Jumi
Jumis Blog
vor 6 Jahren - 14.09.2018
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Zweite Runde Blinde Kuh

Nach auskurierter Erkältung mache ich mich nun an die zweite Hälfte der von First erhaltenen Blindproben ran:

Probe #10

Direkt am Anfang kommt mir eine Vanille-Tonka-Mischung mit kirschig-mandeligem Einschlag in die Nase. Macht auch einen etwas fuseligen Eindruck, der jedoch schnell verschwindet. Etwas rauchig, aber nicht auf ruppige, ernste Art, sondern eher süß rauchig, angebrannt gourmandig rauchig. Warmer Amber kommt mir in den Sinn. Ich stelle mir Heliotrop und karamellisierte Rose vor. Jasmin und/oder O-Blüte wären auch denkbar, aber normalerweise empfinde ich sie prominenter. Hier komme ich der Blumigkeit aufgrund der übertönenden essbaren Süße nicht richtig auf den Grund, deshalb belasse ich es dabei. Etwas diffus-würziges (Zimt?) und gar tabakartiges scheint noch im Hintergrund mitzuschweben. Und schließlich dehnt sich eine zuckerwatteähnliche Unterlage aus. Für die Restzeit des Tests (und das ist ca. 7 Stunden, bevor der Duft verschwindet), will die Zucker-Assoziation (angekokelt, leicht bitter) nicht mehr aus meinem Kopf weichen, der eine für mich nicht weiter differenzierbare Trockenholzigkeit (tippe auf Sandel) Gesellschaft leistet.

FAZIT: Ein bittersüßer, warmer, dunkler, rauchiger, trockenholziger Vanillegourmand. Schwer einzuordnen – Nische oder Mainstream. Ich tendiere dazu, den Duft in den Mainstream zu verorten, auch wenn die Duftrichtung außerhalb des Mainstreams ebenso weit verbreitet ist. Sollte ich mich irren, ändert es nichts an der Tatsache, das er nicht meinen Geschmack trifft, auch wenn er die exclusivste Niche-Kreation (so riecht er aber nicht!) wäre.

Probe #11

Frisch-grün-süßer O-Blüte/Neroli-Auftakt begrüßt, etwas seifig. Mandarine à la "Mandarino di Amalfi", ein wenig an Rasierwasser erinnernde kräuterige Herbheit, mildsüßer (nicht indolischer) Jasmin – alles spontane, später beim Zweittest bestätigte Assoziationen. Mit O-Blüte und besonders Neroli bin ich normalerweise auf Kriegsfuss, doch hier erscheinen sie mir etwas weniger penetrant seifig. Ordentlich Grünzeug & frischer Puder scheinen hier eingebunden zu sein. Nach 15 Minuten scheint etwas lilanes, blumiges, durch. Ich muss an Veilchen denken, entfernt an Boclets "Violet" und im weiteren Verlauf in Verbindung mit O-Blüte noch entfernter an Guerlainsche "Insolence" erinnernd. And here we go – Moschus aus der Weichspülerabteilung winkt bereits rein. Blumig-süß/grün-frisch, eindeutig feminin empfinde ich den Duft. Beim Ersttest vernahm ich nach 1 Stunde eine störende Maggi-Note, die immer wieder vorbeigehuscht ist und sonst immer auf das Kippen eines Dufts hinweist. Beim Zweittest sperre ich meine Nüstern vergeblich auf der Suche nach dieser Note auf – sie kommt nicht. Dafür wird es weicher, cremiger und auch etwas moosiger. Nicht das klassische Hardcore-Chypre-Moos, eher die stark getrimmte, leise Soft-Version. Der Moschus verliert allmählich seine Waschtag-Absichten. Das Grünzeug verabschiedet sich und überlässt der O-Blüte die Führung. Ob die Süße von Blüten allein beigesteuert wird, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Jetzt, in der Basis, gefällt mir der Duft besser, doch Freunde werden wir wohl trotzdem nicht, da mir die O-Blüte (und auch Neroli) immer noch zu präsent ist. Das mag jedoch an meiner Empfindlichkeit für diese Noten liegen.

FAZIT: Sommerlich leichter süßblumiger Duft mit einer Haltbarkeit von ca. 8 Stunden. Tendenz – Niche, auch wenn er nicht sonderlich “nischig” rüberkommt. Auch ein Designerduft aus irgendsoeiner Sonder-Reihe denkbar.


