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vor 6 Jahren - 08.04.2018
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Sommerdüfte im Härtetest

Indien


Hin und wieder verreise ich ja ganz gern.

Liegt das Reiseziel in tropischen Gefilden, ist es nicht so ganz einfach, zu entscheiden, welche Düfte man auf eine solche Reise mitnimmt.

Es fiel mir diesmal schwer, eine Auswahl zu treffen - denn welche Duftnoten passen zu Burma, Sri Lanka und Indien?

Hitze, sengende Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit würden mich in den genannten Ländern erwarten, so viel wußte ich bereits. Um es vorwegzunehmen - es war noch viel heißer und feuchter als ich mir je hätte vorstellen können.

Drückend, schwül, regelrecht klebrig wirkt die heiße Luft, so daß man um Atem ringt und nach Kühlung, nach Schatten und Erfrischung sucht.

Düfte, sofern man überhaupt noch daran zu denken wagt, verlieren ihren Reiz, sind vielfach den enormen Temperaturen nicht gewachsen und beginnen, störend, stechend und dumpf zu riechen, sofern sie überhaupt noch wahrnehmbar sind.

Ich hatte diesmal darauf verzichtet, Flakons mitzunehmen und mich auf kleine Abfüllungen in Taschenzerstäubern beschränkt. Eine gute Entscheidung, denn so war ich mit leichtem Duftgepäck unterwegs …



Es ist sehr schwer, ein Parfum zu finden, das auch in der Gluthölle Südindiens und Sri Lankas besteht. Ich hatte mir daher vorgenommen, mehrere Düfte auszuprobieren.

„Monsieur Balmain“ ist einer meiner absoluten Lieblingsdüfte. Allerdings zeigte er sich den Temperaturen Keralas nicht gewachsen. Er wurde in Windeseile dumpf, muffig und trübe, war zudem schon nach etwa einer halben Stunde nicht mehr wahrnehmbar.

Für den Sommer unserer Breitengrade ein hervorragend geeigneter Duft, für Südindien leider völlig ungeeignet …



„Italian Citrus“ von D.S.& Durga hingegen überraschte mich sehr angenehm. Obwohl der Weihrauch dieses Parfum dominiert, erwies es sich unter der Sonne Burmas und Südindiens als haltbar, erfrischend und tragbar. Dezent, aber markant, und ohne jede unangenehme Veränderung des Duftverlaufs begleitete mich „Italian Citrus“ auch bei 42° zuverlässig und standhaft, was sich während der Besichtigung der Schwedagon-Pagode als regelrechter Segen erwies …



Ebenso zuverlässig, angenehm und von seiner besten Seite zeigte sich „Inception“ (Zarkoperfume), das durch seine etwas metallische Kälte und seinen Eishauch die staubigen, hitzewabernden Straßen Thiruvananthapurams und Kochis erträglicher machte.



Auch „Dior Homme Cologne“ war in seiner unaufdringlichen, subtilen Art ein angenehmer Reisebegleiter, der den Besuch eines Felsenklosters in Hambantota (Sri Lanka) zu einer deutlich weniger schweißtreibenden Affäre geraten ließ … allerdings war hier die recht kurze Verweildauer des Duftes zu beklagen, denn bei Temperaturen von 38° (im Schatten!) gab „Dior Homme Cologne“ nur ein kurzes Gastspiel von etwa anderthalb Stunden. Das allerdings ließ sich problemlos ausgleichen durch energisches Nachsprühen.



Ungeeignet für die extrem hohen Temperaturen und die sehr hohe Luftfeuchtigkeit war „Colonia Essenza (Eau de Cologne)“ von Acqua di Parma. Das überraschte mich, denn ich hätte nicht gedacht, daß sich dieser schöne, helle, zitrische Duft unter den klimatischen Bedingungen Burmas und Keralas in eine stechende, Kopfschmerz verursachende Brühe verwandeln würde, die keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem ursprünglichen Parfum hatte.

Ich habe, nachdem ich wieder zu Hause angekommen war, selbstverständlich sofort getestet, ob „Colonia Essenze (Eau de Cologne“) wieder jene Duftnoten aufweist, die mir dieses Parfum so sympathisch machen, und in der Tat – es ist wieder der mir bekannte, angenehme, frische Duft, den ich so schätze.

Ebenfalls ungeeignet war "Menthe Fraiche" von Heeley. Die MInze wurde sofort stechend, beißend, äußerst unangenehm ...


Es war interessant, zu sehen, wie sich einige der von mir geschätzten Sommerdüfte in der südindischen Gluthölle bewährt oder eben auch nicht bewährt haben.

Schwere, würzige und süße Düfte sind übrigens bei diesen Temperaturen die Hölle ...

An vielen Ecken müffelte es nach schwerem Sandelholz und nach ebenso schwerem, wenn nicht gar bleiernen Weihrauch aus den unzähligen, bröckligen, schmutzüberkrusteten Tempeln - das ist bei einer solchen Gluthitze alles andere als ein olfaktorischer Genuß!

Nachsatz:

Einige Mitreisende bespühten sich in den ersten Tagen übrigens ausgiebig mit sogenannten "orientalischen" Düften. Ein Graus! Zur sengenden Hitze, die ohnehin anfangs schwere Atemnot verursacht, kam nun noch der massive, bei diesen Temperaturen unerträglich übersüße Duft besagter Damen und Herren ... und verschlimmerte alles in bisher ungekanntem Maße.

Erfreulicherweise genügten zwei Tage, damit auch diese Mitreisenden zu der unabwendbaren Einsicht gelangten, daß "orientalische" Düfte wenig mit dem wahren Orient und dessen klimatischen Bedingungen zu tun haben.


Nachsatz II:

Indien ist nicht "duftintensiv" ... Indien stinkt. Das Land hat ein flächendeckendes, sehr gravierendes, schon lange bestehendes hausgemachtes Müllproblem; die Straßenränder sind durchweg von sehr breiten, halbmeterhohen übelriechenden Müllgebirgen bedeckt, auf bzw. in denen zahlreiche Inder ihre Notdurft verrichten. In aller Öffentlichkeit, zu jeder Tageszeit. Wenn es eine Kanalisation gibt, dann besteht sie aus flachen, offenen Gräben. Ich habe nur den Bundesstaat Kerala erlebt, aber das hat mir gereicht. Nein, das ist nicht "exotisch", sondern grauenhafter Gestank. Die Mehrzahl der Inder lehnt Toiletten ab, das ist eine traurige Wahrheit. Als wir bspw. in Thiruvananthapuram unterwegs waren, wurde mehreren Mitreisenden übel, denn das "exotische Duftpanorama" entsprach in etwa dem einer sehr lange vergessenen Bio-Tonne, die in großer HItze vor sich hingammelt, angereichert um beißende Gerüche (nein, nicht Düfte!) massiver Räucherwerk-Gebilde. Es grenzt an Selbstverteidigung, sich unter solchen Umständen mit einem frischen, kühlen Wohlgeruch zu beduften ... Nun mag mir gewiß der eine oder andere widersprechen, aber nachdem ich Südindien hautnah und für mehrere Wochen erlebt habe, bleibe ich bei meiner olfaktorischen Bilanz: Indien stinkt! Und nein, das hat wenig bis nichts mit Armut zu tun, denn auch in den gehobenen Vierteln von Thiruvananthapuram und Kochi sieht es nicht anders aus und es riecht auch nicht anders ...

Man sagt nicht umsonst, daß eine Begegnung mit dem realen Indien einen Kulturschock auslösen kann.






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