Hannah

Hannah

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11 - 15 von 16
Hannah vor 10 Jahren 18 3
7.5
Flakon
2.5
Sillage
2.5
Haltbarkeit
6
Duft
Usucha
Ein spritziger und kräftiger Hesperidenstart frisch, herb, fruchtig. Ja - auch gedämpfte Teenoten und eine schöne Zitronengrassüße kann ich wahrnehmen. Kaum kitzelt dieser aromatischen Einstieg meine Nase, werden vereinzelte Blütenblätter und Zuckerstückchen in die Rakuschale geworfen und mit einem sandelhölzernen Teebesen gerührt. Ganz hübsch, aber hoppla, da sind dem Parfumeur wohl doch zwei Stück Zucker zuviel hineingerutscht. Macht nichts, wird mit Wasser verdünnt ... Was nach 15 Minuten auf meinem Arm bleibt, ist ein süßliches Zitronenaroma für 195,- Euro. Ist der Kommentar zu dünn und zu kurz? Er entspricht dem Duft und der Haltbarkeit.
3 Antworten
Hannah vor 10 Jahren 15 6
10
Flakon
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7.5
Duft
Holly Golightly
Roads: Glasklare, zylindrische Flakons mit feinem Schriftzug, reinweiße Verschlußkappen mit genialem Magnetverschluß, klar-helle Flüssigkeiten. Puristisch, reduziert, modern, schnörkellos. Wenn die Düfte dem Äußeren entsprechen, wäre das genau meine Richtung.

Und tatsächlich sind alle Roads-Düfte leicht, fein und perfekt. Man muß sich nicht aneinander gewöhnen, sondern Sympathie und Wohlgefühl sind vom ersten Moment an da - auch zu den Düften der Reihe, die ich mir nicht kaufen würde. Das ist vielleicht ein Punkt, an dem man einhaken kann: Was gefällig ist, ist uns auch schnell über. Das mag stimmen, aber mich haben Düfte, die ich auf Anhieb schön fand, am längsten begleitet.

This Weekend ist ein verspielter Duft der blumig-fruchtigen Richtung, der unglaublich optimistisch stimmt. Er duftet jung und auf wunderbare Weise unbekümmert ohne dabei Gefahr zu laufen, ins Alberne oder Kitschige abzugleiten. Auch wenn's Ewigkeiten her ist: Die junge Audrey Hepburn ist für mich die Verkörperung dieses Duftes. This weekend ist in gleicher Weise liebreizend, zart, apart, von natürlichem Anmut und Eleganz und auf liebenswerte Weise kokett.

Mandarine prägt den Duft - erfrischend und durch eine schöne Vanillenote gleichzeitig süß. Frischer Jasmin ist abrundend wahrzunehmen und in der Basis sorgen Moschus und Patchouly, beide dezent eingesetzt, für eine für gute Haltbarkeit - immer gemessen an der Luftigkeit des Duftes. This Weekend wirkt leicht, einfach, gradlinig, harmonisch und sehr entspannt. Nicht sonderlich ausgefallen, aber mit hohem Wohlfühlfaktor.

Wer der Urversion von Miss Dior Chérie nachtrauert und in der Erinnerung an diesen Duft zu Recht meint, daß etwas weniger Popcorn und Süße ihn vielleicht länger hätten am Markt überleben lassen, der muß unbedingt This Weekend probieren. Und wenn frau einen Duft sucht, der ihr ein Lächeln ins Gesicht zaubert, sie neugierig und optimistisch in den Tag schauen läßt und der eine postive Wirkung auf die Umgebung hat - bitte testen. Einer Frau, die diesen Duft trägt, kann man fast nichts übel nehmen ...
6 Antworten
Hannah vor 10 Jahren 23 8
7.5
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9
Duft
Neu entflammt ODER alte Liebe rostet nicht.
YSL In Love again - ich weiß es noch wie heute: Eine längere Autofahrt im Jahr 1998 von Braunschweig nach Wuppertal; im stockenden Verkehr ziehe ich das Pröbchen eines neuen Duftes aus meiner Handtasche und bin vom ersten Moment an hin und weg: Einen so bezaubernden, heiter stimmenden Duft hatte ich noch nie im Leben gerochen.

