
Sapho
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Zadig, oder das Schicksal (frei nach Voltaire)
Zur Zeit des Königs Moabdan lebte in Babylon Zadig, ein vollkommener Jüngling.
Er stammte aus einer noblen Familie aus Messina, die ihren Reichtum der
Gewinnung von Bergamottöl verdankte. Zum Frühstück aß er duftende Orangen und
süße Pfirsiche. Stets roch seine teure Kleidung nach feinsten Aldehyden. Als die
Zeit kam zu Heiraten, wurde ihm Semira versprochen. Sie war die beste Partie in
ganz Babylon. Semira trug ein Parfum aus den erlesensten Düften der Zeit:
Rose aus Damaskus, Jasmin aus der Provence, florentinische Iris und in Honig
getränkte Nelke. Der Tag der Vermählung kam näher und die Brautleute schätzten
sich glücklich. Eifersucht und Neid waren aber auch damals schon allgegenwärtig,
und so versuchte der Neffe des Ministers, der grausame Orcan, Semira zu
entführen. Zadig verteidigte seine Braut mit aller Kraft und es gelang ihm, sie
zu retten, wurde dabei aber selbst schwer verletzt. Eine tiefe Wunde am Auge
wollte nicht heilen und selbst der große Arzt Hermes gab dieses linke Auge
verloren. Ganz Babylon litt mit dem jungen Helden, man brachte ihm Tinkturen aus
Eichenmoos, Mysore-Sandelholz, Zimt und Vanille zu Trost und Heilung, auch Tolu-
Balsam und Ambra fanden sich ein. Nur Semiras Herz blieb kalt. Sie finde, so
sagte sie, Einäugige abstoßend und machte Hochzeit mit Orcan. Als Zadig dies
erfuhr, verlor er das Bewusstsein und erdiger Patchouli-Duft lag bald wie ein
Todesbote in der Luft. Zum Glück kam eben da ein einfaches Mädchen, Azora,
zu dem Kranken, die mit der Zibetkatze abgelauschten Künsten den Helden zu neuem
Leben erweckte. Er kam zu neuen Kräften, selbst das kranke Auge heilte ab.
Dankbar und glücklich nahm Zadig Azora zur Frau.
Emilio Pucci war ein ungewöhnlicher Mensch. Er stammte aus einer der ältesten
florentiner Adelsfamilien und wurde nicht nur in Italien zu einer Legende. Er
war ein leidenschaftlicher Sportler, sehr intelligenter Mensch und erfolgreicher
Politiker und ganz nebenbei noch Gründer und Couturier einer erfolgreichen
Modemarke. Er kreierte auch selbst Düfte, und so entstand 1971 sein Parfum
'Zadig' als Antwort auf eine endlose, Tage und Nächte währende Sitzung des
Parlaments, in der ein neuer Regierungschef gewählt werden sollte. Pucci nahm
als Abgeordneter an dieser Marathon-Sitzung teil und litt unter der Langeweile
und der stickigen Luft im Parlamentsgebäude. In einem Hotel in der Nähe ließ er
ein Labor einrichten und beorderte einen Parfumeur dorthin. In den kurzen
Sitzungspausen ging Pucci in dieses Labor und gab dem Parfumeur Direktiven für
die Komposition des neuen Duftes, der die Aromen einer Stadt im Morgenland
evozieren sollte. Und so entstand 'Zadig', ein Duft wie ein orientalisches
Märchen.
In dem Blog von Grace Hummel 'Cleopatra's Boudoir' fand ich eine Pyramide, die
'Zadig' beschreibt:
Kopfnoten: Aldehyde, Messina-Bergamotte, Orange, Pfirsich, Koriander
Herznoten: Nelkenknospen, Nelke, Rose, Honig, provençalischer Jasmin,
Manila-Ylang Ylang
Basisnoten: Eichenmoos, Abbessinier-Zibet, Mysore-
Sandelholz, Bourbon-Vetiva, Benzoë-Harz, Patchouli, Zimt, Vanille, Tolu-Balsam,
tibetischer Moschus, Ambra.
Diese Pyramide gibt auch meine Eindrücke wieder. Der
Zauber von 'Zadig' hat sicher nicht nur mich in seinen Bann geschlagen.
