Krisengespräch mit dem besten Freund
Die einzige Person in meinem Umfeld, die sich ernsthaft für Parfüm interessiert, ist mein bester Freund. Wir sind schon durch so einige Parfümerien gepilgert – Frankfurt, Düsseldorf, Köln. Unser Geschmack? Unterschiedlich wie Tag und Nacht. Unsere Assoziationen? Manchmal völlig absurd unterschiedlich. Aber irgendwo gibt es dann doch ein paar magische Überschneidungen.
In letzter Zeit hat sich bei mir jedoch eine gewisse Parfümmüdigkeit eingeschlichen. Ich bin zwar immer noch aktiv bei Sharings dabei – klar, der Reiz des Neuen – aber irgendwie haut mich nicht mehr so viel vom Hocker. Ich weiß inzwischen ziemlich genau, was ich mag und was ich absolut nicht ertrage (obwohl, wie sagt man so schön: Ausnahmen bestätigen die Regel). Die Folge: Proben sammeln sich also an.
Oh, die Proben! Sie vermehren sich wie Kaninchen. Sie loszuwerden, ist allerdings ein ganz anderes Thema. Manchmal hat man das Gefühl, Proben im Souk anzubieten ist wie das Verschenken von ungeliebten Weihnachtsgeschenken – lästig. Also, wohin damit?
Die eine Probe landet bei der Nachbarin: “Hier, probier mal! Und viel Spaß damit…” Die andere nimmt mein Mann pragmatisch mit in den Skiurlaub – praktisch, dieser Kerl! Kein schwerer Flakon, kein Problem. Und der Rest?
Zum Glück habe ich einen ganz wunderbaren Herzensmenschen, der ebenso parfümbegeistert ist. Die Tante Tomasz. Er verdient ein Denkmal. Beruflich tingelt er in die USA, geht mal eben für schlappe 150 Dollar in den Sephora für mich und kauft Sachen, die es hier nicht gibt. Kein Zollstress, kein völlig unökologisches Bestellen. Und dann will er dafür auch noch kein Geld! Ich hätte mal irgendwann, irgendein fancy Dinner bezahlt. Aha. Der Spinner. Natürlich verpasste ich ihm dann mal 93 Abfüllungen. Fairer Deal, oder?
Das Drama der Samples
Wir sind nun also im regen Austausch über die unendliche Welt der Duftproben. Er ist natürlich noch nicht durch mit dem Testen (was sagt uns das über unsere Hobbys?), aber immerhin arbeiten wir daran.
Fun Fact: In unserer langen Freundschaft hat er nur zweimal das WhatsApp-Chatten abgebrochen und direkt angerufen.
Das erste Mal mitten in der Pandemie, als ich ihm eine Nachricht schickte, in der ich jammerte: „Ich hab 5 kg zugenommen, weil ich nur noch esse und keinen Sport mache! Er hat eher so die Einstellung ''Nothing tasts as good as skinny feels.''
Das zweite Mal war neulich: Ich auf dem Weg zum Metzger, schicke ihm eine Nachricht:
„Hi Tom, I received a Guerlain sample. Believe me or not – there is a Guerlain perfume I really like and which ticks them all. I am mesmerized. Unfortunately, it’s 550 euros for 50 mL.”
Keine Minute später klingelt das Telefon. Kein Hallo, kein Smalltalk. Nur: „Olivia, don’t buy it! This is ridiculous.”
Ich habe natürlich alle Register gezogen, um meinen Kaufplan zu rechtfertigen. Doch er erinnerte mich daran, wie ich ihn einst erfolgreich davon abbrachte, ein sündhaft teures Saphircollier zu kaufen. Emotionaler Kauf. Kurzschlussreaktion. Am Ende war er mir dankbar.
Ich habe den Duft (noch) nicht gekauft. Stattdessen warte ich jetzt geduldig darauf, dass irgendwer den Verstand verliert und den Flakon im Souk anbietet – natürlich möglichst voll ;). Bis dahin teste ich brav weiter. Ich befolge Tante T.s Ratschlag. Ich habe mir direkt noch eine Abfüllung besorgt. Ausgiebiges Testen.
Ein Duft ohne Schwäche?
Iris Pallida. Schon zweimal lag er im Warenkorb. Aber ich bleibe standhaft. Wobei ich zugeben muss: Ich habe absolut nichts an diesem Duft auszusetzen. Gar nichts. Für manche mag er für den Preis zu gewöhnlich sein. Aber für mich? Ein Argument FÜR den Kauf. Ich kenne keinen Anlass, zu dem ich diesen Duft nicht tragen wollte.
Was sagt ihr so? Vollkommen irre oder kann man mal machen? Für alle die mir jetzt raten, ich solle mir den Duft doch einfach holen, wenn ich so verliebt sei... Side note: Ich habe mir vor ein paar Tagen den Symphony von LV zugelegt (bereue ich nicht! Lieb ich auch). Irgendwann muss doch mal Schluss sein oder?
Cheers,
Olivia
Irgendwo zwischen yolo und "es reicht" liegt die Wahrheit. Es liegt bei dir.
(Aber ey, 550 Euro...I'm with Auntie T., don't do it.
Wie wäre es mit nem Sharing und du behältst nen halben Flakon?)
Wenn man selbst davon überzeugt ist, dass der Preis irre ist - dann ist er es wohl auch für einen.
Mein Vorschlag: Wähle dieses eine Parfum zum hart bleiben und nicht kaufen. Kein schlechtes Gewissen und die Freude an der Gewissheit, seinen Konsum noch unter Kontrolle zu haben.
Das nächste "supertolle" Parfum wird wohl schon bald unter deiner Nase sein und wer weiß - vielleicht nur einen Bruchteil kosten.
In der Einzelbetrachtung sage ich:
1. Nein, Leroy Sane. Kein Givenchy T-Shirt
2. @Olivia1985 besorge dir eine Abfüllung.
Na ja, es bleibt dir eventuell ein halbes Kilo mehr Fett auf den Hüften.
Bei Givenchy hast du immerhin ein T-Shirt. 🤔🤷♀️😄
Meine Meinung: 550.- ist schrecklich viel Geld.
Ein (nicht immer mein) Motto: yolo
Hier lesen Menschen mit, die wöchentlich für einen vierstelligen Betrag essen gehen und andere, die kaum wissen, wie sie ihre Nebenkostenabrechnung bezahlen sollen.
Ob so ein Parfum für 550 Euro „völlig irre“ ist oder nicht, wird daher immer im Auge des Betrachters liegen.
Wenn du mich fragst, ist bei Licht betrachtet so ziemlich alles irre, was über die Erfüllung unserer Grundbedürfnisse hinausgeht. Es ist auch irgendwie irre, regelmäßig Tiefkühlpizza zu kaufen, weil sie teuer ist und unserer Gesundheit nicht zuträglich ist. Wird deshalb weniger Pizza gekauft?
Wir treffen jeden Tag Entscheidungen für Dinge, die nicht objektiv vernünftig sind.
Ist es manchmal hilfreich, die ein oder andere Entscheidung zu hinterfragen? Ja, bestimmt. Aber man muss an einem 550-Euro-Extrait nun auch kein Exempel statuieren. 😉
Aber wenn man denkt: einmalig 550 Euro verbraten und dann jahrelang Freude, dann würde ich ihn mir kaufen.
Ich finde, Tante T. hat Recht.