JPDSY

JPDSY

Rezensionen
JPDSY vor 1 Jahr 30 8
8
Flakon
6
Sillage
8
Haltbarkeit
10
Duft
Das verbotene Parfüm
Als Jugendlicher hatte ich immer mal so Phasen, in denen ich mich ohne näheren Grund tief in beliebige Thematiken eingelesen habe, weil ich sie aufregend "anders" und für mein damals sehr einfaches Umfeld "ungewöhnlich" fand. So erlangte ich früh Interesse an moderner Kunst, Schiffsbau, alten Uhren, analoger Fotografie, (Landschafts-)Architektur, und insbesondere auch Mode und Kosmetik. So kam es auch, dass ich aus irgendeinem Grund eine enorme Faszination für Tom Ford entwickelte, und zwar sowohl seine Mode, ihn als Person als auch für sein künstlerisches Werk, wie z.B. "A Single Man". Ich verbrachte Stunden auf dem damals ganz neuen "Instagram", verschlung englische Modemagazine und las Interviews. Ohne, dass ich es bemerkte, entwickelte ich langsam eine Vorliebe für die Mode und Designwelt, was mein Umfeld für sehr befremdlich hielt.

Tom Ford hatte - so las in ich seinen Interviews - schon immer eine persönliche Vorliebe für gute und schwere Parfüms. Ich hatte damals mit 15 kein einziges, ja, noch nie ein solches benutzt. Also musste ich mir diese noch unbekannte Welt unbedingt erschließen, auch weil ich weitgehend ohne Parfüms in meinem Elternhaus aufgewachsen bin. Allerdings war ich schon immer sehr geruchssensibel, habe als kleines Kind Rosenblätter in Alkohol eingelegt, um "Parfüm" zu kreieren, war fasziniert von indischen Gewürzen, und Blumengärten. Ein Parfüm musste her, und natürlich musste es von Tom Ford sein.

In dem Jahr, als ich diese Entscheidung traf, kam ganz frisch "Noir (Eau de Parfum) | Tom Ford" (ja, ist noch gar nicht so lange her) raus, und ich war begeistert von den ersten Rezensionen und der mysteriösen, so gar nicht jugendlich-passenden warm-würzigen Tiefe, die dieser Duft haben sollte. Anscheinend habe ich doch meine Eltern mit dem Parfümthema gequält, denn zu Weihnachten gab es einen Gutschein für mein erstes richtiges Parfüm, welches ich mit meiner Mutter zwischen den Jahren in dem lokalen Douglas aussuchen sollte. Im Douglas angekommen, schritt ich direkt auf das Tom Ford Regal zu und sprühte den Noir auf einen Teststreifen. Auch wenn ich aufgrund der Kopfnote (dazu gleich) direkt nicht viel wahrnehmen konnte, war ich begeistert und hatte ja eigentlich bereits zuvor meine Kaufentscheidung getroffen. Dann kam eine Verkäuferin penetrant hinzu und sagte zu meiner Mutter: "Das ist aber kein junges Parfüm, sondern eher für ältere Herren. Das passt nicht, kann ich nicht empfehlen". Ergebnis: Noir war unerwünscht, von Douglas, und somit auch von meiner Mutter, die unerfahren natürlich auf die (ebenso unerfahrene) Verkäuferin hörte. Wir verließen das Geschäft mit "Allure Homme Sport (Eau de Toilette) | Chanel". Ich war nicht begeistert.

Zu Hause angekommen, packte ich den Teststreifen aus der Jackentasche. Ich war hin und weg - so eine Tiefe und Wärme, die mich so perfekt beschreibt. Ich wusste, dass ich hier meinen Signatureduft gefunden habe, der mir jedoch bisher verboten blieb. Also sparte ich 6 Monate auf den Flakon und kaufte ihn mir selbst.

Bis heute (10 Jahre später) trage ich ihn im Winter wie Sommer, tagsüber wie abends. Es ist mein Signaturduft geblieben und war mein erstes richtiges Parfüm, trotz der über 50 Nischendüfte in meiner Sammlung. Ich glaube, ich habe bereits über 15 Flakons verbraucht. Meine Mutter liebt ihn heute auch sehr...

Zum Duft:

"Noir (Eau de Parfum) | Tom Ford" öffnet relativ unspektakulär und grün. Der Pfeffer, die Bergamotte und das Veilchen sind definitiv wahrnehmbar. Der Duft ist nicht süß und hat nicht diese typische Frische von Designerdüften. Ja, es gibt Ähnlichkeiten zu "Fahrenheit Parfum | Dior", aber wirklich nur in der Kopfnote. Der Drydown hingehen ist zum Dahinschmelzen und total anders: Ich habe noch nie einen so emotional-warmen Duft, der so perfekt ausbalanciert ist, wahrgenommen. Er lässt einen träumen und fühlt sich an, als läge man in einer rosigen Sauna, eingehüllt in Kashmir, mit Blick auf den Sonnenuntergang. Insbesondere gefällt mir, dass "Noir (Eau de Parfum) | Tom Ford" kaum süß ist, aber auch kein bisschen trocken oder erdig. Damit wirkt er sehr zeitlos-klassisch, manche Menschen würden sagen, zu "altbacken". "Noir Extreme (Eau de Parfum) | Tom Ford" ist dagegen viel zu süß und hat somit kaum ernstzunehmende Ähnlichkeit. Duftnoten zu beschreiben, ist hier wirklich nicht einfach. Man nimmt definitiv den Patchouli wahr, der aber eher warm und kaum erdig-grün ist. Champion sind in dieser Kombination die Harze und Amber sowie die ausbalancierende Rose, die aber wirklich nur ausgleicht und kaum als Rosengeruch hervorsticht. Was bleibt, ist ein Gemisch an Wärme, unglaublich verführerisch, sexy, zeitlos, klassisch, elegant und weiterhin ungewöhnlich.

Ich wünschte, die Topnote wäre etwas näher an der Basis. Das einzige Parfüm, das ansatzweise an den Geruch von Noir's Drydown herankommt, ist "Cuirs Nomades - African Leather (Eau de Parfum) | Memo Paris", jedoch nur mit Abzug der Süße, die in Noir kaum vorhanden ist.

Die Haltbarkeit ist sehr gut, wobei der Duft nach 5 Stunden zu einem Skin-Scent wird. Dann bleibt er aber auch den ganzen Tag über auf der Haut wahrnehmbar. Sillage ist auf meiner Haut leider schlecht. Wie schade!

Es gibt Gerüchte, "Noir (Eau de Parfum) | Tom Ford" sei discontinued und würde nur noch als Restbestand angeboten werden. Das wäre furchtbar, da es wirklich kein vergleichbares Parfüm auf dem Markt aktuell gibt. Vielleicht wird es für mich also immer verboten bleiben, und es war alles Schicksal...
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