Er stammte aus einer noblen Familie aus Messina, die ihren Reichtum der
Gewinnung von Bergamottöl verdankte. Zum Frühstück aß er duftende Orangen und
süße Pfirsiche. Stets roch seine teure Kleidung nach feinsten Aldehyden. Als die
Zeit kam zu Heiraten, wurde ihm Semira versprochen. Sie war die beste Partie in
ganz Babylon. Semira trug ein Parfum aus den erlesensten Düften der Zeit:
Rose aus Damaskus, Jasmin aus der Provence, florentinische Iris und in Honig
getränkte Nelke. Der Tag der Vermählung kam näher und die Brautleute schätzten
sich glücklich. Eifersucht und Neid waren aber auch damals schon allgegenwärtig,
und so versuchte der Neffe des Ministers, der grausame Orcan, Semira zu
entführen. Zadig verteidigte seine Braut mit aller Kraft und es gelang ihm, sie
zu retten, wurde dabei aber selbst schwer verletzt. Eine tiefe Wunde am Auge
wollte nicht heilen und selbst der große Arzt Hermes gab dieses linke Auge
verloren. Ganz Babylon litt mit dem jungen Helden, man brachte ihm Tinkturen aus
Eichenmoos, Mysore-Sandelholz, Zimt und Vanille zu Trost und Heilung, auch Tolu-
Balsam und Ambra fanden sich ein. Nur Semiras Herz blieb kalt. Sie finde, so
sagte sie, Einäugige abstoßend und machte Hochzeit mit Orcan. Als Zadig dies
erfuhr, verlor er das Bewusstsein und erdiger Patchouli-Duft lag bald wie ein
Todesbote in der Luft. Zum Glück kam eben da ein einfaches Mädchen, Azora,
zu dem Kranken, die mit der Zibetkatze abgelauschten Künsten den Helden zu neuem
Leben erweckte. Er kam zu neuen Kräften, selbst das kranke Auge heilte ab.
Dankbar und glücklich nahm Zadig Azora zur Frau.
Emilio Pucci war ein ungewöhnlicher Mensch. Er stammte aus einer der ältesten
florentiner Adelsfamilien und wurde nicht nur in Italien zu einer Legende. Er
war ein leidenschaftlicher Sportler, sehr intelligenter Mensch und erfolgreicher
Politiker und ganz nebenbei noch Gründer und Couturier einer erfolgreichen
Modemarke. Er kreierte auch selbst Düfte, und so entstand 1971 sein Parfum
'Zadig' als Antwort auf eine endlose, Tage und Nächte währende Sitzung des
Parlaments, in der ein neuer Regierungschef gewählt werden sollte. Pucci nahm
als Abgeordneter an dieser Marathon-Sitzung teil und litt unter der Langeweile
und der stickigen Luft im Parlamentsgebäude. In einem Hotel in der Nähe ließ er
ein Labor einrichten und beorderte einen Parfumeur dorthin. In den kurzen
Sitzungspausen ging Pucci in dieses Labor und gab dem Parfumeur Direktiven für
die Komposition des neuen Duftes, der die Aromen einer Stadt im Morgenland
evozieren sollte. Und so entstand 'Zadig', ein Duft wie ein orientalisches
Märchen.
In dem Blog von Grace Hummel 'Cleopatra's Boudoir' fand ich eine Pyramide, die
'Zadig' beschreibt:
Kopfnoten: Aldehyde, Messina-Bergamotte, Orange, Pfirsich, Koriander
Herznoten: Nelkenknospen, Nelke, Rose, Honig, provençalischer Jasmin,
Manila-Ylang Ylang
Basisnoten: Eichenmoos, Abbessinier-Zibet, Mysore-
Sandelholz, Bourbon-Vetiva, Benzoë-Harz, Patchouli, Zimt, Vanille, Tolu-Balsam,
tibetischer Moschus, Ambra.
Diese Pyramide gibt auch meine Eindrücke wieder. Der
Zauber von 'Zadig' hat sicher nicht nur mich in seinen Bann geschlagen.
11 Antworten
Ein Parfum wie ein Frauenleben
Ich habe A. vor vielen Jahren kennen gelernt,
und wir wurden gleich Freundinnen. Sie war damals sehr jung, die Männer drehten
den Kopf nach ihr um. Sie war schlank, sportlich und sehr chic. Zu ihrem
Haarschnitt im Garçonne-Stil trug sie einen Minirock und einen New-Look-Blazer.
