24.09.2017 - 14:55 Uhr
Meggi
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Analyse Top Rezension
31
Ich bin immer verliebt!
Die Uraufführung von Giacomo Puccinis Oper „Madama Butterfly“ am 17. Februar 1904 in Mailand geriet zu einem gewaltigen Eklat, der beinahe ebenso sorgfältig vorbereitet worden war wie das Geschehen auf der Bühne; so berichtet jedenfalls Jürgen Kesting in seinem epochalen Mehrbänder „Die großen Sänger“.
Und an Dramatik hatte der Komponist es natürlich nicht fehlen lassen. Er war nicht von ungefähr der vielleicht exponierteste Vertreter des ‚Verismo‘, einer Stilrichtung der italienischen Oper in den Jahrzehnten rund um die vorletzte Jahrhundertwende. Die Librettisten und Komponisten lösten sich seinerzeit – verkürzt ausgedrückt – von mystischen oder höfischen Sujets und stellten stattdessen das pralle Leben dar. „Ich bin immer verliebt!“, sagte Puccini von sich selbst, und er lebte wohl nicht minder leidenschaftlich als die Gestalten seiner Opern.
In Mailand nun hatten die Sängerin der Cio-Cio-San (genannt ‚Butterfly‘), die Sopranistin Rosina Storchio, und Dirigent Arturo Toscanini den Übelwollenden eine moralische Steilvorlage geliefert: Es war allgemein bekannt, dass die beiden seit der Uraufführung von Ruggero Leoncavallos Oper ‚Zazà‘ eine Affäre miteinander hatten und kaum bauschte sich der Kimono der ‚Butterfly‘, erschallte der Ruf „E' incinta (sie ist schwanger)! Il bambino di Toscanini!”. Was übrigens nicht (mehr) stimmte - ein Kind war im Jahr zuvor zur Welt gekommen.
Der wahre Grund für die Wut weiter Teile des Publikums mochte gewesen sein, dass die Herrschaften die Kritik am Kolonialismus, insbesondere an der sexuellen Ausbeutung der exotischen Frau, nur allzu deutlich erkannten - damit konfrontiert zu werden, ihnen jedoch zu unbehaglich war.
Denn Cio-Cio-San nimmt ihre Ehe mit dem US-Offizier Pinkerton ernst; er hingegen betrachtet sie als Beigabe zu einem in Nagasaki erworbenen Haus und als Spielzeug fürs Bett. Drei Jahre wartet sie, inzwischen Mutter eines gemeinsamen Sohnes und von ihrer Familie verstoßen, unbeirrt auf seine Rückkehr - zu der er dann seine „richtige“ Ehefrau mitbringt. Er hat nicht einmal den Mut, Cio-Cio-San die Wahrheit persönlich zu sagen. Die Verlassene tötet sich mit einem Dolch.
Dem unbedarften Hörer mag das Duett am Ende des ersten Aktes wie ein leidenschaftlicher Liebes-Schwur scheinen. Doch die Empfindungen sind gänzlich verschiedener Natur. Der Text hat längst verraten, dass Pinkerton sich nicht gebunden fühlt. Cio-Cio-Sans Warten ist vergeblich und ihre Hoffnungen sind allein die ihren, nicht die des Hörers. Die Beziehung ist vergiftet, bevor sie begonnen hat. Und damit sind wir bei der Gestaltung des Duftes. Wie ich sie wahrnehme, es sei nicht verschwiegen, dass der Begleittext sich völlig anders äußert („…joyful and happy.“):
Auf nur ganz kurz spürbarem, grün-krautigem Bett kommen ein paar zitrische Akzente angeflogen, Limette passt. Während die Kirsche heute als Blüte rumort, dürfen andere Frucht-Noten ran. Sie einzeln abzuhaken, gelingt mir nicht, zu ähnlich sind (zumindest für mich) teils ihre Aromen. Mandarinenschale würde ich noch ergänzen, konkret das Bittere, das nach dem Pulen an den Fingern klebt.
Und „bitter“ ist das entscheidende Schlagwort. Päonie. Ihr Aroma lässt sich, obschon fraglos plakativ, als „fruchtige Rose mit Benzin“ zusammenfassen. Päonien-Geruch hat eben einen „Stich“. Und dieser Stich, der den Mandarinenschalen-Gedanken rasch vergessen macht, durchzieht das Parfüm fast von Beginn an und verdirbt – boshaft gesagt – die nette Blümelei. Sofern auf die Asymmetrie der Empfindungen in der Oper hatte verwiesen werden sollen: gut getroffen!
Eine Tee-Duftigkeit gesellt sich im Laufe des Vormittags hinzu, das Florale vermag nun, durchaus konsequenterweise, gar entfernt auch an Magnolie zu erinnern. Der Stich wird etwas milder, bleibt allerdings beherrschend. Selbst am Nachmittag, als sich allmählich cremende Beigaben bis hin zu einer Vanille-Andeutung in den Duft schleichen, ist das Päonien-Stechen unverändert präsent, bis am Schluss, nach rund acht, neun Stunden, alles gemeinsam vergeht.
