Luminosa

Guerlain for Dummies
Untertitel: Mademoiselle Guerlain

Ich gebe es zu: Ich bin keine fanatische Anhängerin der klassischen Düfte aus dem Hause Guerlain, denn ich wurde als Kind schon verpatzt und geprägt.

Diverse Familientreffen und-feiern sind mir bis heute in Erinnerung geblieben- in olfaktorischer Erinnerung. Alle Tanten und sonstigen weiblichen Verwandten wollten uns Kinder drücken und herzen, natürlich mit dem unvermeidlichen Spruch „Mein Gott, bist du wieder gewachsen!“, und dann wurden wir hineingezogen in eine
intensive, und für mich damals grauenhafte Duftwolke von Tante Hilde.

Kaum hatten wir uns befreit und uns Hildchens Lippenstiftabdruck von der Backe gewischt, kam schon die nächste Duftwolke angerollt. Das war dann Tante wasweißich, und das Spielchen ging von vorne los.

In späteren Jahren konnte ich dann Shalimar als Tante Hilde identifizieren, Tante soundso war Mitsouko, et cetera pp. Und damit ist man natürlich vorbelastet.

Ich wurde keine Guerlain-ista, konnte mich mit keinem klassischen Parfum dieses Hauses anfreunden, empfand die ganzen Düfte als unpassend, voluminös, zu sophisticated und distinguished. Diese Düfte ordnete ich eleganten und gereiften Damen zu, und ich bin weder das eine, noch das andere.
Ich bin anders.
Und Aqua Allegoria Pamplelune ist anders.
Aber sowas von.

Guerlain hat mir mit diesem Duft (und auch anderen aus der Allegoria-Serie) einen leichten Zugang zu einigen seiner Düfte ermöglicht.

Das ist ein umwerfend lieblicher Duft, bei dem sich alles um die Pampelmuse dreht. Das Wort „lieblich“ kommt mir sonst nur bei floralen Düften in den Sinn, vielleicht sollte ich eher „liebenswert und freundlich“ sagen.

Eine äußerst aromatische Grapefruit mit pinkem Fruchtfleisch, saftig, mit einem Hauch Vanillezucker bestäubt und einem Spritzer Curacao sehe ich vor mir. Keine quietschende, kratzig spitze Zitrusfrucht, nein, der Duft wirkt warm und umschmeichelnd.

Im Verlauf gesellt sich auch eine schöne, weiche Patchoulinote dazu, meinetwegen könnte die auch noch ein wenig ausgeprägter sein. Dieser Duft ist mit Sicherheit kein Grapefruit-Soliflor, sondern die freundliche Grapefruit nimmt alle ihre Mitspieler in den Arm, wissend, daß ihr Duft mit ihnen zusammen eine Harmonie der
Meisterklasse erreicht.

Shalimar, Mitsouko, Jicky und Konsorten würde ich mit „Bonjour,MADAME Guerlain“ ansprechen, zu Pamplelune sage ich „ salu, MADEMOISELLE“

Es gibt Umstände im Leben, jeder kennt das, da darf jeder alles:
hyperaktive Enkel bei ihren Großeltern,
wilde Welpen bei ihren stolzen Besitzern,
Hofnarren an den Königshöfen,
und Lady Gaga sowieso..

Sowas hab ich mir jetzt auch ins Haus bzw. an den Hals geholt, und, Leute, ich bin stolz wie Oskar, laufe mit verklärtem Blick rum und nichts kann mich mehr aus der Fassung bringen.

Vor einiger Zeit wollte ich mich nach einer stressigen Arbeitswoche mal belohnen und mich in der Stadt bei meinem Lieblingsdealer durch die Regale schnuppern.
Aber gekauft wird nix. Versprochen. EHRLICH!

Bei den ETRO´s angelangt, sticht mir der schöne Flakon ins Auge, der sich abhebt von den mir sonst bekannten ETRO-Duftflaschen. Ok, noch einmal schnuppern, dann geh ich nachhause.

Pffft, Pfft,.....
Und dann war´s um mich geschehen.
Der MUSS einfach mit!

Das Engelchen auf meiner rechten Schulter: Aber wir wollten doch nix kaufen.....
Das Teufelchen zu meiner Linken: Einpacken und mitnehmen!
Engelchen: Denk doch mal an deinen Kontostand......
Teufelchen: Halt die Klappe
Und dann sprach der Teufel aus mir : „Den nehm ich, nehmen Sie auch Visa?“ (blöde Frage)

So, und nun bin ich stolze Besitzerin eines Wunderwerkes, mache ihn fu?r mich zum Duft aller Du?fte, und mein bisheriger Signature-Duft ru?ckt im Schänkchen ab in die zweite Reihe.
Vicolo Fiori zu beschreiben fällt mir erstaunlicherweise äußerst schwer, und die Duftpyramide hilft mir hier nicht im Geringsten. Keine der angegebenen Duftnoten kann ich hier identifizieren, nicht eine sticht heraus.

Der Duft stellt sich mir dar als ein herrlich frischer und sauberer Millefleur,(mit winzigem, herben Fruchtanteil)
aber mit vielen Widerspru?chen:

leicht und freundlich, aber mit richtigem Tiefgang,
floral gru?nlich, aber mit enormer, sehr pudriger Moschus-Kuschel-Komponente,
lieblich, aber nicht su?ss,
ein erwachsener Duft fu?r Junge und Junggebliebene
eine ordentliche Sillage, die aber nahe an der Haut bleibt
ein ziemlich linearer Duft, in dessen Verlauf die frische Pudrigkeit zunimmt, die jedoch von Anfang an deutlichwahrzunehmen ist.

Ich habe im Allgemeinen öfter Probleme mit der Haltbarkeit von Du?ften auf meiner Haut, aber VF ist auch nach vielen Stunden bei mir sehr präsent, hautnah, ohne mich anfangs beim Aufspru?hen in ein Duftgewitter zu katapultieren.

Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß sich die Duftintensität in den letzten heißen Tagen, wenn ich mal ins Schwitzen gekommen bin, durch das Schwitzen noch mal verstärkt. Ein angenehmer Effekt der Transpiration ;-))
Auch habe ich die Erfahrung gemacht, daß dieser Duft Aufmerksamkeit erregt. Kommentare meiner Patienten
reichten von:
„Heid´riachd`s aba guad bei Eana“ (fu?r alle Nichtbayern: „Heute duftet es aber gut bei Ihnen“) bis zu: „Darf ich Sie mal was fragen....?“
Zusammengefasst kann ich nur sagen:

Der Duft hat fu?r mich alles, was ich mir von einem erstklassigen Parfum wu?nsche (mein persönliches "profumum universalis") und daher hat er fu?r mich absolute Narrenfreiheit. Die hat er sich auch schon genommen, und sich mal auf männlicher Haut breitgemacht (also, ich fand´s klasse) Er darf mit zur Arbeit, darf mich in meiner Freizeit begleiten, und er darf mit mir ins Bett. Und diese Privilegien hat sonst nur Einer hier im Haus...