21.12.2024 - 07:41 Uhr

Sapho
18 Rezensionen

Sapho
Sehr hilfreiche Rezension
5
Weil! ... sie eine Frau ist
Sie ist bei ihren Eltern in dem Vorort von Dijon zu
Besuch. Es ist noch sehr früh, aber der erste Sonnenstrahl, noch vom kühlen
Morgenwind getragen, kitzelt sie in der Nase und weckt sie. Sie hatte fast
vergessen, wie schön die grüne Wiese vor dem Haus ist. Heute Nacht hatte es ein
Sommergewitter gegeben und die kurzen Grashalme glitzern von Wassertropfen und
verströmen einen herben und reinen, grünen Duft. Dieser vermischt sich mit den
Aromen aus dem Obstgarten. Ihre Mutter ist schon lange wach. Sie war bereits im
Garten und hat für ihre Tochter einen Blumenstrauß gepflückt mit Jasmin, Iris
und Osmanthus, und sie hat auch deren geliebte Tuberose nicht vergessen. Auf dem
Küchentisch steht ihr Lieblings-Orangenkuchen, getränkt mit Crême de Cassis. Wie
oft hatte sie von diesen Sommeraromen geträumt! Sie studierte Medizin in Paris
und verdiente das Geld für ihr Studium selbst. Die Mutter will natürlich wissen,
wie ihr Leben in der Großstadt verläuft. Vielerlei bunte Bilder drängen sich in
ihrem Kopf. Im Mai hatten die Studenten die Sorbonne besetzt. Ihre wichtigste
Maxime war: "Es ist verboten zu verbieten." Die Gewerkschaften hatten Kontakt zu
ihnen gesucht, und so hatte sie einen jungen Mann kennen gelernt. Er nannte sich
Cerf, sicher ein Deckname, aber sein echter Name hat sie auch nicht
interessiert. Die Polizei hat schließlich die Sorbonne geräumt, und sie und die
anderen, die sich engagiert hatten, wurden exmatrikuliert. Die Fabrik, in der
Cerf gearbeitet hatte, wurde geschlossen und sie verbrachte die Tage mit ihm in
seiner kleinen Mansarde, wo er auch eine Restauratorenwerkstatt für sich
eingerichtet hatte. Die exotischen Aromen von feinsten Polituren und Beizen
vermischten sich mit dem berauschend süßen Duft seiner von der Liebe erhitzten
Haut. Das ganze Leben lag vor den beiden, voller Hoffnung, Abenteuer und Liebe.
All dies wollte und konnte sie der Mutter nicht erzählen. Sie sagte nur, dass
sie vor kurzem ein sündhaft teures Parfum für sich gekauft habe. Sein Preis war
viel zu hoch für ihre Verhältnisse, aber der Genuss, es zu tragen, war er
allemal wert. Ihre Mutter zog fassungslos die Augenbrauen hoch, "Warum?" –
"Weil!", sie zögerte kurz, "ich eine Frau bin."
Besuch. Es ist noch sehr früh, aber der erste Sonnenstrahl, noch vom kühlen
Morgenwind getragen, kitzelt sie in der Nase und weckt sie. Sie hatte fast
vergessen, wie schön die grüne Wiese vor dem Haus ist. Heute Nacht hatte es ein
Sommergewitter gegeben und die kurzen Grashalme glitzern von Wassertropfen und
verströmen einen herben und reinen, grünen Duft. Dieser vermischt sich mit den
Aromen aus dem Obstgarten. Ihre Mutter ist schon lange wach. Sie war bereits im
Garten und hat für ihre Tochter einen Blumenstrauß gepflückt mit Jasmin, Iris
und Osmanthus, und sie hat auch deren geliebte Tuberose nicht vergessen. Auf dem
Küchentisch steht ihr Lieblings-Orangenkuchen, getränkt mit Crême de Cassis. Wie
oft hatte sie von diesen Sommeraromen geträumt! Sie studierte Medizin in Paris
und verdiente das Geld für ihr Studium selbst. Die Mutter will natürlich wissen,
wie ihr Leben in der Großstadt verläuft. Vielerlei bunte Bilder drängen sich in
ihrem Kopf. Im Mai hatten die Studenten die Sorbonne besetzt. Ihre wichtigste
Maxime war: "Es ist verboten zu verbieten." Die Gewerkschaften hatten Kontakt zu
ihnen gesucht, und so hatte sie einen jungen Mann kennen gelernt. Er nannte sich
Cerf, sicher ein Deckname, aber sein echter Name hat sie auch nicht
interessiert. Die Polizei hat schließlich die Sorbonne geräumt, und sie und die
anderen, die sich engagiert hatten, wurden exmatrikuliert. Die Fabrik, in der
Cerf gearbeitet hatte, wurde geschlossen und sie verbrachte die Tage mit ihm in
seiner kleinen Mansarde, wo er auch eine Restauratorenwerkstatt für sich
eingerichtet hatte. Die exotischen Aromen von feinsten Polituren und Beizen
vermischten sich mit dem berauschend süßen Duft seiner von der Liebe erhitzten
Haut. Das ganze Leben lag vor den beiden, voller Hoffnung, Abenteuer und Liebe.
All dies wollte und konnte sie der Mutter nicht erzählen. Sie sagte nur, dass
sie vor kurzem ein sündhaft teures Parfum für sich gekauft habe. Sein Preis war
viel zu hoch für ihre Verhältnisse, aber der Genuss, es zu tragen, war er
allemal wert. Ihre Mutter zog fassungslos die Augenbrauen hoch, "Warum?" –
"Weil!", sie zögerte kurz, "ich eine Frau bin."
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