Fazit: Der Duft hat zwar einen gewissen Verlauf, ist im Kern aber Akkord, dem von vorne bis hinten mit dem Stechen der Päonie ein Misston beigegeben ist. Ein würdiges Parfüm zur Oper. Klasse!
Und an Dramatik hatte der Komponist es natürlich nicht fehlen lassen. Er war nicht von ungefähr der vielleicht exponierteste Vertreter des ‚Verismo‘, einer Stilrichtung der italienischen Oper in den Jahrzehnten rund um die vorletzte Jahrhundertwende. Die Librettisten und Komponisten lösten sich seinerzeit – verkürzt ausgedrückt – von mystischen oder höfischen Sujets und stellten stattdessen das pralle Leben dar. „Ich bin immer verliebt!“, sagte Puccini von sich selbst, und er lebte wohl nicht minder leidenschaftlich als die Gestalten seiner Opern.
In Mailand nun hatten die Sängerin der Cio-Cio-San (genannt ‚Butterfly‘), die Sopranistin Rosina Storchio, und Dirigent Arturo Toscanini den Übelwollenden eine moralische Steilvorlage geliefert: Es war allgemein bekannt, dass die beiden seit der Uraufführung von Ruggero Leoncavallos Oper ‚Zazà‘ eine Affäre miteinander hatten und kaum bauschte sich der Kimono der ‚Butterfly‘, erschallte der Ruf „E' incinta (sie ist schwanger)! Il bambino di Toscanini!”. Was übrigens nicht (mehr) stimmte - ein Kind war im Jahr zuvor zur Welt gekommen.
Der wahre Grund für die Wut weiter Teile des Publikums mochte gewesen sein, dass die Herrschaften die Kritik am Kolonialismus, insbesondere an der sexuellen Ausbeutung der exotischen Frau, nur allzu deutlich erkannten - damit konfrontiert zu werden, ihnen jedoch zu unbehaglich war.
Denn Cio-Cio-San nimmt ihre Ehe mit dem US-Offizier Pinkerton ernst; er hingegen betrachtet sie als Beigabe zu einem in Nagasaki erworbenen Haus und als Spielzeug fürs Bett. Drei Jahre wartet sie, inzwischen Mutter eines gemeinsamen Sohnes und von ihrer Familie verstoßen, unbeirrt auf seine Rückkehr - zu der er dann seine „richtige“ Ehefrau mitbringt. Er hat nicht einmal den Mut, Cio-Cio-San die Wahrheit persönlich zu sagen. Die Verlassene tötet sich mit einem Dolch.
Dem unbedarften Hörer mag das Duett am Ende des ersten Aktes wie ein leidenschaftlicher Liebes-Schwur scheinen. Doch die Empfindungen sind gänzlich verschiedener Natur. Der Text hat längst verraten, dass Pinkerton sich nicht gebunden fühlt. Cio-Cio-Sans Warten ist vergeblich und ihre Hoffnungen sind allein die ihren, nicht die des Hörers. Die Beziehung ist vergiftet, bevor sie begonnen hat. Und damit sind wir bei der Gestaltung des Duftes. Wie ich sie wahrnehme, es sei nicht verschwiegen, dass der Begleittext sich völlig anders äußert („…joyful and happy.“):
Auf nur ganz kurz spürbarem, grün-krautigem Bett kommen ein paar zitrische Akzente angeflogen, Limette passt. Während die Kirsche heute als Blüte rumort, dürfen andere Frucht-Noten ran. Sie einzeln abzuhaken, gelingt mir nicht, zu ähnlich sind (zumindest für mich) teils ihre Aromen. Mandarinenschale würde ich noch ergänzen, konkret das Bittere, das nach dem Pulen an den Fingern klebt.
Und „bitter“ ist das entscheidende Schlagwort. Päonie. Ihr Aroma lässt sich, obschon fraglos plakativ, als „fruchtige Rose mit Benzin“ zusammenfassen. Päonien-Geruch hat eben einen „Stich“. Und dieser Stich, der den Mandarinenschalen-Gedanken rasch vergessen macht, durchzieht das Parfüm fast von Beginn an und verdirbt – boshaft gesagt – die nette Blümelei. Sofern auf die Asymmetrie der Empfindungen in der Oper hatte verwiesen werden sollen: gut getroffen!
Eine Tee-Duftigkeit gesellt sich im Laufe des Vormittags hinzu, das Florale vermag nun, durchaus konsequenterweise, gar entfernt auch an Magnolie zu erinnern. Der Stich wird etwas milder, bleibt allerdings beherrschend. Selbst am Nachmittag, als sich allmählich cremende Beigaben bis hin zu einer Vanille-Andeutung in den Duft schleichen, ist das Päonien-Stechen unverändert präsent, bis am Schluss, nach rund acht, neun Stunden, alles gemeinsam vergeht.
Fazit: Der Duft hat zwar einen gewissen Verlauf, ist im Kern aber Akkord, dem von vorne bis hinten mit dem Stechen der Päonie ein Misston beigegeben ist. Ein würdiges Parfüm zur Oper. Klasse!
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