Damals wußte ich weder, was eine Duftpyramide ist, noch hätte ich die einzelnen Bestandteile eines Duftes erkennen können. Meine ungebildete Nase unterschied lediglich "mag ich" und "mag ich nicht", bestenfalls noch "mag ich - aber nicht für mich". Sie hatte allerdings schon so viel Gespür zu merken, daß dieser Mainstreamer (das Wort kannte ich damals noch nicht) nicht nur verdammt gute Laune zaubert, sondern sich auch deutlich vom Gängigen abhob.

Wahrscheinlich gibt es kein anderes Parfum, das drei meiner Lieblingsgerüche vereinigt: das Aroma von schwarzen Johannisbeeren, den intensiv-krautigen Duft von Tomatenrispen und feine, frische Rosenblüten. Besonders Cassis und Tomatenstrauch sind keine Kombi, die eine sichere Bank für einen Parfumeur bildet. Beide sehr speziell, intensiv und nicht jedermanns Sache. Daß sie sich auf so harmonische Weise in diesem aromatischen Duft zusammenfügen, sich besänftigen, anfeuern und miteinander verschmelzen, macht Nase und Seele glücklich und ist ganz sicher der Virtuosität des Transparentduftkönners Jean-Claude Ellen zuzuschreiben.

In love again wurde eine meiner wirklich großen Duftlieben. Parfums, von denen ich das gleichfalls sagen könnte, gab es im Lauf meines Duftlebens nur eine Handvoll. Unmittelbar nach meiner Rückkehr mußte ich den Flakon kaufen. Zugegeben war es die Zeit, als noch nicht 40 Flakons in meinen Schränken standen, aber ich habe ihn komplett aufgebraucht und wieder nachgekauft. Es gibt nicht viele 100 ml Flakons, mit denen mir das gelungen ist.

Jahre später wurde diese traumhafte Duft vom Markt genommen und als er 2011 als Relaunch im seltsam unhandlichen Flakon in Unfarbe erschien, habe ich ihn sofort und blind in England bestellt. Die Enttäuschung folgte prompt: Das war nicht mehr mein Duft! Der neue war stechend, er wirkt plump, kantig und vor allem fehlt ihm die herrliche Tomatenstrauchnote. Er blieb nicht lange bei mir.

In diesem Monat hatte ich das Glück, einen neuen, unbenutzten und noch originalverpackten In Love again kaufen zu können. Als inzwischen mit vielen Wässerchen gewaschene Duftkennerin ist das Öffnen eines Flakons zwar immer noch ein schönes Ritual, aber so aufgeregt wie bei In Love again war ich ewig nicht. Ist er noch gut, genau so wie früher, habe ich ihn in meiner Erinnerung verklärt und war er vielleicht gar nicht so schön? Rostet alte Liebe möglicherweise doch?

Er IST mein Duft und genau so, wie ich ihn schon vor Jahren geliebt habe. Im Auftakt delikate, dunkle, unsüße Beeren - herbe, schwarze Johannisbeeren und weiche, sanfte Heidelbeeren, zu denen sich bald eine junge strahlende Rose und spritzige Grapefruits gesellen. Wo andere Fruchtdüfte entweder unangenehm säuerlich oder aber beerig-klebrig-zuckrig daherbekommen, besticht In Love again durch eine appetitliche, milde Frische und Harmonie. Den Kick liefert ohne Frage das Tomatenrispenaroma, ohne dabei dominat zu werden. In Love again ist eine kühle, aber nicht unnahbare Schönheit voller Lebensfreude. Optimistisch, aber nicht unernst. Jung und doch erwachsen. Trotz der Beeren gibt es keine Gourmandanklänge. Wodka als alkoholische Note erkenne ich nicht, aber vielleicht ist er es, der das Cassisaroma verstärkt und auf angenehme Weise kühlt. Moschus rundet den Duft sanft ab und gibt ihm die für einen frischen Sommerduft relativ unübliche Haltbarkeit über den ganzen Tag.

