Gfk

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Rezensionen
Gfk vor 4 Jahren 22 4
7
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8.5
Duft
Möchten Sie nach Gemüse riechen? – Nicht die Bohne!
Eines Tages in einer Parfumerie meines Vertrauens – wieder einmal auf der Suche nach einem klassischen, eher dezenten Duft. „Probieren Sie mal den!“ – Ein Sprühstoß auf mein Handgelenk – FLASHBACK!
Ich bin 35 Jahre jünger. Auf Besuch in Frankreich bei der Familie meines Freundes Fabrice. Wir fahren Richtung Atlantik, kommen auf dem Weg bei seiner Großmutter vorbei. Und diese Großmutter ist eine Bilderbuch-Großmutter. Alt, etwas zerknautscht, klein, unglaublich fröhlich, muss man einfach liebhaben. Sie wohnt in einem kleinen Haus mit Garten, und in diesem Garten steht ein Gewächshaus. Die Aufgabe für Fabrice und mich: Bohnen sammeln fürs Abendessen. Also stürzen wir uns in dieses Paradies aus selbst angepflanzten Köstlichkeiten.
Und in dieses Universum beamt mich der Duft. Ich rieche tatsächlich frische, grüne Bohnen! Manch Leser wird mich nun für verrückt halten, wenn ich einem nach Bohnen riechenden Duft eine so hohe Bewertung gebe, wahrscheinlich zurecht. Aber der Duft entwickelt sich weiter. Er wird komplexer und viel runder und entwickelt eine besondere Klasse. Behält dabei eine einzigartige Frische.
Eau de Campagne – der Name ist Programm, und der Duft hält meisterlich, was der Name verspricht.
Für mich ein frischer (und trotzdem klassischer!) Sommerduft, aber völlig anders als die populären Nerolis oder Aquatiker, denen sonst die Sommerfrische angedichtet wird. Einzigartig. Mittlerweile einer meiner Favoriten.
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4 Antworten
Gfk vor 5 Jahren 21 8
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Flakon
5
Sillage
4
Haltbarkeit
8.5
Duft
Eine runde Sache - update - adieu mon cher ami
2019:

Vor etwa 35 Jahren (…) lief ich mit den Eltern meines französischen Austauschschülers durch ein Münchner Kaufhaus. Mit 13 Jahren beschränkten sich meine Parfum-Erfahrungen in erster Linie auf Großmütter mit entsprechenden Düften. In dem Kaufhaus überraschte mich Jean-Pierre mit einer Attacke in Form einer auf mich abgeschossenen, recht umfangreichen Parfum-Proben-Wolke, der ich wenig erfolgreich zu entkommen versuchte.

Viele Tage später, ich saß gerade vor meinem C64 (!), bemerkte ich einen Duft. Ich wollte „fantastischen Duft“ schreiben, aber das kommt nicht an das Erlebte heran. Es duftete einfach wunderbar. Ich konnte mir aber nicht erklären, woher er kam. Wiederum Tage später wiederholte sich dieses Dufterlebnis. Ich kam auf den Schuldigen: Mein Pullover! Ein paar Gedankenecken später (neues Waschmittel? Großmutter-Kuss-Attacken?) kam die Erkenntnis, dass ich denselben Pullover anhatte wie bei meinem München-Bummel mit der Parfum-Attacke. Und ich konnte mich tatsächlich an die Flasche erinnern, aus der Jean-Pierre die Salven auf mich abgeschossen hatte.

Seitdem nutze ich Azzaro pour Homme. Und als ein paar Jahre später eine höchst attraktive Mitschülerin mir in der Disko das Versprechen abrang, ich dürfe niemals einen anderen Duft wählen, weil ApH so gut zu mir passen würde, war es umso mehr um mich geschehen.

Eine lange Zeit war ich treu. Heute riecht ApH immer noch ähnlich. Manchmal. Da ich zunehmend enttäuscht war, dieses damalige Erleben des Duftes so nicht mehr zu spüren, habe ich mich auf die Suche nach einer Alternative begeben. Sehr viele Dufttests später (Dank an den Parfumo-Souk und die vielen zuverlässigen Afficionados!) – kehre ich immer wieder zu ApH zurück.

Wieso? Die Antwort gab mir vor Kurzem eine freundliche Mitarbeiterin in einer unabhängigen, exklusiven Parfümerie. Als ich mich dort beraten ließ und die Dame an meinem mit ApH bestäubten Handgelenk schnuppern ließ, sagte sie: „Der ist aber schön rund!“

Treffer. Das ist ApH immer noch für mich. Eine runde Sache. Dabei spielen die einzelnen Duftrichtungen nur eine untergeordnete Rolle. Der Vollständigkeit halber: Nach dem Aufsprühen wirkt er für mich auf der Haut zunächst sehr bitter. Das verfliegt aber schnell, ändert sich in herbe Kräuter, um anschließend zunehmend holzige Aromen freizugeben, allerdings eher helles Holz. Der Duft wird frischer, Pampelmuse? Dabei aber auch eine sehr dezente Süße (nicht schwer!), blumige Aromen? Dazu feuchtes Moos und auch Leder?

