09.03.2020 - 09:41 Uhr

FvSpee
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FvSpee
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34
Lavendel-Innovationen No 2: Tschaikowski.
In der ganzen riesigen Parfumo-Datenbank gibt es soweit ich sehe, nur zwei Parfüms (noch dazu völlig unbekannte), die Senf enthalten. Invasion Barbare enthält auch keinen. Ich habe diesen Einleitungssatz zur gewählt, weil ich jetzt auch noch meinen Senf dazugebe. Was eigentlich nicht sooo nötig ist, weil hier schon sehr viele sehr gute Kommentare zu diesem Duft vorliegen (eigentlich hatten ALLE bisherigen Rezensenten aus meiner Sicht Treffendes und Schönes beizutragen).
Aus meiner Sicht ist Invasion Barbare ein Two-In-One-Produkt. Wir haben zunächst mal einen etwa 30 Minuten andauernden super innovativen Unisex-Retro-Duft, dann folgt ein CUT und dann kommt ein etwa 8 Stunden anhaltender, ebenfalls witziger und innovativer, aber etwas konventioneller Herrenduft mit starkem Lavendel-Anteil. Die beiden Düfte haben eigentlich nicht viel miteinander zu tun. Ich nenne sie mal "Invasion" (30 Minuten) und "Barbare" (8 Stunden).
Invasion ist wirklich bezaubernd. Ein OH-, AH-, TOLL-Duft. Ich habe den erstmals parallel mit Oud von Piguet getestet, einen auf dem rechten, einen auf dem linken Arm. Erwartet hatte ich bei Oud was Schönes und bei Invasion Barbare angesichts des Namens irgendwas bizarr Hässliches wie die "Prächtigen Ausscheidungen" vom "Oranje Freistaat". Lustigerweise kam es genau umgekehrt, ich war von "Invasion" total hingerissen. Die angeblich vorhandene Zitrik spüre ich nicht eigenständig, ich rieche hier eine ungemein weiche, sanfte, samtige, fast cremige Blumigkeit mit grünen Einschlägen, eine moderate Süße vermählt mit einer wuchtigen, aber nicht erschlagenden Herbheit, dadurch nie ins Schwülstige oder Süßliche kippend. Durch die starke Blumigkeit und zu vermutende leichte aldehydische Einschläge ist Invasion zwar für Männer (jedenfalls für echte Männer, die keinen Machoduft als Männlichkeitsprothese brauchen) absolut tragbar, aber alles andere als ein klassischer "Herrenduft". Der Duft ist in einer nicht eindeutig in eine bestimmte Gender-Ecke zu steckenden Weise sinnlich (und zugleich melancholisch). Er wirkt auf mich in einer ähnlich unspezfischen Weise "retro" bzw. auf gelungendste moderne Weise anknüpfend an Vorstellungen alter Parfümherrlichkeit, immer weiter zurück, Roaring Twenties, Secession, ja bis hin zum Empire, wie die bereits neulich von mir erwähnten Düfte der Luxusserie von 1907 (dass ich ständig an die denken muss, heißt vielleicht, dass ich sie kaufen sollte?).
Nach etwa 20 Minuten deutet sich das Ende von Invasion durch eine Zunahme der herben, strengen Noten an. Sie werden dann dichter, dunkler und muten fast animalisch-bedrohlich an. Interessanterweise lässt sich in dieser kurzen Übergangsperiode dann bei mir zum ersten Mal auch der Lavendel blicken, mit dem man ja eigentlich nicht besonders grauenerregende Vorstellungen ("Larry der Killer-Lavendel") verbindet. Damit geht Invasion dann unter. Mit "Invasion" nur durch einen dünnen Lavendel-Faden verbunden beginnt dann "Barbare".
"Barbare" erinnert mich stark an Tschaikowskis "Ouverture 1812". Das Werk soll ja den französischen Überfall auf Russland 1812 nachzeichnen. Als Stilmittel für die wechselhaften Kämpfe zwischen Napoleon und den Russen wird daher immer mal wieder die Marseillaise und die russische Hymne "eingeblendet" und so wogt es dann so hin und her mit dem Schlachtenglück. Ein bisschen so ähnlich kommt mir das auch hier vor. In den ersten Stunden von "Barbare" steht nämlich mal mehr ein strahlender, kraftvoller, starker, manchmal sogar heller und klarer Lavendel im Vordergrund (der aber eine erhebliche Durchschlagskraft hat und nicht ätherisch-gestaltlos daherweht), manchmal aber auch eine orientalische Würzigkeit, die eine fast eukalyptische Frische mit einer ledrig-dunklen Variante von Old-Spiceismus verbindet. So geht das also nun hin und her, und was die beiden Pole zu einer Einheit verbindet ist hier eine Klammer aus Solidität und Kraft. Auch wenn der Duft keine brüllende Sillage hat, möchte man ihm nicht unbedingt alleine auf der Straße begegnen.
