Süsskind

Süsskind

Rezensionen
Süsskind vor 6 Jahren 13 3
6
Flakon
8
Sillage
9
Haltbarkeit
8
Duft
Opulente Überraschung
Neulich kam ich von der Arbeit heim, da stand auf dem Küchentisch ein weißer Karton mit goldenen Punkten und der schlichten Aufschrift "Carolina Herrera, New York, Eau de Parfum". Mein Mann, der seit knapp zwei Jahrzehnten ausschließlich Herreras 212 trägt, das ihm auch vortrefflich steht, hatte es für mich bestellt; einfach so, als Überraschung, ohne es selbst zu kennen. Er fragt mich normalerweise immer, was ich so auf der Wunschliste habe, aber weil er sich dachte, aus dem Hause Herrera kann gar nix Verkehrtes kommen, hat er dieses Mal einfach einen Blindflug unternommen. Ich muss sagen, ich hatte den Duft zuvor gar nicht auf dem Radar - manchmal dreht man sich dufttechnisch ja nur mehr um die Lieblingsschauplätze, auch wenn man damit Gefahr läuft, nur mehr auf Düfte neugierig zu sein, die man gut einschätzen kann. Aber du lieber Himmel, man sollte sich viel öfter einmal überraschen lassen!

Was einem aus dem schlicht-eleganten Flakon entgegenfliegt, ist unerhört schön. Wir haben es hier mit einem bombastischen Blumenstrauß zu tun, der in allen Farben schimmert - Orangenblüte, frisches Grün, Maiglöckchen, Narzisse, Jasmin, Hyazinthe, Ylang Ylang, Aprikose, und oh mein Gott... Tuberose. Dieses Duftwunder, schwer und warm, süß und sinnlich, die Königin höchstselbst; die Herrin der Nacht, wie sie in Indien auch genannt wird. Das alles dezent orchestriert von Moschus, Ambra, Vetiver, Zeder, Rosenholz und Eichenmoos, um einen zumindest ansatzweise wieder ein bisschen zu erden, denn eins ist klar: dieser Duft zieht einem den Boden unter den Füßen weg, aber man fällt dabei nicht auf die Nase, sondern stellt fest, dass man fliegen kann.

Der Auftakt ist ein sagenhaft reiner, opulenter Ton, wie von einem großen Chor, der einstimmig einmal das Thema durchsingt. Erst nach dieser Eröffnung gliedern sich die einzelnen Stimmen auf und singen in perfekter Harmonie weiter; ein volltönender Bass, ein fein austarierter Tenor, ein zuverlässiger Alt - und über dem allen, tonangebend und ergreifend, der Sopran, dem alle anderen folgen, um die Basis zu bilden für seine raffinierten Höhenflüge. Wir haben es hier mit einer berauschenden, süßen Musik zu tun, mit Grandezza, großem Orchester und einem goldverzierten Musikvereinssaal. Wenn Carolina Herreras Duft Musik wäre, dann wäre er eine Oper, mindestens von Verdi, und mindestens mit der Callas in der weiblichen Hauptrolle. Sicher nichts für jeden Tag, aber wenn man sich ihm hingibt, ist er ein sinnliches, verzauberndes Erlebnis.

Die Haltbarkeit ist wahrlich beachtlich: mit einem vorsichtigen Sprühstoß komme ich durch den Tag und kann den Duft abends immer noch an mir wahrnehmen. Er ist übrigens, wenn man ihn sparsam dosiert, tatsächlich nicht nur alltagstauglich, sondern sogar ein wunderbarer, eleganter und charmanter Begleiter für alle Lebenslagen. Bei der Dosierung sollte man allerdings äußerst behutsam vorgehen. Ich denke, dieser Duft schlägt überdimensional schnell um in infernalischen Gestank, wenn man es damit übertreibt; daher gehört er nicht in unbekümmerte Kinderhände, sondern will von einer erwachsenen Persönlichkeit getragen werden, die genau weiß, dass weniger manchmal tatsächlich mehr ist.

