Olibanum - der heilige Rauch

Seit dem Herbst bin ich den Weihrauch-Düften verfallen - rettungslos und mit Haut und Haar.  Inzwischen habe ich auf der Suche nach dem einen, perfekten Weihrauch einiges getestet und möchte diese Eindrücke mal wieder gesammelt festhalten.

Wie es anfing, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Vielleicht mit der göttlichen Oliban-Kerze von Diptyque. Auf jeden Fall verspürte ich den dringenden, sofort zu befriedigenden Wunsch, wie eine Kirche zur riechen. Als gute Parfuma wusste ich mir natürlich zu helfen und habe das Board befragt. Wie nicht anders zu erwarten, wurde mir geholfen und ich konnte schon bald eine stattliche Anzahl von einschlägigen Pröbchen mein eigen nennen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Was das Kirchenthema betrifft, war der erste Versuch ein Treffer. Wer Kathedralenatmosphäre sucht, ist mit "Avignon" aus der CdG-Incense-Reihe bestens bedient. Klar, beinahe kalt und absolut linear wird hier die perfekte katholische Illusion erzeugt. Heeleys "Cardinal" schließt direkt an diese Interpretation an, ist aber weniger straight oder positiv formuliert: etwas komplexer und auch wärmer. Ich bevorzuge die klare Ansage aus Avignon. Von CdG konnte ich bisher nur einen weiteren der Incense-Düfte schnuppern: "Kyoto". Diese asiatische Variante gefällt mir ebenfalls ausgesprochen gut, fällt für mich aber unter die Kategorie "alltagstauglicher Weihrauch light". Sehr elegant und dezent, aber nichts für heftige Gelüste. Wenn ich solche verspüre, greife ich gern zu "Olibanum" von Profumum Roma. Auf seine Art ebenso konsequent wie Avignon, allerdings sehe ich mich hier weniger in der Kirche als vielmehr in einem archaisch-biblischen Weihrauch-Myrrhe-Szenario. Hier ist nichts, was die knarzigen Harze abmildern würde. Es gibt ungeschönt ordentlich was auf die Fresse und die grandiose Haltbarkeit relativiert den doch sehr stolzen Preis zumindest ein bisschen.

Weitaus weniger heftig geht es bei L'Artisans angeblicher Höllenfahrt "Passage d'Enfer" zu. Ein heller, zarter Moschus-Weihrauch, der durch die zugesetzten Blumen sehr damen- und sommer-tauglich daherkommt. Recht ähnlich empfand ich beim kürzlichen Test die Fortsetzung von "Eau du Fröhliche". Beide Düfte dürfen bei wärmeren Temperaturen nochmal ran, momentan ist mir das zu zahm.

Ein ganz anderes Kaliber sind da "La Liturgie des Heures" (Jovoy Paris), "Encense ectreme" (Tauer) und "Juozas Statkevicius" (Juozas Statkevicius). Warum der Duft des Mannes mit den unaussprechlichen Namen auf Parfumo nur wenig beachtet wird, verstehe ich nicht. Für mich einer der schönsten, aussagekräftigsten und doch tragbaren Weihrauchdüfte überhaupt! Mit ihm fühle ich mich gestärkt, beruhigt und einfach wohl. Der Tauer-Duft ist in der Tat extrem, zu extrem für mich. Das liegt aber weniger am Weihrauch als an der merkwürdigen Gummi-Note, die für mich leider während der sehr langen Verweildauer ständig präsent ist. Hier ziehe ich Tauers sehr viel gefälligere Weihrauch-Rose "Incense-rosé" vor. Eine wunderbare Neuentdeckung dagegen ist das Stundengebet von Jovoy Paris. Hier kommen Räucherstäbchenfreunde und alle, die es werden wollen, voll auf ihre Kosten.

Zum Schluss noch zwei Enttäuschungen, die ich mir aufgrund der Beschreibungen und Berichte ganz anders vorgestellt hätte: Goutals "Encens Flamboyant" und "Messe de Minuit" von Etro. Letzterer wird bei mir leider sehr süß, was in Kombination mit der doch eher sakralen Grundausrichtung nicht meinen Geschmack trifft. Goutals Weihrauch ist mir dagegen schon wieder zu uneindeutig. Ich fühle mich von der Rauchnote eher an "Fleur de Sel" von Miller/Harris erinnert. Da mein Mann diesen Duft sehr mag (und ich an ihm), darf er das Pröbchen aufbrauchen.

Aktuel warten noch Armanis "Bois d'Encens" und der neue "Rundholz"-Duft auf einen ausführlichen Test, damit bin ich dann erstmal am Ende meiner Weihrauch-Reise angelangt.

 

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