Nach etwa 2 Stunden wird "Barbare" dann spürbar süßer und insgesamt einheitlicher, die Dualität kommt dann eher zur Ruhe. Die Lavendelpudrigkeit bleibt bis zum Ende spürbar, also etwa 8 Stunden lang, hinzu kommt aber eine spezifische, ins Seifige gehende Süße, die beim hautnahen Riechen fast stechend wirkt. Schnuppert man mit Armlängenabstand, nimmt man sie nicht wahr. Da ist dann eher die hier schon beschriebene trockene Lavendelsauberkeit zu riechen. Der Duft wirkt in dieser Phase noch immer fest, aber nicht mehr schwer. Balsaholz sozusagen. Irgendwann dimmt dann alles süß-pudrig aus. "Barbare" ist damit zwar nicht total linear, aber schon insgesamt deutlich als einheitlicher Duft zu erkennen, und als eindeutiger Herrenduft.
Ich bin etwas ratlos, was ich davon halten soll. Invasion finde ich toll, das haut mich um und ist etwas ganz Besonderes, wo aber die Frage erlaubt ist "ist das alltagstauglich"? Und es dauert halt nur eine halbe Stunde. Barbare finde ich auch sehr schön, ein toller klassischer Herrenduft, vielleicht so vom Kaliber eines Antaeus (keine Duftzwillinge!), aber da stellt sich schon verschärft die Frage, ob man dafür so ein Schweinegeld ausgeben soll. Angesichts dessen, dass das Näschen an meiner Seite weder Invasion noch Barbare mag und wegen des potthässlichen Porzellankopfes werde ich von einem Kauf dann eher Abstand nehmen.
Natürlich muss ich mich auch zum Namen auslassen: "Invasions Barbares" (im Plural) bedeutet im Französischen einfach "Völkerwanderung". "L'age des invasions barbares" ist das Zeitalter der Völkerwanderung. Da sieht man es eben: Was aus germanischer Sicht zum fröhlichen Betriebsausflug mit Bergstiefeln und Tirolerhut erklärt wird, kommt bei unseren lateinischen Freunden eher als Eindringen raubender, brandschatzender und notzüchtigender Horden rüber. Frage der Perspektive. Mein Französisch ist aber nicht fein genug, um zu beurteilen, was es zu bedeuten hat, wenn der Begriff im Singular gebraucht wird. Denkt der durchschnittliche Jean-Pierre dann trotzdem an "Völkerwanderung" oder heißt es dann wirklich eher so etwas wie "barbarische Invasion"? Keine Ahnung. Und ich hab auch keine Ahnung, wie man diesen Duft mit der Völkerwanderung oder generell mit einer Invasion zusammenbringt. Vielleicht haben die Römer ja nach Lavendel gerochen, aber die Germanen sicher nicht nach Old Spice, eher nach Old Schweiß. Der Vorhang zu, und alle Fragen offen.
Aus meiner Sicht ist Invasion Barbare ein Two-In-One-Produkt. Wir haben zunächst mal einen etwa 30 Minuten andauernden super innovativen Unisex-Retro-Duft, dann folgt ein CUT und dann kommt ein etwa 8 Stunden anhaltender, ebenfalls witziger und innovativer, aber etwas konventioneller Herrenduft mit starkem Lavendel-Anteil. Die beiden Düfte haben eigentlich nicht viel miteinander zu tun. Ich nenne sie mal "Invasion" (30 Minuten) und "Barbare" (8 Stunden).
Invasion ist wirklich bezaubernd. Ein OH-, AH-, TOLL-Duft. Ich habe den erstmals parallel mit Oud von Piguet getestet, einen auf dem rechten, einen auf dem linken Arm. Erwartet hatte ich bei Oud was Schönes und bei Invasion Barbare angesichts des Namens irgendwas bizarr Hässliches wie die "Prächtigen Ausscheidungen" vom "Oranje Freistaat". Lustigerweise kam es genau umgekehrt, ich war von "Invasion" total hingerissen. Die angeblich vorhandene Zitrik spüre ich nicht eigenständig, ich rieche hier eine ungemein weiche, sanfte, samtige, fast cremige Blumigkeit mit grünen Einschlägen, eine moderate Süße vermählt mit einer wuchtigen, aber nicht erschlagenden Herbheit, dadurch nie ins Schwülstige oder Süßliche kippend. Durch die starke Blumigkeit und zu vermutende leichte aldehydische Einschläge ist Invasion zwar für Männer (jedenfalls für echte Männer, die keinen Machoduft als Männlichkeitsprothese brauchen) absolut tragbar, aber alles andere als ein klassischer "Herrenduft". Der Duft ist in einer nicht eindeutig in eine bestimmte Gender-Ecke zu steckenden Weise sinnlich (und zugleich melancholisch). Er wirkt auf mich in einer ähnlich unspezfischen Weise "retro" bzw. auf gelungendste moderne Weise anknüpfend an Vorstellungen alter Parfümherrlichkeit, immer weiter zurück, Roaring Twenties, Secession, ja bis hin zum Empire, wie die bereits neulich von mir erwähnten Düfte der Luxusserie von 1907 (dass ich ständig an die denken muss, heißt vielleicht, dass ich sie kaufen sollte?).