Die vielen Jahre in der OVP haben meinem Duft übrigens gar nichts ausgemacht. Er ist absolut frisch. Wer sich noch einen Flakon sichern möchte, braucht keine Angst vor einer gekippten Kopfnote zu haben. Sollte auch dieser Flakon irgendwann leer sein und Nachschub nicht mehr zu besorgen, wäre für mich Cartiers L'heure folle ein würdiger Nachfolger. Im Charakter wie auch in der stimmungsaufhellenden Wirkung hat er viel mehr Ähnlichkeit mit In Love again (1998) als der reformulierte Duft - wenn auch ohne Tomatenkraut.
8 Antworten
Hannah vor 10 Jahren 8 2
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8
Duft
Mademoiselles stillere Schwester
Samstagmorgen, Parfümerie Liebe in Hannover. Üblicherweise führt mein Weg direkt zu den Neuerscheinungen, die auf einem Tablett sprühbereit zusammengestellt sind. Doch noch bevor ich sie erreiche, ziehen drei Schönheiten, die wie Schmuckstücke in ihren Kartonagen präsentiert sind, meine ganze Aufmerksamkeit auf sich: Edle Glasflakons als angedeutete Oktogons geschliffen, die Seitenwände sanft gerundet, ein feines Seidenbändchen zwischen dem Flakon und der schweren goldenen Verschlußkappe (es ist nicht der Flakon, der auf dem Parfumobild gezeigt wird), auf der Rückseite ein kalligraphisches H. Wer so aufwendig gestaltete Flakons wählt, muß doch auch etwas Wunderbares einfüllen. Die Duftflüssigkeiten in rosé, zartgold und in einem hellen Honigton perfektionieren das hübsche Äußere.

Auch auf dem Duftstreifen geben sie sich alle drei ansprechend, aber Broderie bringt mir letztlich doch zu viel Weißblühendes in Form von Gardenien und Lilien in die Nase und Goldie ist ein süsslicher, warmer Schmeichler für die kühle Jahreszeit. Only for Her ist mein Favorit, darf auf's Handgelenk und nun wird den ganzen Tag durch die Stadt geführt, immer wieder in verschiedenen Situationen (in der Holländischen Kakaostube, bei Mäntelhaus Kaiser, draußen vor'm Kröpcke) erschnuppert und taxiert, bevor der 100 ml-Flakon am Nachmittag für 150,- Euro mit nach Hause darf.

Zuhause dusche ich die Stadt ab und es folgt der spannende Moment, meinen neuen Duft aus der Verpackung zu nehmen, den Flakon noch einmal bewundernd anzuschauen, um vorsichtig den Sprühkopf das erste Mal zu drücken - begleitet von etwas bangen Zweifeln, sich doch hoffentlich nicht getäuscht zu haben. Entwarnung - Only for her ist auch zuhause noch schön. Das ist auch der Punkt, wo ein Kritiker einhaken könnte: Hier erschnuppert man keine überraschenden Verbindungen und keine gewagte und innovative Lancierung, sondern nur einen schönen Duft. Das ist für meine Nase allerdings heute und meistens durchaus genug.

Only for her lädt mich mit einer kräftigen, fruchtig-blumigen Kopfnote aus sonnenverwöhnter Grapefruit und Freesie ein. Die anfänglich etwas herbe Frische wird schnell durch Blumiges (Jasmin, Magnolie, Pfingstrose, Kardamon) zu einem herrlich schimmernden Bouquet gebunden. Tatsächlich - der Duft schimmert und strahlt in einem zarten Apricot. Fein ausbalanciertes Sandelholz, Patchouli und Vanille geben ihm Tiefe und machen Only for her zu einem charmanten Florientalen. Modern-elegant, harmonisch, sinnlich, mit hohem Wiedererkennungswert. Doch halt: Diesen selbstbewußten Auftritt kenne ich doch und muß auch gar nicht lange überlegen: Die einprägsame und schillernde Coco Mademoiselle vergisst man nicht so leicht!

In den ersten 20 Minuten nach dem Aufsprühen ist Only for her eine Duftschwester, aber es gibt Unterschiede, wenn auch nicht grundsätzlicher, sondern eher gradueller Art. Während die strahlende Mademoiselle den gesamten Raum und den ganzen Abend für sich einnimmt, mit ihrem freizügigen Dekolleté keineswegs geizt, immer ein klein wenig zu laut lacht und und keck ihre Patchouli-Vanille-Komponente zur Schau trägt, bis manch zarte Seele sich stirnrunzelnd lieber anderen zuwendet, ist Only for her dezenter. Auch sie strahlt, wenn sie den Raum betritt und sie sprüht vor Lebensfreude, doch wenn sie ihren Auftritt hatte, kann sie sich auch zurücknehmen. Ihre Patchouli-Vanille ist weniger dominant und durch anschmiegsames Sandelholz gezügelt. Allerdings wird sie schneller müde als Ihre Schwester. Während die sich bis spät in die Morgenstunden nahezu ohne Ermüdungserscheinungen vergnügt, läßt die Schwester den Abend ruhig ausklingen und verlässt die Party bereits um Mitternacht.

