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vor 7 Jahren - 12.01.2017
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Geruchs- und Aromaverschiebungen - Kaffee und Mineralwasser

Das Thema Kaffee in einer der Antworten auf meinen letzten Blogeintrag brachte mich auf eine kleine Anekdote, die ich Euch erzählen möchte und die das unten schon angeschnittene Thema – "wo ist die Grenze zwischen Duft und Gestank?" – nochmals unter einem anderen Blickwinkel beleuchtet.

Im Sommer 2006 war ich an einem glühend heißen Julitag in einem Leibniz-Institut in Frankfurt /Main zum Pitch einer Reihe von Werbeagenturen eingeladen, die das Marketing für ein gemeinsames Projekt mehrerer Forschungseinrichtungen begleiten sollten. In dem kaum klimatisierten, fensterlosen Konferenzraum herrschten geschätzte 35 °C. Durch viele schwitzende und leidende Zuhörer und Agenturmitarbeiter war die Luft sauerstoffarm und übersättigt mit Luftfeuchte. Vor Beginn der Session hatte ich mich reichlich mit einem großen Becher frischen Kaffees sowie einem zusätzlichen Glas munter sprudelnden, weil stark kohlensäurehaltigen, eiskalten Mineralwassers versorgt, um so wenigstens dem Dehydrierungstod zu entrinnen.

So saß ich dort schwitzend und versuchte mir das herabfallen der Augenlieder nicht anmerken zu lassen vor meiner Tasse dampfenden und äußerst starken Kaffees. Wohl ob der hohen Umgebungswärme schien sich das Heißgetränk weigern zu wollen, abzukühlen. Um rascher in den Genuss des Kaffees zu kommen, beschloss ich das freie Volumen in der Kaffeetasse mit dem kalten Sprudelwasser aufzufüllen. Ein elementarer Fehler, wie sich sogleich herausstellte. Der Effekt war geruchlich und geschmacklich verheerend. Der eben noch duftende Kaffee hatte einen geradezu abscheulichen Geruch und Geschmack angenommen. Jauchebrühe! Dieses „Umkippen“ eines Kaffees, nur weil man ein bisschen kohlensäurehaltiges Mineralwasser zugibt, beschäftigte mich die restliche Zeit jenes Tages. Auch, weil ich jetzt nur noch den Rest Mineralwasser als Versorgungsreserve übrig hatte. Was war mit diesem Kaffee passiert? Mir war damals aufgefallen, dass ich eigentlich nichts weiter zu Kaffee wusste, als dass er normalerweise lecker riecht und schmeckt und in der Regel Koffein enthält. So begann ich Kolleginnen und Kollegen – ich arbeitete damals in einem Institut im Chemiebereich – zu befragen.

Folgendes hatte ich entsprechend in Erfahrung gebracht. Während des Röstvorganges reagieren die Proteine und Eiweiße in den sich bräunenden, fermentierten und getrockneten Kaffeebohnen zu einer Vielzahl neuer Substanzen und Aromen. Neben dem die Lebensgeister erfrischenden Coffein sind heute bis zu 1200 verschiedene Inhaltsstoffe in verschiedenen Konzentrationen erforscht. Die Präsenz und die Konzentration von gerade mal ca. 25 dieser 1200 Inhaltsstoffe bestimmen dabei den ganz speziellen Kaffeeduft, den wir i.d.R. als würzig und anziehend empfinden. Schon kleine Änderungen in den Mengenverhältnissen dieser 25 Kernaromaträger können unser geruchliches und geschmackliches Empfinden stark stören. Mineralwasser enthält – wie dies der Name schon sagt – neben Kohlensäure, H2CO3 – verschiedene Mineralstoffe, die als Salze im Wasser gelöst sind. Wird kohlensäurehaltiges Mineralwasser in den Kaffee geschüttet passieren zwei Dinge – zum einen wird der pH-Wert des Gemisches stark verändert, zum anderen bilden die Salze mit einigen der Aromastoffen schwer lösliche Komplexe und blockieren diese. Durch diese beiden Effekte werden die Misch- und Mengenverhältnisse der Aromastoffe im Kaffee deutlich verändert. Unsere auf die sehr exakte Mischung der oben beschriebenen ca. 25 Kernaromen geeichten Riechsinne nehmen diese neue Geruchsmischung als etwas unvertrautes, fremdes wahr. Und um uns zu schützen vor dieser - unseren olfaktorischen Sinnen unvertraut riechenden Flüssigkeit – denn das ist ja der Kern aller Gerüche, ein Mechanismus um das Überleben eines Spezies durch die richtige Auswahl von Nahrung und Getränken zu steuern – nehmen wir den veränderten Kaffee als eine übel riechende Jauche wahr.

Damit nähere ich mich wieder meiner Theorie, dass die Linie zwischen Duft und Gestank eine sehr fein gezeichnete, filigrane Grenzziehung darstellt. Ich könnte mir vorstellen, dass ein x-beliebiger „Drogeriemarktketten-Duft“ durch das Hinzufügen weniger, unsere Duftharmonien störender Nuancen aus einem unseren Nasen tendenziell fremden Duftumfeld zu einem ungeheuer spannend wirken Gesamtensemble verschmolzen werden könnte, sofern die störenden Noten nur entsprechend stark ausgedünnt im Gesamtportfolio enthalten sind.

Ich stelle fest, dass ich mehr und mehr Lust bekomme, eigene Duftzusammenstellungen auszuprobieren. Vermutlich sollte ich damit allerdings warten, bis die absehbar kommenden, wärmeren Jahreszeiten ein Experimentieren im Gartenhäuschen zulassen um den Frieden im Haus und die Harmonie mit den Nachbarn nicht nachhaltig zu gefärden.

Sollte einer von Euch übrigens immer noch nicht genug haben an Infos rund um das Thema Kaffee, so möchte ich diesen auf ein schon ein paar Jahre altes, aber immer noch sehr informatives PDF auf den Servern des WDR zur Sendereihe Quarks & Co hier (http://www.wdr.de/tv/applications/fernsehen/wissen/quarks/pdf/kaffee.pdf ) verweisen …

Gespannt auf Euer Feedback und wie immer mit herzlichen Grüßen – Euer RiechArt

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