Isidor

Isidor

Rezensionen
Isidor vor 9 Monaten 12 6
9
Flakon
7
Sillage
9
Haltbarkeit
9.5
Duft
Nachtgefühl
Es ist irgendwann zwischen drei und fünf. Der Himmel ist so schwarz wie die Pferde deines Gedankenkarussells. Der letzte Rest Rum aus deinen Vorräten sollte dir beim Einschlafen helfen, doch dein Geist lässt sich nicht von etwas leuchtender Flüssigkeit betäuben, wenn die Sonne so fern scheint.

Ein Strudel hat dich im Griff:

Du drehst dich im Kreis, wie die Rauchschwaden deiner Kippe, die du am offenen Fenster rauchst: auf die asphaltfarbene Stadtlandschaft unter dir starrend und nichts dabei sehend.

Du mäanderst zwischen heute und damals, seitdem du dir die von jemand der dir mal wichtig war zurückgelassene Lederjacke über dich geworfen hast: die kalte Haut schützt dich vor der nächtlichen Frische, die eingebrannten Erinnerungen fließen wie Lavaströme über deine papiernen Wangen.

Du kreiselst um die Leerstelle in dir: Es wird Zeit ein neues Kapitel zu beginnen, die Tuscheschemen, Tintenflecken und Tränenpatzer der letzten Seiten hinter dir zu lassen. Aber das weiße Blatt deiner Geschichte macht dir Angst, so wie das Morgengrauen, das nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.

So gibst du dich dem Wirbel und der Nacht hin, der gestrigen Fülle und dem heutigen Nichts.

Die ersten Fenster funkeln dich golden an, während der Mond leise seinen Abgang macht.
Bevor dich die Sonnenstrahlen und Abgasgerüche des beginnenden Tages erreichen können, machst du deine x-te Zigarette aus, lässt das leere Glas als Opfergabe für einen Neuanfang auf dem Fensterbrett stehen und die schwere Lederjacke zu Boden fallen. Sie bleibt liegen wie ein an der Scheibe abgeprallter Vogel.

Das Ende aller Tage ist die Nacht, und das Ende dieser Nacht bist du.
Die Spirale hört auf sich zu drehen. Endlich fallen deine Augen zu.

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(Musik zum Duft: TR/ST – Destroyer)
6 Antworten
Isidor vor 2 Jahren 11 3
9
Flakon
7
Sillage
8
Haltbarkeit
7.5
Duft
Aus dem Leben eines Sofas.
"Hallo. Ich bin Sofa. In meinem ersten Leben habe ich in einer kleinen Mietwohnung gelebt. Als mein Sitzer Bernd nach vielen Jahren endlich eine Sitzerin kennengelernt hat, wurde die Wohnung zu klein – und ich leider auch. Außerdem fand die Sitzerin mich auch nicht so schick. Scheinbar sehe ich aus wie ein Junggesellenaccessoire mit meinem dunkelgrauen, etwas durchgesessenen Leder. Kurz darauf zogen die beiden weiter – und ich landete auf der Straße, zusammen mit einigen Kumpanen aus dem Hausrat. Drei Tage und zwei Nächte standen wir so rum. Sonne und Regen, Hunde und Kippen. War schon mal ganz aufregend, aber nicht so wirklich schön. Und dann kamen drei Jungs vorbei und zerrten mich in den Kofferraum eines beuligen Vans. Da war ich so dankbar darüber, dass ich ihnen gar nicht krummgenommen habe, dass dabei mein linker vorderer Holzfuß ziemlich verschrammt wurde und sogar ein bisschen Holz abgesplittert ist. Aber ich stehe trotzdem noch wacker. Jedenfalls brachten sie mich in mein neues Zuhause – einen Proberaum! Da stehe ich jetzt seit drei Jahren in der Ecke. Und was das für drei Jahre waren bisher – auf mir wurden laute Songs geschrieben, wilde Partys gefeiert, einsame Nächte mit Bier und Tränen begossen und sogar zu zweit gestapelt gelegen. Bei Bernd damals hatte ich es natürlich gemütlicher, aber mein zweites aufregendes Leben als Bandmitglied möchte ich nicht missen – auch wenn ich inzwischen etwas verlebt aussehe und rieche. Was soll’s – Rock ’n’ Roll!"
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