Will sagen: Der Auftakt ist ähnlich strahlend, umwerfend und raumgreifend. Coco Mademoiselle hält dieses Niveau ohne große Veränderungen aber über viele Stunden aufrecht, was für die Mitmenschen mitunter anstrengend sein kann, während Only for her sich mit einem selbstbewußten Auftritt begnügt und nach ca. einer Stunde zum schmeichelnden, aber nicht mehr so auffälligen Skinduft wird. Das muß nicht nachteilig sein, denn dadurch ist Only for her durchaus als Büroduft tauglich. Coco Mademoiselle mag glamouröser sein, die stillere Schwester ist deshalb keineswegs langweilig, nur eben ein bißchen weniger plakativ.
2 Antworten
Hannah vor 10 Jahren 40 11
9
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
Frühlings Erwachen
Roja Dove ist die Diva unter den Parfumeuren. Mit seinem Namen verbinde ich Exklusivität, Eleganz und Glamour, der gelegentlich auf dem schmalen Grat zum Protzigen wandelt. Er ist der Meister der Opulenz und des großen Auftritts. Auch wenn Roja Dove sich selbst als innovativen Geist sieht, würde ich ihn eher als klassischen Parfumeur bezeichnen, denn seine Düfte stehen in der Tradition großer klassischer Kreationen wie Shalimar, Mitsouko und Chanel No. 5. Dabei ist Jasmin sein Lieblingsduftstoff, den er ihn jedem Duft einsetzt. Auf mich wirken Danger, Enslaved, Unspoken & Co. wie Fossile in unserer coolen und an kurzlebigen Trends orientierten Zeit. Daß auch Roja Dove durchaus Dufttrends folgt, zeigen sein Oudkreationen. So ist Amber Oud für mich ein außergewöhnlicher Schmeichler mit einer süßen, reichen und weichen Tiefe; ein Duft, der Ruhe und Exklusivität ausstrahlt. Ja, ich bewundere und schätze Roja Doves Leidenschaft, sein Konzept, sein Können und seine Duftkompositionen aufrichtig. Aber würde ICH sie auch tragen?

Wahrscheinlich bin ich genau der Typ, den sich Roja Dove NICHT für seine Düfte vorstellt. Ich mag es puristisch reduziert, klare und einfache Linien, trage meist schwarz und alles bitte ohne Rüschen, Steinchen und Glimmer. Ich schätze Zurückhaltung mehr als Rampe und Licht - und Jasmin ertrage ich nur in homöopathischen Dosen. Jean Claude Ellena sollte mir mit seinen transparenten Entwürfen deutlich näher sein als Roja Dove - und trotzdem mußte ich mir im letzten Jahr ganz unbedingt das elegante, sinnlich-erotische Danger kaufen. Das Dilemma meines ambivalenten Verhältnisses zu Roja Dove Düften zeigt sich allerdings darin, daß ich an Danger deutlich häufiger nur ausgiebig schnuppere, als daß ich ihn wirklich trage.

Der Meister macht es uns nicht leicht, seine komplexen Düfte überhaupt zu testen. In Norddeutschland gibt es meines Wissens keine Parfümerie, die sie führt. Duftproben zu kaufen, ist sogar auf internationalem Parkett fast unmöglich. Diese Verknappung soll vermutlich die Exklusivität erhöhen und den Kaufanreiz steigern, ich finde sie nur bedauerlich. Darum war ich schnell vor Ort, als das Quartier 206 in Berlin im vergangenen Jahr Roja-Düfte aufnahm und bei meinem letzten Besuch fielen mir die 2013 lancierten Soliflors Gardenia, Vetiver, Neroli, Bergamot und Lilac ins Auge. Nicht, daß die Flakons anders ausgesehen hätten - es sind die üblichen rechteckigen Klarglasflakons, bei denen die Kappe dicht an dicht mit dicken Klunkern besetzt ist. Nein, es war die hellere Farbe des Inhalts, die mich ansprach und die weißen Flakonlabels. Wenn ich eine neue Duftserie ausprobiere, greife ich regelmäßig zunächst zu den fast farblosen Düften, weil ich diese Helligkeit in der Struktur der Düfte wiederzufinden hoffe. Farblos oder hell nehme ich gern als Anhaltspunkt für Leichtigkeit, Frische, Transparenz und eine eher minimalistische Zusammensetzung (ich weiß, die Roja Crystal Parfums sind durch eine spezielle Destillationstechnik farblos und trotzdem üppig). Das wiederum würde mir sehr entgegenkommen, denn eigentlich möchte ich an Düften nicht nur schnuppern, sondern sie auch mit Freude tragen. Da ich Flieder liebe, der Frühling in voller Blüte steht und es authentische Fliederdüfte, die nicht nur Jungmädchensoliflors sind, nur sehr wenige gibt, griff ich direkt zu Lilac. Ist der Name hier Programm oder glaubt man der Duftpyramide, in der Flieder gar nicht aufgeführt ist? Wie geht der traditionelle Bauerngartencharme des Flieders mit den anspruchsvollen Duftkompositionen des Herrn Roja Dove zusammen?

