RiechArt
RiechArts Blog
vor 9 Jahren - 21.01.2017
6 13

Erstarrende Gerüche im jahreszeitlichen Klarkalt

Kalt war es in der zurückliegenden Woche in der Hauptstadt. Und in Potsdam. Da war ich am Dienstag an der Uni. Mitten im Park Sanssouci. Wunderbar klarkalte sonnendurchflutete Schinkelfassaden vor weißschneebedeckten Parkanlagen, Hecken, Mäuerchen.

Gefühlt erlebe ich den Winter seit Jahren aufgeteilt in zwei Hälften. Die Zeit vor Weihnachten und die Zeit danach. Eine vom Menschen gezogene, willkürlich der Natur auferzwungene Grenze. Vielleicht. Vielleicht in unseren Breiten auch eine klimatische Grenze. Ausgeprägt für mich jedenfalls eine Zesur, ein Schnitt im Winter, jenes Weihnachtsfest.

Dort die Zeit vor dem Fest - meist eher regnerisch, hoffnungsvoll, hektisch und irgendwie jahreszeitlich und manchmal auch kräftemäßig ausklingend zugleich. Die durch Backwaren, Weihnachtsmärkte, Grünkohl und Festtagsbraten, Zimt-und-Schokoladengeruch geschwängerten Vorweihnachtsdüfte fordern unsere Nasen. Wir Menschen bemühen uns, durch tradiert-musikalische, olfaktorisch-schwere, warmgelb-lichtdurchflutete Erinnerungslandschaften eine an Kauf- und Wunschtraumlandschaft unserer Kindheiten anknüpfende „Wir-haben-uns-doch-alle-lieb-Stimmung“ zu wecken – ein gemütlich-vorfreudliches Grundrauschen schwingt durch Stadt und Land und erfüllt unsere Herzen und Gemüter.

Und dann der Januar und der Februar. Beginn einer nicht enden wollenden Wartezeit auf die Farben und die Gerüche des Frühlings. Oft bitterklarkalt reduziert jene zweite Winterhälfte unsere erlebte, gefühlte und Erfahrungs-vergleichende Wahrnehmung auf das Menschliche. Die Städte grau, die Landschaften in blau-weissen-Kaltlichtfarben. Mehr Sonnen-Aus- und –Untergänge als Tage, flache Lichtstrahlen. Und mir fällt auf – wie arm an natürlichen Gerüchen diese „echte Winterzeit“ ohne den Vorweihnachtsrummel doch ist. Wie die Natur und unser Fühlen scheint auch die Fähigkeit unserer Umwelt, Wohlgerüche auszusenden zu erstarren. Der Wald – sonst gefüllt mit Geruchssinn-fordernder Vielfalt aus Moosgeruch, Moder, Blüten-, Laubzersetzungs-, Keim-, Tier- und vielleicht Pilzgeruch liegt geruchsneutral und schlafend unter seiner weißen Schneedecke. Dieses Erstarren auch der Gerüche ist chemisch einfach zu erklären - aber im Erfühlen schwierig zu erfassen und zu beschreiben.

Na – jetzt habe ich den Bogen aber weit gespannt. Denn da kommen jetzt die menschgemachten Düfte ins Spiel. Gerade ob der fast völligen Geruchsleere um uns herum – glaube ich an mir selbst zu beobachten – steigt die Lust an Parfüms. Vielleicht wollen unsere Nasen ja ebenso beschäftigt werden wie unser Ohren und Augen. Musik und bewegte Bilder umgeben uns unentwegt. In Form natürlicher Bilder und Geräusche und in Form von Unterhaltung, Musik, Nachrichten, Fernsehbilder, Videos usw. – für unsere Nasen gibt es – Parfümerien. Oder Drogeriemärkte. Kann man seine Nase eigentlich trainieren? Viele Parfumo Mitwirkende können zum Beispiel, wenn sie ein Parfüm beschreiben, ganz klar definieren – hier ist das Zedernholz, hier ist der Pfeffer, hier der Muskat usw. – wie kommt man zu dieser Erkenntnis? Kauft man sich dazu die entsprechenden ätherischen Öle in Original- und Reinform und schnuppert sich durch und erlernt die Nuancen?

Überhaupt bin ich gerade an einem gefühlten Haltepunkt angekommen. Ich hab einiges ausprobiert, was die Community empfohlen hat, hab ein paar Düfte für mich gefunden, die mich beschäftigen und die ich neben dem altvertrauten und geliebten Fahrenheit beinahe auch als Signaturdüfte bezeichnen würde (den Sultan de Muscat und den Jaguar Classic Gold nämlich), hab mit dem Breath of Gold mal was ganz außergewöhnliches für spezielle Gelegenheiten entdeckt – wo aber mache ich jetzt weiter? Oder soll ich mich mit dem Erreichten zufrieden geben? Das wäre in jedem Fall pekuniär günstiger. Ratet mir zu einem Weg, liebe Blogleser.

In diesem (und in vielem anderen Sinne) Euch ein wunderschönes Januarwochenende

6 Antworten
ChaiTeeChaiTee vor 9 Jahren
Ich denke, dass man nicht zwanghaft nach neuen Düften suchen muss. Also eher zufrieden sein. Irgendwie begegnet einem doch immer mal wieder was Neues. Suchen braucht man da nicht.
PreciousPrecious vor 9 Jahren
Schöner Blog. Ich denke, es ist besser einfach mal das zu genießen was man hat und sich auf den Frühling zu freuen. Sich nicht in den Sog des ewigen Parfumtestens zu begeben, denn man kauft weit mehr als man will. Durch ständiges Testen entsteht eine Unruhe im Leben, die zwar der Nase ständig neue Freuden bereitet, aber den Genuss nicht wirklich steigert. Am Ende kann man all seine Düfte gar nicht mehr wertschätzen u. auch nicht alle tragen. Ich weiß wovon ich schreibe :o)
ChaiTeeChaiTee vor 9 Jahren
Stimmt. Bis zum Jahreswechsel brauch ich es auch irgendwie kuschlig, zimtig, würzig, warm. Wenn ich jetzt rausgucke - die kalte Januarsonne leuchtet durch meine ungeputzten Fenster - herrscht auch draußen ein ganz anderes Licht. Heute ist "Assenzio"-Wetter. Klar, kalt-warm - der käme mir vor Weihnachten nie in den Sinn. Könnte Dir unter Umständen auch gefallen ;)
SerafinaSerafina vor 9 Jahren
Und zu Deiner Frage: ich würde weiter Dufterfahrungen sammeln und Proben testen! Heißt ja nicht gleich, den Duft auch zu kaufen. Warum stehen bleiben?
SerafinaSerafina vor 9 Jahren
Mir geht es ähnlich mit der Einteilung des Winters, auch wenn die erste Hälfte für mich erst Mitte Januar endet, wenn die Weihnachtsdekos auch im Privatbereich verschwinden. Diese Zeit empfinde ich meist als sehr trostlos und bedrückend, besonders, wenn kein Schnee liegt und das triste grau und braun freundlich zudeckt. Februar ist mein Horrormonat! Mehr Licht? Ich brauche Blumen und Grün! Aber das gibt es meist erst ab März. Um so mehr Grund, sich mit Parfum zu trösten!
FluxitFluxit vor 9 Jahren
Treffende Unterscheidung der Winterzeiten!
Zu deiner Frage: Ohne weitere Käufe deine Schätze - Parfüm UND Zufriedenheit genießen. Tausend Faktoren treiben uns zum Konsum. Wer innehalten kann, tut sich damit Gutes.

Weitere Artikel von RiechArt