Ach, ich weiß es auch nicht. Denn was eine Rolle spielt, ist nicht die Komplexität, sondern der insgesamt runde Eindruck. Auch wenn er leider nur noch ein Schatten seiner frühen Jahre ist. Wenn ich wegen meines Duftes Aufmerksamkeit errege, möchte ich nicht, dass die Leute denken: „Der trägt aber ein gutes Parfum“, sondern „Der riecht aber gut!“. ApH hält sich im Hintergrund. Er ist kein Aquatiker, keine süße Bombe, kein Gewürzregal, sondern einfach

eine runde Sache.

2021: Adieu mon cher ami

Schon einmal habe ich über Dich erzählt. Nun ein zweites Mal? Ja, denn Du bist ein anderer geworden.

Fast vierzig Jahre haben wir geteilt. Du warst mein stetiger und so geschätzter Begleiter. Wir haben getanzt zu Depeche Mode und den Simple Minds, sind versunken in Beethoven und Bruckner. Wir haben die Welt erobert und zu Hause gechillt. Sind gemeinsam tagsüber durch die Stadt flaniert und haben es uns abends mit einem Single Malt vor dem Kaminfeuer gemütlich gemacht. Wir haben gelacht und geweint, geliebt und gestritten.

Du warst mein dunkler Anzug mit dem weißen Einstecktuch und mein Kaschmirpullover, der sich so sanft und weich um mich gelegt hat. Du warst eine runde Sache.

Doch Du hast Dich verändert. Oder habe ich mich verändert? Du warst mein dunkelblauer Begleiter. Doch plötzlich bist Du orange geworden. Und grün und gelb. Besonders sind mir Deine neuen Farben vor einigen Wochen aufgefallen. Ich habe Dich zurückgewiesen, überrascht, traurig, aber trotzdem noch hoffend. Nun bist Du wieder gekommen, die neuen Farben sind geblieben. Das ehemalige Blau ist nur noch ein entfernter Schatten. Leider.

So trennen sich unsere Wege. Wer soll die Leere füllen? Ratlosigkeit macht sich breit. Enttäuschung.

Adieu.
8 Antworten
Gfk vor 5 Jahren 5 2
9
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Ambivalenz - Ratlosigkeit - Entdeckung
Vor einem Jahr bin ich eingestiegen in die Welt der Souks, auf der Suche nach einem dezenten, herben Herrenduft und habe viele probiert. Und der Cravache von Piguet veranlasst mich, das erste Mal eine Bewertung zu schreiben, so bizarr waren meine Erlebnisse.

Auf Cravache habe ich mich besonders gefreut, da die Kommentare viele Eigenschaften nennen, die mich ansprechen. "Klassischer Herrenduft", selbst "Opa-Note", "wohliges Retro-Gefühl mit Charakter", "Gentlemanduft" - das kling gut. Und von Piguet kenne ich schon Bois Bleu und Bois Noir, besonders letzterer begeistert mich enorm, auch wenn er als Duft für mich nicht in Frage kommt (man lese den Kommentar von Zinken: "A Forest (The Cure)", er sagt alles).

Voller Erwartung ein Sprühstoß auf mein Handgelenk - ... - und als ich den Duft roch, fühlte ich mich, als sei ich in Frankreich in ein Pastis-Glas gefallen. Ich roch tatsächlich - ANIS - und so gut wie nichts anderes. Ich mag kein Anis. Wie kann das sein? Das passte gar nicht zu meinen Erwartungen und auch nicht zu den bisherigen Kommentaren. Liegt es an meiner Haut? An meiner Nase? Ist Euch so etwas auch schon einmal passiert?

Ich wollte es nicht wahrhaben und versuchte es einige Monate später erneut - und da ergab sich ein differenziertes Bild. Immer noch viel Anis, aber auch andere Noten kommen plötzlich zum Vorschein. Zunächst herbe Grapefruit, vielleicht Limette. Später meine ich Kräuter zu riechen, allerdings kann ich nicht definieren, welche. Auch Vetiver ist (nach einigen Stunden?) erkennbar.

Also ein für mich sehr komplexer Duft, der sich nicht sofort erschließt. Schreckt mich das Anis ab, oder "erarbeite" ich mir den Duft? Denn die Entwicklung über die Zeit fasziniert mich sehr, er wird immer besser.

Übrigens hielt ich zu Hause meiner Frau mein Handgelenk unter die Nase - sie kam von selbst nicht auf Anis, erst als ich sie direkt darauf ansprach, konnte sie meinen Eindruck nachvollziehen.

Habt Ihr schon einmal ähnliches erlebt?
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