Probieren geht über Studieren, also aufgesprüht: FLIEDER - eindeutig. Intensiv, charmant, natürlich und strahlend erweckt er die Vorstellung, daß ich meine Nase dicht an die Dolden des üppig blühenden Fliederstrauches halte und den lieblichen Duft tief einatme. Reines Weiß, gefüllte Blüten, gerade aufgeblüht. Diese perfekte Illusion des Flieders wird durch Jasmin, Rose, Heliotrop, Orangenblüte, Veilchen, Pfirsich und Ylang-Ylang geschaffen. Bergamotte nimmt der Fliedrigkeit das allzu Betörende und frischt sie auf. Es trifft exakt die Stimmung, die ich im Moment in meinem niedersächsischen Dorf erlebe. Alles grünt, sprießt und strotzt vor Lebensfreude. So duftet ein herrlicher Frühlingstag!

Und doch ist es ein geschickter Schachzug, daß der Flieder diese Dominanz nicht länger als zehn Minuten aufrecht erhalten kann. Noch bevor sich ein Überdruß, ein Gedanke an Kitschigkeit oder gar erster Kopfschmerz regt, wird der Duft im schönen Zusammenspiel von grünen, pudrigen, holzigen, balsamischen und (eichen)moosigen Noten beruhigt, verliert das übermütig Strahlende und wird erwachsen. Die Blumigkeit wird gedämpft und der Duft bleibt nun nah am Körper. Mild, sanft und geschmeidig mit deutlich moosigem Unterton zeigt er sich jetzt und bleibt lange in dieser geerdeten, gedimmten Stimmung, aus der nur ab und an doch noch einmal die frischen Fliederblüten hervorlugen. Die Komponenten sind für mich nicht einzeln wahrnehmbar, sondern harmonisch verwoben. Wunderbar gemacht

Lilac ist kein pfiffiger Frühlingsduft für jede Stimmung und jeden Typ. Ich betrachte ihn nur in der Kopfnote als Fliedersoliflor. Sobald diese verflogen ist, entpuppt er sich als echter floraler Roja Dove mit einer großen Zahl feiner Zutaten. Der Jasmin hat keine indolische Tendenz und auch andere "unsaubere" Noten sind Gott sei Dank für mich nicht wahrnehmbar. Der Blumenduft wird, wie gesagt, durch die moosigen Einflüsse vor zu viel Pathos, Geltungsdrang und Madamigkeit bewahrt - allerdings zu Lasten seiner Strahlkraft. Lilac ist rund, aber nicht opulent oder gar erschlagend, er ist hell, nicht süß und vor allem wegen der Kopfnote eher ein Damenduft. DEN trage ich und in dieser Jahreszeit ganz besonders gern. Und zwar ohne das Gefühl, mich damit „verkleidet" zuhaben.

Daß gut gemachte Düfte Ihren Preis haben, ist nicht neu. Ich meine gelesen zu haben, daß Roja Dove seine Düfte am liebsten als Extraits verkaufen möchte. Das mag aus seiner Sicht nachvollziehbar sein, aber Lilac wird auch tatsächlich nur als solcher mit 50 ml für stolze 365,- Euro angeboten. Ob das objektiv gesehen ein angemessener Preis ist, steht - wie bei vielen Luxusgütern - auf einem anderen Blatt.
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