Poesiefanny
Poesiefannys Blog
vor 2 Jahren - 08.04.2022
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Jammerblog zum Thema SORTIMENTWECHSEL

Kaum findet Frau die passende Lippenstiftfarbe und ist glücklich, wechselt der Herstellerkonzern die Farbpalette und man muss hektisch ein paar Exemplare bunkern. Kaum hatte ich meine letzten beiden Lieblingsdüfte erhascht, waren sie Restposten und flogen aus dem Verkauf.

Die Suche nach Vergleichbarem ist so gut wie nie zufriedenstellend, da einem ohnehin das lost paradise verklärter und schöner erscheint als alles, was man sich für die Zukunft vorstellen kann. Das gilt auch für die verflossene Schulzeit und die Musik, die in der Jugend IN war. Sowie Beziehungspartner, die man aus guten Gründen hinter sich gelassen hat.

Bereits Schiller schrieb über solch elenden Zustand ein ellenlanges Jammertraktat. Vermutlich ist es zu Recht in Vergessenheit geraten oder überhaupt gar nicht erst gelesen worden ...

Zudem muss man dieses innere Bild auch noch innerlich wieder umschreiben, um nicht ständig bedröppelt durch die Gegend zu laufen. Da nutzt dann auch der schönste Lipstick und Restpostenparfum gar nix mehr!

Meine Mutter war eisern im Diäthalten und gertenschlank. Dies bewerkstelligte sie mit Hilfe eines betonartigen Fruchtquarks, welchen sie als Ersatzmahlzeit anrührte und mit großem Wohlbehagen verzehrte. Ja, es schien ihr besser zu schmecken als das, was sie ansonsten auf den Tisch brachte - was vielleicht nicht für ihre Kochkunst spricht. Jedoch ließ sie mich mal davon probieren und ich muss sagen, der Beton mundete wirklich köstlich erdbeerig :-)

Nun waren wir aber anscheinend die Einzigen, welche sich voll Begeisterung über diese geniale Erfindung austauschten. Denn keiner kaufte wohl jene teure Delikatesse außer uns, und so boten die Apotheken schon bald keinen Nachschub von dem Zeug.
Wahrscheinlich kleisterte es alle Mägen zu, was für die vitale Zähigkeit meiner Familie spricht. Bis heute jedenfalls ein tragischer Verlust für meine Mutter.

Um all diesen inneren Bildern des Verlustes toller Konsumprodukte und der schlechtgelaunten Suche nach Ersatz zwischen ebenfalls regelmäßig umgestellten Regalreihen scheußlicher Supermärkte zu entfliehen, lest Floyds neueste berauschende Rezension zu einem Duft, der so viel Nebel rund um eine Rose namens Otto erzeugt, daß man von ihm ummantelt einfach gar nichts mehr denkt, sondern nur noch IST. (Without words, von Anna Zworykina)

Bis man umso bereitwilliger auf den Lockspruch einer Drogeriekette hereinfällt: Hier BIN ich Mensch, hier kauf ich ein !

Da gefällt mir das türkise Motto besser: Come in ... and find out!
Das hat diese Kette sicher schon viele Kunden gekostet, die das wörtlich nahmen.

Aktualisiert am 09.04.2022 - 06:24 Uhr
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