die Analogie wegen der jeweiligen Unbeirrbarkeit zulässig.
Um den Bogen zum Duft zurückzuschlagen: Herr Ellena verzichtet auf jegliche Effekte. Die „Geschichte“ von Angeliques Sous La Pluie ist daher zügig erzählt, sie ist im Grunde gar keine. Angelika, Wacholder, Koriander, Pfeffer, Zeder, jede Zutat für sich ist kompromisslos klar vorgestellt. Alsdann umspielen sie sich gegenseitig sacht in vorsichtig-respektvoller Berührung; wie (und das ist mein „Zweitens“) die beiden Themen aus dem Choral. Eine dennoch unmittelbar präsente Innenspannung speist sich bei Bach aus dem Kontrast zwischen den musikalischen Bausteinen und bei Ellena aus Fragilität. Das Zerbrechliche der Konstruktion ist von Beginn an spürbar.
Und leider fällt im Parfüm eben diese Spannung innerhalb allzu kurzer Zeit in sich zusammen. Kaum eine Stunde hält das gläserne Bauwerk des tastenden Abstands, bis die Ingredienzen einander näher rücken, man könnte sagen „einander auf die Pelle rücken“. Nach meinem Empfinden geht dabei Großartiges verloren. Die Kraft reichte nicht – mein „Drittens“.
Mithin mag ich Angeliques Sous La Pluie auf dem Papierstreifen viel lieber, wo er den herrlichen Auftakt bewahrt. Dort ist er für mich eine glatte Zehn. Ich möchte so weit gehen, ihn als idealen Raumduft zur Spiegelung eines frischen Frühlingstags oder eines kühl-regnerischen Herbsttags zu bezeichnen. Als Duft für mich selbst werde ich ihn nicht benutzen, zu groß ist stets mein Bedauern ab Stunde zwei.
Zum Anzug passt Angeliques Sous La Pluie freilich perfekt.
Ich bedanke mich bei Puck1 für die Probe.
Auf dem Programm hatten eine Partita von Bach, eine Sonate von Mozart, zwei Impromptus von Schubert und vierzehn Walzer von Chopin gestanden. Nach dem vorletzten Stück war Lipatti völlig erschöpft. Er kehrte nach einer Pause zwar auf die Bühne zurück, allerdings reichte seine Kraft nicht mehr für den vierzehnten Walzer und er beendete das Konzert mit einer Klavierbearbeitung des Bach-Chorals ‚Jesus bleibet meine Freude‘. Auf dem Mitschnitt des Auftritts fehlt das Stück, doch er hatte es andernorts aufgenommen (https://www.youtube.com/watch?v=k7PNFDrcqmY).
In Angeliques Sous La Pluie nehme ich dreierlei wahr, was mir zu Lipatti, zu seinem letzten Rezital und zu dessen Ende zu passen scheint. Gewisse Freiheiten nehme ich mir heraus.
Da ist erstens der Habitus des Dargebotenen. Schlicht, klar und transparent ist der Duft, so ziemlich das Gegenteil eines donnernden Virtuosentums. Auch Lipatti hatte sich von derlei ferngehalten. 1946 hatte er für das Studium von Tschaikowskijs erstem Klavierkonzert, dem Klavier-Schlachtross schlechthin, mindestens weitere drei Jahre veranschlagt. Zu einer Aufführung kam es überhaupt nicht mehr. Aber Zugeständnisse kannte sein künstlerischer Anspruch nicht, nicht einmal angesichts der rasch ablaufenden Lebens-Zeit nach der Diagnose der unheilbaren Krebs-Erkrankung im Jahr 1947.
Mir ist bekannt, dass Ellenas „künstlerischer Weg“ andersherum zu sehen ist, trotzdem scheint mir die Analogie wegen der jeweiligen Unbeirrbarkeit zulässig.
Um den Bogen zum Duft zurückzuschlagen: Herr Ellena verzichtet auf jegliche Effekte. Die „Geschichte“ von Angeliques Sous La Pluie ist daher zügig erzählt, sie ist im Grunde gar keine. Angelika, Wacholder, Koriander, Pfeffer, Zeder, jede Zutat für sich ist kompromisslos klar vorgestellt. Alsdann umspielen sie sich gegenseitig sacht in vorsichtig-respektvoller Berührung; wie (und das ist mein „Zweitens“) die beiden Themen aus dem Choral. Eine dennoch unmittelbar präsente Innenspannung speist sich bei Bach aus dem Kontrast zwischen den musikalischen Bausteinen und bei Ellena aus Fragilität. Das Zerbrechliche der Konstruktion ist von Beginn an spürbar.
Und leider fällt im Parfüm eben diese Spannung innerhalb allzu kurzer Zeit in sich zusammen. Kaum eine Stunde hält das gläserne Bauwerk des tastenden Abstands, bis die Ingredienzen einander näher rücken, man könnte sagen „einander auf die Pelle rücken“. Nach meinem Empfinden geht dabei Großartiges verloren. Die Kraft reichte nicht – mein „Drittens“.
Mithin mag ich Angeliques Sous La Pluie auf dem Papierstreifen viel lieber, wo er den herrlichen Auftakt bewahrt. Dort ist er für mich eine glatte Zehn. Ich möchte so weit gehen, ihn als idealen Raumduft zur Spiegelung eines frischen Frühlingstags oder eines kühl-regnerischen Herbsttags zu bezeichnen. Als Duft für mich selbst werde ich ihn nicht benutzen, zu groß ist stets mein Bedauern ab Stunde zwei.
Zum Anzug passt Angeliques Sous La Pluie freilich perfekt.
Ich bedanke mich bei Puck1 für die Probe.
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