Janacelina

Janacelina

Rezensionen
Janacelina vor 4 Jahren 11 3
Ich liebe das Ende der Saison
Der perfekte Duft für den Spätsommer und frühen Herbst. Die zitrischen Noten am Anfang erzählen noch vom Sommer - ein exotischer Sommer durch den Yuzu, vielleicht war man im Urlaub. Aber das Veilchenblatt erdet und langsam kommt der Vetiver durch. Die ersten Blätter fallen und das Grün des Sommers weicht dem Braun des Herbstes, dem Braun des Bodens, der Blätter und der Baumstämme, die man jetzt, wo die Blätter fallen, besser sieht. Man stellt sich auf die kuschelige Jahreszeit ein. Vielleicht macht man schon voreilig ein Kaminfeuer an, aber das ist fast eher symbolisch - wir tragen die Wärme des Sommers noch tief in uns, die Erde draußen ist noch warm.

Es gibt ein Lied von Reinhard Mey, das wie ich finde, die gleiche Geschichte erzählt wie Bon Parfumeurs 003 - "Ich liebe das Ende der Saison":

"Wenn jetzt die Sonne scheint, dann ist das nicht mehr selbstverständlich
Und du nimmst jeden Strahl einzeln und dankbar hin
Nichts ist mehr so wie's war, und du kannst spür'n: Alles ist endlich
Auch wenn du's nicht verstehst, ahnst du doch: Es hat seinen Sinn
Du brauchst nicht mehr über die Gehsteigzuparker zu meckern
Die Autoschickimickis sind schon längst auf und davon
Mit ihr'n Pelzdamen, deren Hunde die Wege vollkleckern –
Ich liebe das Ende der Saison!"
3 Antworten
Janacelina vor 4 Jahren 25 8
8
Flakon
6
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Erinnerung an einen Sommer
Ein Parfum "Mémoire"/"Erinnerung" zu nennen, ist eigentlich ziemlich anmaßend. (Duft-) Erinnerungen werden schließlich nicht vorgegeben, sondern entstehen organisch in jedem individuellen Leben, und so gar nicht nach Plan. "Mémoire d'une Odeur" riecht auch nicht zufällig wie irgendwas Konkretes, das ich persönlich mit besonderen Momenten verbinde. Aber trotzdem. "Erinnerung" trifft es ziemlich genau. Guccis "Mémoire" erinnert mich an jeden schönen Sommer, den ich hatte.
"Mémoire" erinnert mich an die Sommer meiner Kindheit, wo ich im Garten meiner Großeltern in der Sonne geschaukelt habe, wo immer ein Kind in der Nachbarschaft Zeit und Lust hatte, zu spielen. Ich habe ein neues Nachbarskind kennengelernt. Wir liegen auf der Wiese und essen Brause aus Tüten und später gehen wir vielleicht ins Freibad. Aber selbst wenn sich unsere Eltern umentscheiden, weil es zusammen auf der Terrasse gerade so gemütlich ist, wird es ein schöner Tag sein. Ich werde auf dem Nachhauseweg im Auto einschlafen. Ich bin zu jung um zu wissen, was diese Tage in ein goldenes Licht taucht und mich mit so viel Vertrauen leben lässt, und dass das nicht selbstverständlich ist.
"Mémoire" erinnert mich an den Sommer, als ich 16 war und zum ersten Mal verliebt. Wir sind mit Freunden spontan an den Bodensee gefahren und sitzen am späten Nachmittag in einer der vielen alten, überwucherten Burgruinen. Jemand hat seine Gitarre dabei, ein anderer Marihuana, wir gebrauchen beides großzügig. Mir ist noch nicht die Geduld ausgegangen, für Männer, die mir die Welt erklären, und der Junge, in den ich verliebt bin, erklärt mir seine Lebensphilosophie mit einer Großspurigkeit und Weltgewandtheit, wie sie nur Teenager haben. Wir küssen uns nicht, aber wir werden uns küssen, bald.
"Mémoire" erinnert mich an den Familienurlaub in Südfrankreich. Dieses Jahr haben wir so viel Spaß mit unseren Zeltnachbarn auf dem Campingplatz, dass wir gar nicht erst zum Strand gehen. Morgens begleite ich eine Mutter zum Bäcker für die buttrigsten Croissants, die ich jemals essen werde. Beim Bäcker erfährt sie durch eine Zeitschriftenauslage, dass Prinzessin Diana gestorben ist. Ich hoffe, dass das keine Auswirkungen auf unsere Croissant-Kauf-Pläne hat. Später laufen wir durch eine malerische Landschaft und finden einen Fluss, wo wir spontan den ganzen Nachmittag mit den Steinen im Wasser spielen ("Mémoire" hat keinen einzigen Bestandteil, der nach Stein riecht, aber wenn ich "Mémoire" rieche, habe ich die nassen, moosigen Steine wieder in der Hand).
Es ist diese Balance von Sicherheit und Erkundung, von Neuem und Altem, die einem das Gefühl gibt, dass einem die Welt offen steht. Nicht, weil man sich hoffnungslos selbst überschätzt, sondern weil man so geerdet in der eigenen Wahrheit ist, dass es (in den unsterblichen Worten von Bob Ross) kein Versagen gibt, nur "happy little accidents". Erinnerung woran? An alle Momente, in denen mir mein Sicherheitsnetz die Möglichkeit gegeben hat, mich ohne Ängste auf etwas Neues einzulassen, und ich als Resultat davon ein reicherer Mensch geworden bin.
8 Antworten