Probe #12

Erster Gedanke: "Beyond Paradise" lässt grüssen :) Ein Blumen-Schwergewicht fällt ohne irgendwelches Frucht/Zitrik-Präludium mit der Tür ins Haus. Dieser hier scheint mir viele Blumenfacetten zu haben, in- und übereinander fliessend. Hyazinthe, Jasmin, nur um zwei zu nennen. Gardenie und auch Tuberose wären für mich gut denkbar, obwohl ich hier das typische schwüle, kaugummigartige der Tuberose vermisse. Zunächst wirken die Blumen fleischig, einnehmend, überbordernd. Mit Vorsicht zu dosieren (habe nur einmal den Sprühknopf betätigt!) Fühle mich dennoch zu Hause – dieser hier gefällt mir von allen getesteten jetzt schon am besten. Ein Paradox: trotz tropisch-exotischer Blüten wirkt der Duft kühl, windig, frisch und relativ(!) unsüß. Eher sogar ein bisschen herb. Das Stengelgrün ist mit eingebunden. Es pudert nach 30 Minuten ein wenig nach, so eine Art kühl-leichter Körperpuder, sehr gepflegt (das Wort “sauber” finde ich hier unpassend), sehr feminin. An einem Mann für mich einfach unvorstellbar. Ich erlebe bei dem Duft so gut wie keinen Verlauf, ausser dass er bereits nach ca. 45 Minuten deutlich dezenter, noch kühler, noch herb-grüner wird, verliert jedoch nie den starken blumigen Charakter. Klingt nach ca. 4 Stunden als blumiger Puderhauch aus, bietet mir also keinerlei Gewürz-, Holz-, Moos-, Vanille- etc. Basis. Bleibt für mich immer noch der schönste von den getesteten Blindproben, auch wenn ich ob der fehlenden Intrige im Verlauf etwas enttäuscht bin.

FAZIT: Ein wunderschöner Duft, vorausgesetzt man kommt gut mit kräftigen Blumennoten zurecht. Auch wenn dieser kein 80er Wummser ist, kommt er mir als ein Versuch vor, an die damaligen Trends anzuknüpfen. So etwas traue ich eher einer teuren Designermarke (aber kein Chanel und kein Guerlain!) zu als dem Mainstream. Und für Niche wirkt er einfach zu klassisch-elegant.


Ersatzduft

Liebe First war so fürsorglich, dass sie mir auch noch einen Ersatzduft mitgeschickt hat, für den Fall, dass irgendetwas unterwegs ausläuft oder dass ich den Test (wie im Falle von #9) vorzeitig abbrechen muss. Diesen habe ich mir natürlich auch vorgeknöpft. Die Beschreibung fällt kurz aus, denn der Duft fällt für mich eindeutig in die Kategorie “Fruchtbonbon-auf-Saubermoschuswolke-die-...zigste”. Sorry, aber genauso “generic” kommt mir momentan gefühlt jeder zweite von mir getestene Mainstream-Duft vor, was auch meine Abneigung dagegen erklärt. Die einzigen Variationen, die da wären: setzt der Duft eher auf Frucht-, Vanille- oder Karamellsüße? So auch hier: etwas rotes Fruchtiges (möglich Beeriges), trifft auf blitzeblanken Saubermoschus. Dieser hier setzt wohl auf süß-säuerlich-fruchtig und sauber. Wie ein auf der frischgewaschenen, schneeweißen Tischdecke klebendes (Himbeer?)Bonbon. Etwas getrocknete Rose (riecht etwas blass, verzerrt blumig) und eine Prise Traubenzucker nehme ich auch noch war, meine ich. Abwaschen musste ich ihn zwar nicht, aber auf einen Dritttest hätte ich keine Lust mehr.

FAZIT: Ein Frucht-Moschus-Duft aus dem heutigen Mainstream, vielleicht ein Star(let)duft. DER Grund für meine Vorurteile. Sollte er wider Erwarten aus der Nische stammen, muss ich mir um die letztere echt Sorgen machen :)

So, ich habe versucht, nach bestem Wissen und Gewissen die Dufteindrücke zu beschreiben, ehrlich, ohne irgendeinen von ihnen schönzureden. Jeden Duft (bis auf die #9) habe ich zweimal getestet und mir spontane Notizen gemacht. Inwieweit diese subjektiven Eindrücke mit den tatsächlichen Noten übereinstimmen, wird die Auflösung zeigen :)

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