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vor 7 Jahren - 16.12.2016
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Freitägliche Hauptstadt-Sonnenaufgangsimpressionen

Recht oft sehen gelassen hat sie sich nicht, die klar-beige-kalte Wintermorgensonne, in den vergangenen Tagen und Wochen. Umso wohlgemuter sauge ich daher die flirrenden Strahlen der Gegenlichtbilder, die hoch-kontrastierenden hell-dunkel Impressionen der spätmorgendlich-jungfräulichen Hauptstadtsonne in mich ein, während ich „hoch zu Zuge“ im Obergeschoss des RE 1 (Meine klare Empfehlung an alle Besucher der Stadt – mit dem ÖPNV-Ticket kann man auch den Regionalzug nutzen – und aus dem Obergeschoss im Doppelstockzug hat man einen tollen Foto-Blick auf die Berliner Innenstadt) 'gen Osten aus der Metropole flitze. Schöne sphärische Klänge auf den Lauschern und heute mal nach langem wieder "Boss Bottled" unter Hemd und T-Shirt. Ein ganz alter Vertrauter, dieser gelbe Boss im schlichten Flakon. Er hat mich nie im Stich gelassen. Genau wie mein Berlin. Immer wächst sie diese Stadt. Seit 25 Jahren sehe ich sie wachsen, wachsen, wachsen und werden, werden, werden. Und seit 25 Jahren bin ich mit ihr gewachsen und geworden. Berlin, meine große alte Liebe mit all den Sorgen, Streits und dem vermeintlichen Auseinanderdriften und Sich-Wiederfinden in großartigen Beziehungen. Und in dieser tiefen Gebundenheit sind wir eins, mein Berlin und ich und lassen uns nie im Stich.

Das Boss Bottled duftet wunderbar privat in winzigen Wölkchenschüben, wenn ich zum Kaffeebecher greife oder am Notebook hantiere, um meine Nase. Einer meiner ganz alten, vertrauten, immer mal wieder hervorgeholten und bewährten Düfte.

Am Bahnhof Friedrichstraße, da wo Erich Kästner sein Pünktchen auf der Brücke Streichhölzer verkaufen lässt – ich muss so oft daran denken, wenn ich hier morgens umsteige, da wo ich allmorgendlich (und allabendlich) die Züge wechsle gibt es einen „Body Shop“ und ob der 10 Minuten Wartezeit und des Zugig-kalt-zugigen Bahnsteiges hatte ich beschlossen, die Herrendüfte der mir sonstweilig eher fremden Kette zu erproben. Drei Papierstreifchen liegen entsprechend neben mir auf dem Tischchen im Zug - „Arber“, eine sehr zurückhaltende, beerig-frische, etwas seifige, mit versteckten Weihrauch, vielleicht Bergamott-Noten unterlegte Komposition - vermutlich nur kurz verweilend auf der Haut und schnell verhallend aber doch mit einem Nachklang, der in der Nase verbleibt und sie fordert.

Dann „Activist“ – viel holziger und ledrig mit ein paar süß-zimtigen Nuancen darüber – lieblich-ledrig, auch wenn Ihr Euch das nicht vorstellen könnt – muss man mal errochen haben. „Activist“ – das riecht einerseits spannend, könnte aber auch völlig schief gehen. Zu pudrig und süßlich-schwer könnte er einem vielleicht einen Tag vermiesen.

Und schließlich – das dritte Streiflein - der waldig-frisch-erdige „White Musk“. Ein bisschen simpel gestrickt, aber im Gesamtbild nicht unschön. Frische Triebe, die aus der Rinde von altem, tot geglaubten Holz, aus zertretenen Samenkapseln ihre grünen- kleinen Ärmchen dem Sonnenlicht entgegenstrecken. Zitrisch ein wenig überlagert, ein Frühlingswald mit Vogelgezwitscher. Ein schöner Frühlingsduft – so erfrischend, dass ich mich um 4 Monate nach vorne geworfen fühle und sich das Graubraun der Felder vor meinen sonnenlicht-durchfluteten-sphärisch-untermalten-frühlingshaft-frisch manipulierten Sinnen in eine liebliche Blumenlandschaft zu wandeln scheint.

Gedankenverloren der Musik und den jetzt sanften beige-grau-Tönen der weiten Brandenburgs lauschend, ab und an einen Hauch Boss Bottled in der Nase beginne ich in der parfumo Datenbank nach den Erfahrungen anderer und ihren Kommentaren zu „Arber, Activist und White Musk“ zu forschen.

Euch allen ein wunderbares Wochenende…

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