Kaschima
Kaschimas Blog
vor 10 Jahren - 14.01.2014
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Reizende Lieblinge aus der Steinzeit

Da ich momentan völlig in die Welt der Düfte abgetaucht bin, muss ich unbedingt festhalten, was mir sonst möglicherweise wieder entgleiten könnte - obschon (s. Aufzähung) bestimmte Düfte sich olfaktorisch wirklich in mein Gedächtnis eingeprägt haben. Vielleicht findet sich ja das eine oder andere Echo hier?

Warum gerade Düfte sammeln?
Im August 2013 habe ich relativ gezielt angefangen Düfte zu sammeln, weil ich dachte, sie könnten helfen, mich an bestimmte Phasen meines Lebens, aber auch an Bekannte, Familie, Freunde, "den Freund", den Geliebten, an bestimmte Situationen, ja, Länder, Abenteuer, Gefühle... zu erinnern. Soviel zur primären Motivation!
Als dann die ersten Päckchen eintrafen, kam schnell eine zweite dazu: PÄCKCHENKRIEGEN hat was von Weihnachten, Belohnung, Wohltat. Klingt noch immer banal, aber bereits diese Kombination: Erinnerung und Wohgefühl hat Sprengstoff...
Schließlich packte mich das Sammelfieber. Plötzlich wurde aus der gezielten Suche einfach Experimentierfreudigkeit, weil ich versuchte, bestimmten Parfumeuren oder zumindest Marken zu folgen, die mir lohnenswert erschienen. Hier war plötzlich eine "Zukunftskomponente" geboren. Nicht allein die Erinnerungslust, sondern aktives Entdecken wurden zur dritten Motivation. Vielleicht würde ich ja den EINEN, MEINEN Duft entdecken? Hach, lustvoll, magisch, überraschend!

Erinnerung, Wohlgefühl, Entdeckerdrang und Kommunikation!
Möglicherweise ist das für viele der Parfumos ein alter Hut, aber wissen und ausprobieren, finde ich, ist zweierlei! Und ich wollte es selbst ausprobieren! Erleben, ob und wenn tatsächlich, welche Assoziationen, Erinnerungen, Gefühle evoziert werden würden. (Ein bisschen Theorie dazu hab ich natürlich gelesen, einige (eher populäre, kurze) Quellen folgen.) Woher sonst sollten all die vielen Geschichten in den Kommentaren der Parfumos herrühren? Und auf bezaubernde Art und Weise echte Kommunikation zwischen (meist) völlig Fremden entstehen lassen? Wer würde sonst, sagen wir mal in der Straßenbahn, seinem Gegenüber ohne Einleitung, Vorstellung o. ä. auf die Nase binden, dass gerade dieser Duft an die verstorbene Mutter oder jener an die erste Liebe erinnert? (Oder es einfach durch die ganze Straßenbahn rufen, was der Veröffentlichung hier im Forum eher entspräche :-) )
Mal ganz abgesehen von der Partnerwahl durch die Nase...! (Kennt ihr doch, oder? Angeblich riechen wir die optimale Genkombination für die Fortpflanzung.) Oh man, wie wenig Spielraum für einen "freien Willen" lässt uns unser Gehirn wirklich? Die Neurobiologen sind da echt auf Draht...

"Hirngespinste"
"Düfte können uns aber auch manipulieren, sie können unser Empfinden steuern, sogar im Schlaf. Alles, was uns an Gerüchen in die Nase steigt, dringt zum Zwischenhirn vor und wirkt dort unmittelbar auf das limbische System. "Das ist der älteste Teil unseres Gehirns, der eine wichtige Rolle beim Entstehen von Gefühlen spielt", erläutert Valder. Mit jedem Atemzug werden Millionen Riechzellen stimuliert, die über das Hirn und die Nervenbahnen Impulse an das Hormon- und Immunsystem weitergeben. Duft umgibt uns überall und kann uns spontan mit einer Welle von Emotionen überspülen." (Aus "Merian" zur Kunst der Duftentwicklung und dem gezielten Einsatz der Düfte : http://www.merian.de/magazin/schleswig-holstein-duft.html)

Dufteinsätze
Natürlich ist die Wissenschaft da schwer hinterher! Wäre ja dumm, wenn nicht! Je nach aktueller öffentlicher Diskussion, also etwa den frisch veröffentlichten PISA-Ergebnissen (wieso lernen andere Kinder besser?) oder januärlich, wie immer die "Gute-Vorsatz-Welle" (ich will abnehmen...) oder im November "Gönnen Sie sich etwas Wellness"..., werden halt unterschiedliche Aspekte des Themas auch populärwissenschaftlich abgehandelt.
Unter Beobachtung halten sollte man, in Zeiten uneingeschränkter Datenspeicherung, meiner Meinung nach, die Experimente, die mit Düften bei der praktischen Verwendbarkeit zu tun haben. Als bekennender Sciencefiction-Fan poltern mir die verschiedensten Experimentierideen nur so aus der Birne... Dagegen sind Fahrstuhlmusik und Duftwolke im Verkaufsraum NICHTS.
Etwas wirklich Schönes dazu möchte ich euch aber nicht vorenthalten:
Um Lernprozesse zu unterstützen: http://www.stern.de/schlaf/geheimnis_schlaf/3-geheimnis-schlaf-nachtarbeit-im-bett-636942.html Hier der entsprechende Absatz: "Der Schlummer bringt den Geistesblitz" Mit Duft nachhelfen: Schnuppern Sie beim Lernen an einem Duft, zum Beispiel an Rosenöl oder an Ihrem Lieblingsparfum. Sprühen Sie den gleichen Duft abends ins Kopfkissen - das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ihr Gehirn noch einmal mit dem Gelernten beschäftigt. Wer Lust auf mehr zu diesem Thema hat, mag sich durch die Links auf dieser Seite lesen: http://www.gedaechtnistraining.biz/Gedaechtnistipps/Duft.htm Besonders spannend finde ich dort die Auflistung verschiedener Aromen und Düfte, denen wiederum eine bestimmte Wirkung zugesprochen wird.

