Karli

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26 - 27 von 27
Karli vor 10 Jahren 25 10
5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
7
Duft
Entschuldigung, heißt du vielleicht Mario und kommst aus Elmschenhagen?
Mario gehörte bei uns in der Straße zu den wenigen Kindern, die mit uns keine Vergangenheit teilten. Er war mit seiner Mutter und seiner kleinen Schwester zugezogen als er ungefähr 6 Jahre alt war. Für beide Kinder gab es zwei Väter, die aber nicht bei der Familie wohnten. Dieser Umstand kam bei uns im Viertel überhaupt nicht gut an. Marios Mutter hatte Glück, sie war noch jung, sie war hübsch und sie arbeitete aufgrund guter Beziehung beim einzigen Bäcker weit und breit. Und auch wenn hinter ihrem Rücken getuschelt und gelästert wurde, hat sie sich nie etwas anmerken lassen. Wer damals 2 Kinder ohne Mann durchbringen konnte, war selbstbewusst und stabil genug.
Mario hatte weniger Glück. Er war klein und schmächtig, trug oft abgewetzte Kleidung, hatte keinen Roller oder Fahrrad und er stotterte. Er durfte nur selten mitspielen und wenn doch, dann meist als derjenige der bei Cowboy und Indianer als erstes starb. Beim Ticken war er das meistgesuchte Opfer, und machten Bonbontüten die Runde, bekam er entweder nichts ab oder aber nur die Reste die niemand mehr mochte. Zu Geburtstagen wurde er nicht eingeladen, es sei denn unsere Eltern drohten mit Hausarrest.

In der Schule hatte er ebenfalls einen schlechten Stand. In der Klasse wollte niemand neben ihm sitzen und in der Pause stand er oft allein. Ich erinnere mich, dass wir ihm – denn er kam natürlich in unsere Klasse – 1 Mark versprachen, wenn er im Turnunterricht einmal nackig durch die Halle laufen würde. Mario rannte los, die Mädchen kreischten und die Lehrerin war außer sich. Darauf angesprochen wiesen wir Jungs natürlich alle Schuld von uns, was Mario noch mehr Ärger einbrachte. Zu unserer „Ehrenrettung“ kann ich sagen, dass Mario seine Mark bekam. Einen Schatz, den er Monate hütete und uns immer wieder stolz präsentierte.

Aber Mario hatte 2 großartige Eigenschaften, er war überhaupt nicht nachtragend und er konnte hervorragend zeichnen. Er karikierte während des Unterrichtes die Lehrer und ließ die Bilder durch die Klasse wandern. Das hatte oft schallendes Lachen zur Folge, ohne das die Lehrer jemals den Grund dafür erfuhren. Oder er zeichnete mit wenigen Bleistiftstrichen Autos, Flugzeuge, Tiere und allen möglichen Kram, den wir als Kinder toll fanden.

Mit den Jahren entspannte sich unser Verhalten ihm gegenüber und wir freundeten uns mehr und mehr an. Wir klauten zusammen Äpfel, rannten auf der Weide hinter den Kühen her, bis wir selbst vom Bullen oder dem Bauern verfolgt wurden, machten Klingelstreiche und allen anderen Blödsinn den man mit 12, 13 so macht. Mario war es auch, der die ersten Zigaretten organisierte oder den damals üblichen Apfelkorn. Er hatte auch die ersten Hefte mit Fotografien von denen wir nicht wussten ob wir sie eklig oder toll finden sollten. Und er wusste wo an der Föhrde die Pärchen lagen, die wir dann aus sicherer Entfernung mit dem Fernglas beobachteten.

All das hatte ich lange vergessen, bis ich Mario eines Tages in Hamburg auf dem Weihnachtsmarkt entdeckte. Er hatte dort einen Stand mit Glühwein und heißer Schokolade. Zwar trug er eine Brille und das Haar war auch dünner geworden, aber die Statur und die Schmächtigkeit war ihm geblieben. Zu meiner Überraschung stotterte er nicht mehr.
Nach der Schulzeit sei er einige Jahre zur See gefahren, erzählte er. Er lebte einige Jahre in Argentinien und Neuseeland und versuchte sich in Rinder- und Schafzucht. Aber Heimat ist halt Heimat und so ist er wieder zurückgekommen. Jetzt lebt er wieder in Kiel, zusammen mit seiner Freundin und ihrer Tochter. 3 Stunden haben wir gestanden, uns alte Geschichten erzählt und die vergangenen Jahre aufleben lassen. Wir haben gelacht bis die Leute guckten oder zwischendurch verschwiegen auf den Boden geschaut, um die Gefühle der Erinnerung nicht in die Augen steigen zu lassen. Es war schön, es war gut, es war wertvoll.