Sie war sehr intelligent und gebildet, zitierte frei aus 'Tender is the Night'
und hatte zu allem ihre eigene Meinung. Selbst bezeichnete sie sich als
'sophisticated woman' und dies passte hervorragend zu ihr. Besonders
faszinierend fand ich ihr Parfum, das nach Hyazinthe roch. A. behauptete, diesen
Duft habe der Gott Apoll ihr selbst als ein Symbol für Frieden und Schönheit
geschenkt. Ich wusste, dass Hyazinthe auch als Metapher für Macht und Stolz
gesehen wird. Die Begleitung von Zitrone machte diesen Duft zugleich scharf und
sehr selbstbewusst. Leider haben wir uns aus den Augen verloren. Sie ging zurück
nach Amerika und arbeitete in der Modebranche. Ich studierte Medizin. Etwa zehn
Jahre später kreuzten unsere Wege sich erneut. A. war, obwohl noch sehr jung,
eine bekannte Modedesignerin geworden. Ihr Haarschnitt und ihre Röcke waren nun
länger, ihr Körper weiblicher und an die Stelle von Hyazinthe waren andere
Blumen in perfekter Harmonie getreten, welche, das konnte ich nicht
unterscheiden, Jasmin vielleicht und Rose mit einer feinen Prise Gewürznelke.
Wir unterhielten uns so vertraut, als hätten wir uns erst gestern getrennt. Zum
Abschied versprachen wir einander, uns nicht noch einmal zu verlieren, aber das
Schicksal hat anders entschieden und uns erst viele Jahre später noch ein
einziges Mal zusammengeführt, als sie 50 Jahre alt geworden war – eine wirklich
schöne Frau mit klugen Augen, verführerisch, sanft und sehr stark. Ihr Parfum
war nur bei enger Umarmung wahrnehmbar. Sie duftete nach Moos und Moschus, nach
Liebe. Damals wusste ich nicht, dass dies unser letztes Treffen sein würde.
Wenig später starb sie an Krebs. A. starb genau so, wie sie gelebt hatte, in
Würde, Stolz und voller Lebenslust.
Mein Dank geht nach Island.
und wir wurden gleich Freundinnen. Sie war damals sehr jung, die Männer drehten
den Kopf nach ihr um. Sie war schlank, sportlich und sehr chic. Zu ihrem
Haarschnitt im Garçonne-Stil trug sie einen Minirock und einen New-Look-Blazer.
Sie war sehr intelligent und gebildet, zitierte frei aus 'Tender is the Night'
und hatte zu allem ihre eigene Meinung. Selbst bezeichnete sie sich als
'sophisticated woman' und dies passte hervorragend zu ihr. Besonders
faszinierend fand ich ihr Parfum, das nach Hyazinthe roch. A. behauptete, diesen
Duft habe der Gott Apoll ihr selbst als ein Symbol für Frieden und Schönheit
geschenkt. Ich wusste, dass Hyazinthe auch als Metapher für Macht und Stolz
gesehen wird. Die Begleitung von Zitrone machte diesen Duft zugleich scharf und
sehr selbstbewusst. Leider haben wir uns aus den Augen verloren. Sie ging zurück
nach Amerika und arbeitete in der Modebranche. Ich studierte Medizin. Etwa zehn
Jahre später kreuzten unsere Wege sich erneut. A. war, obwohl noch sehr jung,
eine bekannte Modedesignerin geworden. Ihr Haarschnitt und ihre Röcke waren nun
länger, ihr Körper weiblicher und an die Stelle von Hyazinthe waren andere
Blumen in perfekter Harmonie getreten, welche, das konnte ich nicht
unterscheiden, Jasmin vielleicht und Rose mit einer feinen Prise Gewürznelke.
Wir unterhielten uns so vertraut, als hätten wir uns erst gestern getrennt. Zum
Abschied versprachen wir einander, uns nicht noch einmal zu verlieren, aber das
Schicksal hat anders entschieden und uns erst viele Jahre später noch ein
einziges Mal zusammengeführt, als sie 50 Jahre alt geworden war – eine wirklich
schöne Frau mit klugen Augen, verführerisch, sanft und sehr stark. Ihr Parfum
war nur bei enger Umarmung wahrnehmbar. Sie duftete nach Moos und Moschus, nach
Liebe. Damals wusste ich nicht, dass dies unser letztes Treffen sein würde.
