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vor 7 Jahren - 17.12.2016
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Einkaufen zum Fest der Freude

Naja, es war klar – irgendwann klappte es nicht mehr, mich dem vorweihnachtlichen Einkaufsgerausche zu entziehen. Heute ging es in ein mittelgroßes Einkaufs-Paradies im Norden Berlins. Wer hat nur diesen Begriff erfunden – Einkaufsparadies? Ich war vorbereitet. Der classic-rote Jaguar durfte mich – relativ dick unters Hemd genebelt begleiten. Ich habe extra ein schönes, neues und vor allem rotes Hemd angezogen um die Harmonie zwischen dem Classic Red und meinem Erscheinungsbild zu untermalen. Überall im Einkaufs-Paradies weihnachtelt es ganz furchteinflößend. Es glitzert, christbaumkugelt, klunkert. Weniger könnte mehr sein – hier ist nichts weniger und alles ganz fürchterlich viel Mehr.

Wir beginnen bei Olymp & Hades, schicke Klamotten, „lasst uns froh und munter sein“ – noch pfeife ich leise und irritiert mit. Meine beiden Frauen verlieren sich begeistert in den Tiefen des Ladens. Ich stehe zwischen Kleiderständern, Palettenstößen mit endlos-gleichaussehenden Jeans – die meisten mit Löchern in den Beinen – und langweile mich. So sind vermutlich viele Männer meiner Generation. Wozu Kleidung-Shoppen? Eine Jeans, einmal gekauft hält 5 bis 10 Jahre. Wenn sie dann ganz abgetragen ist und tatsächlich Löcher kriegt – ob des langen Gebrauchs - schmeißen wir sie weg und kaufen eine Neue. Eine Neue! Nicht 15! Und - wegen der Löcher schmeißen wir sie weg. Ich betone „wegen“! Hier zahlt man ein Vermögen für die Löcher. Merkwürdig.

Es gibt aber auch lustiges zu beobachten, wenn man seine Sinne in alle Richtungen ausstreckt. Da gibt es eine Bekleidungsmarke, die heißt „Apricot“. Nie gehört, aber ich bin da bestimmt auch kein Maßstab. Bei Apricot würde ich nun viele gelblich – orangene, vielleicht rot angehauchte Kleidungsstücke erwarten – eben aprikosenfarbige – zumindest bunt-warme Farben - aber an den Kleiderhaltern hängen nur Pullis in Grau, Anthrazit, Schwarz. Das muss ich fotografieren (findet Ihr unten). Das Marketing von Apricot würde ich auswechseln lassen. Die Firma sollte „Grey Mouse“ heißen.

Ich lasse meine Frauen kurz im Stich um mir bei McDonalds einen kleinen Kaffee zu besorgen und komme – wie es der Zufall will – an TK-Max vorbei. „Rudolph the Red Nose Raindeer“ brennt sich mir in die Gedanken – ich summe unfreiwillig mit. „Rudolph the Red Noise Raindeer“ sollte es heißen. Ich schweife ab - zurück zu der TK-Max Erfahung. Haben mir nicht so viele hier schon von den Schnäppchenkäufen bei TK-Max erzählt. Ich biege in den Laden ein, suche die Duftabteilung. „Gütiger Himmel“! Drei Regalreihen ohne irgendeine Systematik. Herren- und Frauendüfte wild durcheinander, nichts passt zu nichts. Und darum herum ein vorwiegend weiblicher, summender und schwirrender Bienenschwarm. Ich sehe einen Flakon, der dunkelblau-männlich aussieht, meine Hand schiebt sich vor – schwups – hat ihn eine andere Hand seitlich an mir vorbei weggezogen. Holla – das ist kein Einkaufen mehr, das ist ein vorweihnachtlicher Kriegsschauplatz. Bloß weg hier.

Zurück zu dem griechischen Himmel- und Hölle-Laden. Vor den Umkleiden gibt es immerhin ein paar Sitzpolster und ein anderer begleitend-leidender Papa hat dort schon Position bezogen. Das Gesicht in sich gekehrt, leicht verzweifelt, die schöne Lebenszeit an sich vorbeihuschen-sehend. Ich geselle mich dazu - einen Blick getauscht und wir wissen - gleiches Schicksal. Frauen probieren voll Leidenschaft riesige Kleiderstapel. Immerhin habe ich einen Kaffee. Welch ein Privileg.