Aber es war ein einzelner und einziger Moment. Mit Mario anfreunden oder ihn jetzt regelmäßig zu sehen funktioniert nicht. Wir leben heute in anderen Welten. Zwischendurch ja, und dann ist es bestimmt klasse. Aber jeden Tag?

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Cafe Vert ist wie Mario: treu, vertraut, behaglich und seine Gegenwart tut gut. Und so wie ich Mario im Winter wiedergetroffen habe, passt Cafe Vert wunderbar in die kalte Jahreszeit. Sicherlich hat er helle, frische und grüne Noten, aber auch etwas tiefes, schweres, warmes und sattes. Die Sillage ist nicht zu raumgreifend, aber auch nicht dezent. Die Haltbarkeit ist aus meiner Sicht mehr als Durchschnitt, ich nehme den Duft nach 10 Stunden immer noch deutlich war.

Was Cafe Vert mit Mario noch gemeinsam hat? Man kann ihn nicht jeden Tag um sich haben, das wäre des Guten einfach zu viel. Es gibt Vertrautes, aber Vertrautheit braucht auch Abstand und Pausen. So ist der Duft auch, zu oft geht nicht. Man würde sich einfach zu schnell sattriechen.Bis es abstößt und dann wäre alle Schönheit dahin. Cafe Vert ist kein Mainstream, aber dadurch auch besonders.

Mario wird mir immer in Erinnerung bleiben, dafür war vieles einzigartig, prägend und besonders. Cafe Vert tut das auf seine Weise auch. Ich bin froh beide immer wieder aufleben lassen zu können.

In diesem Sinne: Entschuldigung, heißt du vielleicht Mario und kommst aus Elmschenhagen?
10 Antworten
Karli vor 10 Jahren 7 1
5
Sillage
5
Haltbarkeit
6
Duft
Zu schön um wahr zu sein oder Hamburger Schietwetter
Harvestehude, Außenalster, Hamburg. Es ist trocken. Der Wind weht böig von Lauenburg herüber und raschelt in den Bäumen. Um mich herum wirbelt trockenes Laub. Durchgeschwitzte Jogger kommen mir entgegen oder überholen mich. Schick gekleidete Damen und Herren im Business-Kostüm oder gutem Anzug und mit Coffe-To-Go und Handy am Ohr ziehen an mir vorbei. Ich trage Jeans, ein schlichtes Hemd und meine Jacke ist offen. Warum auch nicht, es sind 17 Grad und das Ende Oktober. Kein Hamburger Schmuddelwetter, sondern wunderschöne Herbstatmosphäre. Black Intense habe ich aufgetragen und der Duft passt wunderbar in diesen Augenblick. Er ist frisch, würzig, etwas harzig, etwas grün und mit viel hellem Holz abgeschmeckt. Perfekt für diesen Moment – wie die ersten Meter eines Joggers oder der erste Schluck aus einem Thermobecher mit frischem Kaffe. Ich fühl mich wohl!

Ob mich jemand bemerkt?

Doch nach 20 Minuten ändert sich alles, der Himmel verdeckt sich. Der Wind wird rauer und die ersten Regentropfen fallen zu Boden. Temperatursturz. Die Kragen werden hochgeklappt und die Schritte schneller. Das war’s dann mit dem gemütlichen Spaziergang, schnell zurück zum Auto. Was so schön begann endet verregnet, verweht, aufgeweicht – Leider nur ein kurzes Glück.

Hätte es nicht länger schön bleiben können? Warum verflüchtigt sich der Moment und alles verkriecht sich, versteckt sich? Was so hoffnungsvoll begann endet mit kalten Füßen und dem Wunsch nach etwas mehr Nachhaltigkeit.

Ich fahr nach Hause und bin niemandem aufgefallen. Schade, dabei hat alles so schön angefangen!
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