Wenig später starb sie an Krebs. A. starb genau so, wie sie gelebt hatte, in
Würde, Stolz und voller Lebenslust.
Mein Dank geht nach Island.
8 Antworten
Magie des Waldes im hohen Norden
Kennen Sie das, Tagträume? Ich spürte den Duft
auf meinem Handgelenk, und da war sie, Magie! Ich befand mich plötzlich in einem
tiefen Urwald, umrahmt von starken, dicken Stämmen, die in den Himmel ragten.
Tannen und Fichten trotzten der Kälte in ihrer immergrünen Hülle. Durch die
dichten Kronen könnte es dunkel sein, aber die Sonne stand im Zenith und
strahlte durch das Dach der grünen Nandeln bis hinab zum hohen Schnee. Schnee
ist nie weiß, auch jetzt schimmerte er golden und smaragdgrün. Ich stand da wie
verzaubert und wäre wohl erfroren, wenn sie nicht gekommen wäre. Sie war
wirklich schön und ich habe sie gleich erkannt, Tallemaja. War sie Mensch, war
sie Tier? Ihr weiblicher Körper war mit Baumrinde bedeckt und sie trug stolz
einen fuchsroten Schwanz. Dies alles habe ich aber kaum wahrgenommen. Ihre Augen
entwickelten einen Sog wie das Wasser, das man von einer Brücke herab erblickt.
Sie wandte sich um, ging weg und ich folgte ihr. Ich hätte ihr bis ans Ende der
Welt folgen können. So gingen wir also, ich weiß nicht wie lange. Es begann
endlich zu dämmern, die Farbe des Schnees verlor sein Gold, das Grün der Bäume
verdunkelte
sich und die Luft bekam einen anderen Charakter. Der Duft der Nadeln trat
zurück und wich dem Geruch der Menschenwelt. Rauch berichtete davon daß da
Irgendwo ein wärmendes Feuer im Ofen brannte. Ich blickte kurz ins Tal und sah,
dass ich ganz nah an der Welt der Menschen war. Tallemaja war verschwunden. Ich
war gerettet, fühlte mich dabei zugleich aber verlassen und leer.
Mit Dank an Lucy55.
auf meinem Handgelenk, und da war sie, Magie! Ich befand mich plötzlich in einem
tiefen Urwald, umrahmt von starken, dicken Stämmen, die in den Himmel ragten.
Tannen und Fichten trotzten der Kälte in ihrer immergrünen Hülle. Durch die
dichten Kronen könnte es dunkel sein, aber die Sonne stand im Zenith und
strahlte durch das Dach der grünen Nandeln bis hinab zum hohen Schnee. Schnee
ist nie weiß, auch jetzt schimmerte er golden und smaragdgrün. Ich stand da wie
verzaubert und wäre wohl erfroren, wenn sie nicht gekommen wäre. Sie war
wirklich schön und ich habe sie gleich erkannt, Tallemaja. War sie Mensch, war
sie Tier? Ihr weiblicher Körper war mit Baumrinde bedeckt und sie trug stolz
einen fuchsroten Schwanz. Dies alles habe ich aber kaum wahrgenommen. Ihre Augen
entwickelten einen Sog wie das Wasser, das man von einer Brücke herab erblickt.
Sie wandte sich um, ging weg und ich folgte ihr. Ich hätte ihr bis ans Ende der
Welt folgen können. So gingen wir also, ich weiß nicht wie lange. Es begann
endlich zu dämmern, die Farbe des Schnees verlor sein Gold, das Grün der Bäume
verdunkelte
sich und die Luft bekam einen anderen Charakter. Der Duft der Nadeln trat
zurück und wich dem Geruch der Menschenwelt. Rauch berichtete davon daß da
Irgendwo ein wärmendes Feuer im Ofen brannte. Ich blickte kurz ins Tal und sah,
dass ich ganz nah an der Welt der Menschen war. Tallemaja war verschwunden. Ich
war gerettet, fühlte mich dabei zugleich aber verlassen und leer.
Mit Dank an Lucy55.