Der rote Jaguar von heute Morgen ist mein stiller Trost. Immer wieder erhasche ich ein Wölkchen und genieße - denke an einen Wochenmarkt im Sommer mit Obstständen und vielen, vielen reifen Beeren. Der Jaguar ist aber auch eine Triebfeder. „Ein Shopping-Paradies hat bestimmt auch Drogerien - und Drogerien haben Düfte-Abteilungen“ sage ich mir. Ich beschließe - die winterlich warmen, im Einkaufszentrum indes völlig unnützen Jacken von Frau und Tochter ins Auto zu tragen, dies dabei als Vorwand nehmend – ein bisschen auf die Pirsch zu gehen. Rein zufällig komme ich dabei an einem DM-Markt vorbei. Gibt es überhaupt Zufall oder sind es immer sich selbst organisierende, Unterbewußtseins-gesteuerte Affekthandlungen. Zu kompliziert, das zu durchdenken ob all der Glitzerkugeln, Tannenbäume. „Oh du Fröhliche“ meißelt sich mir ins Gehirn und angewidert summe ich mit. Schnell zum Herrenduft-Regal. Papierstreifchen erhascht und ausprobiert. Ich versprühe „Beckham Instinct“, „Beckham Classic“ und „Bruno Banani - Magic Man“. Die Fotoabteilungen von Drogeriemärkten sind für einen Parfümtester extrem wichtig – stelle ich fest - denn da gibt es immer an einem der Fotoabgabe-Selbstbedienungscounter irgendwo einen billigen Einwegkugelschrauber – gegen Diebstahl mit einem massiven Stahlseil gesichert - mit dem man seine Papierstreifchen beschriften kann. Jetzt hab ich ein Duft-Spielzeug zum Schnuppern und analysieren und raten. Streifchen eins David Beckham‘s „Instinct“ – hmm, nett, frisch, irgendwie gewürznotig aber in keinster Weise einzigartig. Eben nett. Preislich extrem unambitioniert.

Zurück bei meinen Frauen wechseln wir zu H&M. Genauso langweilig – hier gibt es noch nicht mal mehr eine Sitzgelegenheit. Aber ich habe was zum Schnüffeln dabei – da vergeht die Zeit schneller. Eine Mutter berät bei den Umkleiden ihre Tochter: „die hat ja lauter Löcher“ (gemeint ist eine Hose und insgeheim gebe ich ihr Recht). Tochter (sehr, sehr genervt von Mama) „Das ist in. Das haben alle“ (Mama – sehr, sehr genervt von „in“, „alle“ und Löchern) „Ich gebe doch kein 70 Euro für eine kaputte Hose aus“ (wieder gebe ich ihr insgeheim Recht, hüte mich aber, mich einzumischen und schiebe mich unauffällig in eine andere Ecke des Ladens). Die Zeit verrinnt sehr langsam. Es glitzert. Jingle Bells“ aus knarrigen Kaufhaus-Lautsprechern. Hasserfüllt stimme ich ein und schnüffle.

Streifchen zwei – das „David Beckham Classic“. Fast hätte ich gedacht, ich habe die beiden Beckhams durcheinander gebracht, so ähnlich sind sie sich. Das „Classic“ und das „Instinct“. Vielleicht werden sie in einem großen Kessel gemeinsam angesetzt und nur am Ende wird in jede Abfüll-Linie noch ein bisschen „Spezial-Detail“ gefüllt. Das Classic ist ebenfalls unscheinbar frisch, ein wenig holziger als der „Instinct“ und etwas weniger „gewürzig“. Wiederum aber keine „Entdeckung fürs Leben“.

