Tautropfenwelt - Hakana-Sa
Kunst ist wichtig. Für mich jedenfalls. Für mich ist Kunst lebenswichtig. So wie atmen.
Und so begab ich mich neulich und ganz unbedarft zur Vorstellung einer Tanzperformance mit dem wunderbaren Titel "Tautropfenwelt"* (*=japan. Hakana-Sa).
In dieser Vorstellung ging es um die Vergänglichkeit von allem im Leben und ein besonderes Augenmerk legte das Ensemble auf das Altern. Ich zitiere aus dem Stück: "Die Vergänglichkeit fordert uns heraus, den Moment zu schätzen und Verbindungen bewusst zu gestalten. Alles ist kostbar, alles vergeht. Was kehrt wieder?"
Und wie ich so dasaß, sinnierte und während der Vorstellung im Programmheft las, stolperte ich über dieses Haiku* (*=traditionelle japanische Gedichtform):
"Wie beneidenswert werden Ahornblätter schön, wenn Sie untergehen." (Shiko)
Ich dachte lange nach über dieses Haiku, seine Ästhetik, seine Wahrheit.
Es brachte mich dazu, über die Vergänglichkeit des Augenblicks zu reflektieren, indem ich Parfum sprühe. Einerseits sprühe ich in freudiger Erwartung, den Duft riechen zu können. Andererseits bewege ich mich bereits gleichzeitig in der Gefühlswelt der Trauer und Verlustangst, da der Flakon sich dadurch unausweichlich dem Ende neigen wird und ich den Duft, wenn er einmal den Flakon verlassen hat nicht werde festhalten können.
Diese zwiespältige Gefühlswelt, in welcher Trauer und Freude, Verlust und Gewinn Hand in Hand gehen...
Sind deswegen Beast Mode Parfums im Trend? Weil man den Duft versucht, festzuhalten? Mir jedenfalls, obwohl ich kein Freund vom Beast Mode Parfum Trend bin, fällt es schwer, die Trauer und Verlustangst darüber nicht zu spüren, während ich den Duft aufsprühe und mich gleichzeitig eigentlich freue, ihn besitzen und sprühen zu können.
Wann immer ich nun mein Parfum sprühe, versuche ich mich an dieses wunderbare Haiku zu erinnern. Das Parfum riecht am schönsten, bevor es "untergeht". Ich versuche mich daran, diesen Augenblick bewusst zu erleben und als Erinnerung im Duftgedächtnis abzuspeichern. Vielleicht kann ich zumindest die Erinnerung festhalten. Vielleicht ist die Erinnerung das, was wiederkehrt... Vielleicht ist die Erinnerung das, was nicht wiederkehrt, sondern bleibt? Vielleicht sollte ich Erinnerung aber auch nicht festhalten wollen. Vielleicht wäre es klüger, weil die Relevanz in der Flüchtigkeit, im Loslassen und in der Beständigkeit der Veränderung liegt...?
"Der Tau tropft und tropft, so wichtig ist unsere flüchtige Welt." (Issa)
Abschließend, weil wichtig möchte ich diese Zeilen aus der Performance noch mit euch teilen:
"Jedes Leben ist kostbar. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Deine Würde ist zeitlos und beständig. Und sie kann Dir niemand nehmen." - Die Choreographie dazu hieß "8-ung".