Meine Dufteinsatzerfahrungen
Ergo: Für mein Erinnerungsvorhaben mussten Vintagedüfte her, nicht diese netten, neuen, rosaroten... ihr wisst schon, nicht, dass ich etwas gegen sie hätte, aber die gab es (für mich) einfach "damals" nicht.

Eine meiner überraschensten Entdeckungen bisher war, dass mein Gehirn tatsächlich bei mir bekannten Düften sofort die Namen von alten Schulfreundinnen ausspuckte, inklusive der Zimmereinrichtungen samt etwaiger Begleitumstände, z. T. sogar die Stimmen und Handlungen derjenigen! Wie im Film ;-)
Dazu gehören z. B. Arden: Blue Grass oder auch Halston: Halston (classic), Dior: Eau Sauvage, Rochas: Madame, O de Lancome und Nonchalence von Mäurer und Wirtz, Chanel No 5 sowie Miss Dior, aber auch das (für mich) grässliche Soir de Paris von Bourjois.

Nächste Erfahrung: Unbekannte Düfte wurden nicht nur sofort assoziativ bekannten zugeordnet (Gehirn vergleicht ja sowieso immer), sondern ließen sich auch ohne Umschweife in der "positiven Erfahrungsecke" meines Gehirns nieder, wenn das Modell schon positiv besetzt war: Meinem heißgeliebten Courrèges: Courrèges in Blue haben sich z. B. mittlerweile auch Houbigant: Demi Jour, Lauren: Safari und Caesars: Caesars for Woman, Gianfranco Ferre: Ferre sowie Jitrois zugesellt.
Nun versuche ich mich durch deren Duftnoten zu hangeln und zu entdecken, worin die Gemeinsamkeiten bestehen und welche davon mich besonders stark anziehen. Spannend!!!

Schließlich: Kaum, dass ich derzeit hauptsächlich (wieder) Amazone (leider reformuliert) und parallel Un Jardin sur le Nil von Hermès benutze, zieht es mich magisch zu Fath de Fath und Sublime von Patou oder Volupté von de la Renta hin, empfinde mittlerweile Amber als durchaus angenehm, ertrage sogar süßlichere Düfte. Damit stellt sich mir die Frage: Wie lernt unser Duftgedächtnis? Kann ich einfach so "umsteigen" oder bedarf es eines Gewöhnungsprozesses?
Alles bleibt spannend!

Und gespannt bin ich auch auf eure Erfahrungen zu diesem Thema!

Weitere Artikel: Wer sich mal mit etwas Neurobiologie beschäftigen mag, jenseits unserer individuellen Dufterfahrung, den möglichen Implikationen für daraus folgendes Handeln: Hier weitere kleine Artikel dazu:
Aus der Berliner Zeitung vom 19.12.2012 mit dem Titel "Süßes Wissen". http://www.berliner-zeitung.de/wissen/duftgedaechtnis-suesses-wissen,10808894,16663838.html
Forschungsergebnisse der FU Berlin: http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2011/fup_11_055/
Duftgedächtnis und Hypnotherapie: http://www.hypnosekongress.net/presentation/duftgedaechtnis-und-hypnotherapie/

NACHTRAG:

Sehr gute Grundlage für den Einstieg in das Thema übrigens bei Wikipedia!!!! Unbedingt lesen! Ist zwar sehr wissenschaftlich geschrieben, aber enthält viele äußerst spannende Aussagen zu unserer olfaktorischen Wahrnehmung!
https://de.wikipedia.org/wiki/Olfaktorische_Wahrnehmung
Wusstet ihr, dass erst 2004 (!) der Nobelpreis für Medizin für die Erforschung der Riechrezeptoren und der Organisation des olfaktorischen Systems vergeben wurde? Erhalten haben ihn die Wissenschaftler Richard Axel und Linda B. Buck .Ich war erstaunt darüber, wie wenig man anscheinend zuvor dazu geforscht hatte. In dem Artikel findet ihr auch jeweils einen kurzen Absatz zu:
- Lernen/Gedächtnis
- Olfaktorik und Emotionen
- Konditionierung in der Olfaktorik

Außerdem darin enthalten eine Tabelle zu "Grundgerüchen und den dazugehörigen Geruchsnoten" nach Ohloff.
Das könnte dem/der einen oder anderen hier auch helfen bei der Kommentierung eines Duftes!

Bitte postet hier auch gerne weitere Duftgedächtnis-Artikel

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