Ladenwechsel – Bijou Brigitte. Es glitzert nicht mehr nur, es ist ein orgiastisches Glanz-Gebrülle. Soviel Kunstschmuck, so billig, so klunkerig, so palettig und straßig. Vor meinen Augen verschwimmen Ketten, Gehänge, Ohrringe, Swarovski-Steinchen, Glasschmuck. Im historischen Amerika hätte man den Ureinwohnern damit einen ganzen amerikanischen Bundesstaat abkaufen können. „Rudolph the Red Nose Reindeer“ mischt sich mal wieder ins Geglimmere, Gewühle und Gehänge. Ich summe misslaunisch mit – wer kann sich dem entziehen. Ich kann wenigstens Schnüffeln. Streifchen drei war das „Bruno Banani - Magic Man“ – hmm – besser als die beiden ersten. Intensiver, männlicher. Immer noch eine frische Note aber darunter mehr Tiefgang. Den muss ich bei Gelegenheit mal auf der Haut testen.

7 Läden später kommen wir gemeinsam am DM-Drogeriemarkt vorbei und müssen natürlich hinein. Durch 4 weitere Weihnachtslieder (angewidert bis angeekelt mitgepfiffen), viereinhalb Tausend Christbaumkugeln, 7 lebendige und 926 Kunststsoffweihnachtsmänner, 4300 Kilometer Weihnachtsgeschenkpapier, eine Dreiviertel Million Weihnachstkarten, Schleifchen, Kunsttannenbäumchen, Lämpchen hunderte von Sternchentellern und den permanenten Weihnachtsplätzchenduft förmlich trunken - werde ich am Herrenduftregal leichtsinnig. Sehr leichtsinnig. Mein Kreuz tut weh vom langen stehen - wohlan „Mexx Man“ auf den Hals (4 Spritzer – ich rieche nichts! Hallo? Nichts! Kein Echo. Kein Geruch. Vielleicht da – ganz fern ein Hauch Ethanol. Und irgendetwas Frisches. Sehr, sehr dünn…) , „Jaguars Pace“ ans linke Handgelenk (zoooom – was ist das denn, irre. Mit dem muss ich mich später noch ausführlich befassen) ans rechte Handgelenk „Jaguars Classic Black“ (Ordentlich. Ein altmodisches Wort. Trifft diesen Duft aber perfekt. Mit dem kann man bestimmt nichts falsch machen. Tiefgang und Frische. Sehr, sehr lange Haltbarkeit stelle ich später am Abend fest. Der Handrücken duftet immer noch entfernt, trotz mehrfachen Händewaschens. Ein recht komplexer Spätgeruch. Jaguar in summa beeindruckt mich immer mehr) ausgebracht und bloß nichts durcheinanderbringen.

„Oh Du Fröhliche“. Ich pfeife enthusiastisch mit und ernte vorwurfsvolle Blicke. Ein Ehepaar neben mir ist in Streit geraten, wer-wem-welchen Duft zu Weihnachten schenken sollte, Es glitzert und funkelt. Der „Pace von Jaguar“ ist der Hammer. „Pace“ heisst übersetzt wohl Tempo, Speed. Passt zur Umgebung. Die Kasse klingelt verzweifelt nach Kleingeld. Das Pace nachgesprüht - noch feucht am Handgelenk - etwas viel und leichtsinnigerweise - an die juckende Nase geführt. Jetzt ist alles Pace. Weihrauch. Völlig erschlagen. Weihrauch pur. Wahnsinn. DM wird zu einer Hallenkirche. Die Menschen zu betenden Mönchen. „Stille Nacht“ reisst mich aus meinen Pace Träumen und meine Frauen mich an die Kasse.

Es ist geschafft! Überlebt! Juhu! Nur noch die Schlange am Kassenautomaten vom Parkhaus, der Ausfahrt-Stau und ab nach Hause. Ruhe. Völlig erschlagen. Abends jetzt meinen kleinen Blog Eintrag fertig geschrieben. Der Jaguar „Pace“ duftet immer noch ganz sanft vom rechten Handgelenk. Zum Weihrauch ist in der größeren Verdünnung und mit mehrfach gewaschenen Händen jetzt etwas herrlich Holziges hinzugetreten. Langsam kehrt die echte, ruhige vorweihnachtliche Stimmung des Friedens wieder in meine Seele ein. Immerhin – eine tolle Entdeckung heute getan! Oh Du Pace. Du wirst meins, kommende Woche, wenn DM wieder geöffnet hat.

Ich summe zufrieden ein "Rudolph the Red Nose Reindeer" gar nicht so schlimm, jetzt - Euch, meinen Blog Lesern, einen frohgemuten 4. Advent…

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