4 Antworten
Die Tochter des Windes
Ihre Mutter gab ihr den Namen Epona, zu Ehren ihrer
alten Freundin, der griechischen Göttin der Pferde. Alle aber nennen sie einfach
'Al Faras'- die Stute. In ihren Adern fließt königliches Blut, sofort erkennbar
an ihrer noblen Erscheinung. Sie ist ein Kind der Liebe, der Liebe zwischen dem
König der Winde und der orientalischen Steppe. Vom Vater hat sie Temperament und
Leichtfüßigkeit, von der Mutter Gelassenheit und Ausdauer geerbt. Morgens
umsorgen sie die Dienstboten ihrer Mutter. Ihr hell honigfarbenes Fell wird mit
feinster Myrrhe und allerlei Harzen gepflegt, um die geflochtene Mähne sorgen
sich Rosen, die Hufe werden in Orangenblütenöl gebadet. Tags ist sie ständig
unterwegs. Manchmal kommt ihr Vater vorbei und bringt Düfte aus fernen Ländern
mit, italienische Bergamotte, Kiefern- und Fichtenaroma aus dem hohen Norden.
Oft plaudert sie mit den Blumen der Steppe, und sie schenken ihr manchen
Blütenduft. Epona ist frei und unbeschwert, nachdenklich und verspielt zugleich.
Nichts kann sie aus dem Gleichgewicht bringen. Erst spät am Abend kehrt sie
zurück in ihre herrschaftlichen Gemächer. Die Düfte des Tages verblassen zu
einer herrlichen Harmonie der Erinnerung und allein ihr Fell erinnert noch zart
an den schönen Tag.
alten Freundin, der griechischen Göttin der Pferde. Alle aber nennen sie einfach
'Al Faras'- die Stute. In ihren Adern fließt königliches Blut, sofort erkennbar
an ihrer noblen Erscheinung. Sie ist ein Kind der Liebe, der Liebe zwischen dem
König der Winde und der orientalischen Steppe. Vom Vater hat sie Temperament und
Leichtfüßigkeit, von der Mutter Gelassenheit und Ausdauer geerbt. Morgens
umsorgen sie die Dienstboten ihrer Mutter. Ihr hell honigfarbenes Fell wird mit
feinster Myrrhe und allerlei Harzen gepflegt, um die geflochtene Mähne sorgen
sich Rosen, die Hufe werden in Orangenblütenöl gebadet. Tags ist sie ständig
unterwegs. Manchmal kommt ihr Vater vorbei und bringt Düfte aus fernen Ländern
mit, italienische Bergamotte, Kiefern- und Fichtenaroma aus dem hohen Norden.
Oft plaudert sie mit den Blumen der Steppe, und sie schenken ihr manchen
Blütenduft. Epona ist frei und unbeschwert, nachdenklich und verspielt zugleich.
Nichts kann sie aus dem Gleichgewicht bringen. Erst spät am Abend kehrt sie
zurück in ihre herrschaftlichen Gemächer. Die Düfte des Tages verblassen zu
einer herrlichen Harmonie der Erinnerung und allein ihr Fell erinnert noch zart
an den schönen Tag.
3 Antworten
Alice im Wunderland
In meiner Hand liegt eine kleine Phiole mit ein paar
Tropfen einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Darauf steht in fremder
Handschrift: "Dark Night of the Soul". Allein schon wegen des Namens muss ich
sie sofort öffnen. Vorsichtig mache ich einen ersten Duftstrich auf mein
Handgelenk und sofort dreht sich die Welt um mich herum. Was ist das nur für ein
Geruch? Ich kenne ihn, aber woher? Mehrere Jahrzehnte war er verschollen und
jetzt ist er wieder da!