Nach etwa 20 Minuten deutet sich das Ende von Invasion durch eine Zunahme der herben, strengen Noten an. Sie werden dann dichter, dunkler und muten fast animalisch-bedrohlich an. Interessanterweise lässt sich in dieser kurzen Übergangsperiode dann bei mir zum ersten Mal auch der Lavendel blicken, mit dem man ja eigentlich nicht besonders grauenerregende Vorstellungen ("Larry der Killer-Lavendel") verbindet. Damit geht Invasion dann unter. Mit "Invasion" nur durch einen dünnen Lavendel-Faden verbunden beginnt dann "Barbare".
"Barbare" erinnert mich stark an Tschaikowskis "Ouverture 1812". Das Werk soll ja den französischen Überfall auf Russland 1812 nachzeichnen. Als Stilmittel für die wechselhaften Kämpfe zwischen Napoleon und den Russen wird daher immer mal wieder die Marseillaise und die russische Hymne "eingeblendet" und so wogt es dann so hin und her mit dem Schlachtenglück. Ein bisschen so ähnlich kommt mir das auch hier vor. In den ersten Stunden von "Barbare" steht nämlich mal mehr ein strahlender, kraftvoller, starker, manchmal sogar heller und klarer Lavendel im Vordergrund (der aber eine erhebliche Durchschlagskraft hat und nicht ätherisch-gestaltlos daherweht), manchmal aber auch eine orientalische Würzigkeit, die eine fast eukalyptische Frische mit einer ledrig-dunklen Variante von Old-Spiceismus verbindet. So geht das also nun hin und her, und was die beiden Pole zu einer Einheit verbindet ist hier eine Klammer aus Solidität und Kraft. Auch wenn der Duft keine brüllende Sillage hat, möchte man ihm nicht unbedingt alleine auf der Straße begegnen.
Nach etwa 2 Stunden wird "Barbare" dann spürbar süßer und insgesamt einheitlicher, die Dualität kommt dann eher zur Ruhe. Die Lavendelpudrigkeit bleibt bis zum Ende spürbar, also etwa 8 Stunden lang, hinzu kommt aber eine spezifische, ins Seifige gehende Süße, die beim hautnahen Riechen fast stechend wirkt. Schnuppert man mit Armlängenabstand, nimmt man sie nicht wahr. Da ist dann eher die hier schon beschriebene trockene Lavendelsauberkeit zu riechen. Der Duft wirkt in dieser Phase noch immer fest, aber nicht mehr schwer. Balsaholz sozusagen. Irgendwann dimmt dann alles süß-pudrig aus. "Barbare" ist damit zwar nicht total linear, aber schon insgesamt deutlich als einheitlicher Duft zu erkennen, und als eindeutiger Herrenduft.
Ich bin etwas ratlos, was ich davon halten soll. Invasion finde ich toll, das haut mich um und ist etwas ganz Besonderes, wo aber die Frage erlaubt ist "ist das alltagstauglich"? Und es dauert halt nur eine halbe Stunde. Barbare finde ich auch sehr schön, ein toller klassischer Herrenduft, vielleicht so vom Kaliber eines Antaeus (keine Duftzwillinge!), aber da stellt sich schon verschärft die Frage, ob man dafür so ein Schweinegeld ausgeben soll. Angesichts dessen, dass das Näschen an meiner Seite weder Invasion noch Barbare mag und wegen des potthässlichen Porzellankopfes werde ich von einem Kauf dann eher Abstand nehmen.
Natürlich muss ich mich auch zum Namen auslassen: "Invasions Barbares" (im Plural) bedeutet im Französischen einfach "Völkerwanderung". "L'age des invasions barbares" ist das Zeitalter der Völkerwanderung. Da sieht man es eben: Was aus germanischer Sicht zum fröhlichen Betriebsausflug mit Bergstiefeln und Tirolerhut erklärt wird, kommt bei unseren lateinischen Freunden eher als Eindringen raubender, brandschatzender und notzüchtigender Horden rüber. Frage der Perspektive. Mein Französisch ist aber nicht fein genug, um zu beurteilen, was es zu bedeuten hat, wenn der Begriff im Singular gebraucht wird. Denkt der durchschnittliche Jean-Pierre dann trotzdem an "Völkerwanderung" oder heißt es dann wirklich eher so etwas wie "barbarische Invasion"? Keine Ahnung. Und ich hab auch keine Ahnung, wie man diesen Duft mit der Völkerwanderung oder generell mit einer Invasion zusammenbringt. Vielleicht haben die Römer ja nach Lavendel gerochen, aber die Germanen sicher nicht nach Old Spice, eher nach Old Schweiß. Der Vorhang zu, und alle Fragen offen.
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