Ich bin ein kleines Mädchen und liege mit Husten im Bett. Rücken und Brust
wurden mit einer fremdartigen Salbe eingerieben, einer eher fragwürdigen Waffe
gegen den lästigen Husten. Das ist er, das ist dieser Geruch. Ich habe Fieber,
hohes Fieber und wie so viele kleine Kinder halluziniere ich in diesem Fieber –
alles verändert sich, die Wahrnehmung der Zeit besonders und die Sekunden
kriechen wie eklige Nacktschnecken. Mal sind sie nah, mal verschwinden sie am
Horizont. Mir wird schwindlig. Ich falle sehr langsam sehr tief. Gut dass ich
damals schon Lewis Carroll gelesen hatte und weiß, daß ich in Alices Rabbit hole
angekommen bin. Mein rechter Arm wird länger und länger, so als ob er weg von
mir wolle. Immer länger wird er und größer und mein Ring verschmilz mir meinem
Finger. Der Ring glitzert aber ein bischen und gibt mir Trost. All dies wird
langsam gruselig, gruselig aber nicht bedrohlich. Ein Teil meines Gehirns ist
wach und weiß, daß ich geschützt unter der Decke in meinem Bett liege. Ein
kleines Nachtlämpchen glimmt in der Dunkelheit. Der Schirm ist mit
Zeitungspapier abgedeckt, so dass es mich nicht blendet. Ich versuche die Wörter
zu lesen aber die Buchstaben beginnen sich zu krümmen, sie springen hin und her
und die Bedeutung der Wörter ist nicht mehr zu erkennen. Langsam kriecht Angst
in meine Seele. Was, wenn die Hitze meines Körpers die Zeitungsseite entflammt
und die Schrift unwiederbringlich verbrennt? In diesem Moment schleicht sich der
Mond in mein Zimmer. Er hat sich von der schwarzen Wolke gelöst, kühlt zärtlich
meine Stirn und schaltet das Lämpchen aus. Der Geruch der Salbe ist
verschwunden. Es bleibt nur eine vage Erinnerung an die Angst, die noch an dem
verschwitzten Laken haftet. Das Fieber ist gesunken.
Aichi Liu soll gesagt haben, daß sie etwas ausprobieren will, was
Kindheitserinnerungen in ihr weckt. Wurde sie vielleicht als Kind mit der
gleichen Salbe eingerieben wie ich?
Mit Dank an Floyd
Tropfen einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit. Darauf steht in fremder
Handschrift: "Dark Night of the Soul". Allein schon wegen des Namens muss ich
sie sofort öffnen. Vorsichtig mache ich einen ersten Duftstrich auf mein
Handgelenk und sofort dreht sich die Welt um mich herum. Was ist das nur für ein
Geruch? Ich kenne ihn, aber woher? Mehrere Jahrzehnte war er verschollen und
jetzt ist er wieder da!
Ich bin ein kleines Mädchen und liege mit Husten im Bett. Rücken und Brust
wurden mit einer fremdartigen Salbe eingerieben, einer eher fragwürdigen Waffe
gegen den lästigen Husten. Das ist er, das ist dieser Geruch. Ich habe Fieber,
hohes Fieber und wie so viele kleine Kinder halluziniere ich in diesem Fieber –
alles verändert sich, die Wahrnehmung der Zeit besonders und die Sekunden
kriechen wie eklige Nacktschnecken. Mal sind sie nah, mal verschwinden sie am
Horizont. Mir wird schwindlig. Ich falle sehr langsam sehr tief. Gut dass ich
damals schon Lewis Carroll gelesen hatte und weiß, daß ich in Alices Rabbit hole
angekommen bin. Mein rechter Arm wird länger und länger, so als ob er weg von
mir wolle. Immer länger wird er und größer und mein Ring verschmilz mir meinem
Finger. Der Ring glitzert aber ein bischen und gibt mir Trost. All dies wird
langsam gruselig, gruselig aber nicht bedrohlich. Ein Teil meines Gehirns ist
wach und weiß, daß ich geschützt unter der Decke in meinem Bett liege. Ein
kleines Nachtlämpchen glimmt in der Dunkelheit. Der Schirm ist mit
Zeitungspapier abgedeckt, so dass es mich nicht blendet. Ich versuche die Wörter
zu lesen aber die Buchstaben beginnen sich zu krümmen, sie springen hin und her
und die Bedeutung der Wörter ist nicht mehr zu erkennen. Langsam kriecht Angst
in meine Seele. Was, wenn die Hitze meines Körpers die Zeitungsseite entflammt
und die Schrift unwiederbringlich verbrennt? In diesem Moment schleicht sich der
Mond in mein Zimmer. Er hat sich von der schwarzen Wolke gelöst, kühlt zärtlich
meine Stirn und schaltet das Lämpchen aus. Der Geruch der Salbe ist
verschwunden. Es bleibt nur eine vage Erinnerung an die Angst, die noch an dem
verschwitzten Laken haftet. Das Fieber ist gesunken.
Aichi Liu soll gesagt haben, daß sie etwas ausprobieren will, was
Kindheitserinnerungen in ihr weckt. Wurde sie vielleicht als Kind mit der
gleichen Salbe eingerieben wie ich?
Mit Dank an Floyd
2 Antworten