Mich wundert übrigens, dass ich über diesen Duft hier nur so wenig finden kann. Wer ihn noch nicht kennt und sich zu blumigen, femininen Düften hingezogen fühlt, sollte ihn unbedingt ausprobieren. Und meinem Mann bin ich dankbar, dass er ihn mir gezeigt hat.
3 Antworten
Süsskind vor 6 Jahren 20 8
10
Flakon
7
Sillage
6
Haltbarkeit
9.5
Duft
Tatsächlich Liebe
Über Trésor und über die Liebe ist schon alles gesagt worden, aber noch nicht von allen.

Trésor würde ich eigentlich nicht einmal als meinen Lieblingsduft bezeichnen - ich habe glamourösere, interessantere, schönere, prächtigere, betörendere in meiner Sammlung, die ich allesamt gern und oft trage - aber, das stellte ich unlängst einmal voller Überraschung fest, ich liebe ihn tatsächlich innig und möchte ohne ihn nicht mehr sein. Und deshalb muss ich auch diesen Kommentar hinterlassen. Du hast so lang treu in meinem Schränkchen gestanden in deinem wunderschönen Flakon, immer irgendwie als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, nun ist es an der Zeit, mich für meine Überheblichkeit zu entschuldigen und dir ein paar Rosen zu streuen.

Die Architektur von Trésor ist klassisch, schlicht und edel, auf unaufdringliche Art erhaben, anmutig, einfach zeitlos schön, ohne dabei arrogant, kühl oder kühn daherzukommen. Die schöne Rose, der Hauch von Blüten (Pfirsich, Aprikose und Maiglöckchen), die eleganteste Vanille, die mir einfällt (vielleicht ist das dem Heliotrop geschuldet und der Iris?), dieses Fundament von Sandel und Moschus wie aus weißem Stein. Das alles ist einfach da, vom Aufsprühen an bis zum Ausklang nach vielen Stunden. Die Haltbarkeit ist wirklich beeindruckend, ich kann den Duft, früh morgens aufgetragen, noch spätabends an mir wahrnehmen. Trésor durchläuft bei mir allerdings keine nennenswerte Entwicklung, er scherzt nicht und überrascht nicht, er kommt in seinem Verlauf nicht mit koketten Aromen um die Ecke; er ist auf stille Art geradlinig, ehrlich, ja - ein merkwürdiges Wort in diesem Kontext: verlässlich - und in seiner Präsenz von einer unaufdringlichen Klarheit und gleichzeitig einzigartigen Zartheit, die ich sonst von keinem Duft kenne. Das macht ihn für meine Nase zu einem wirklichen Meisterwerk.

Ich würde mir irgendwie auch schwer tun, ihn für mich einfach nur als blumig-süß zu bezeichnen. Er ist cremig, warm, sanft, freundlich, wie ein Tag im Frühsommer, opak und gleichzeitig transparent, niemals schwer, aber auch kein irrlichternder Luftikus - er ist einfach perfekt ausgewogen. Er funkelt nicht; er leuchtet. Trésor ist ein Seelenstreichler, der mich einhüllt und beschützt, unter dessen Fittichen ich mich fühle wie ein Kind an der Hand einer sanftmütigen, schönen Mama. Ich finde es selbst irgendwie lustig, aber ich trage ihn gern nachts, weil ich mich darin so geborgen fühle, und: montags beziehungsweise an vorhersehbaren Stresstagen, weil ich damit positiver bin, ruhiger, optimistischer und gewappnet für den hektischen Arbeitsalltag.

Trésor sorgt, auch wenn man in Jeans, T-Shirt und Converse durch die Tür kommt, dafür, dass man ein bisschen aufrechter sitzt und sich ein bisschen geschmeidiger bewegt, ladylike und mit einem Lächeln, und irgendwie habe ich manchmal den Eindruck, dass sich diese heitere Gelassenheit um einen herum ausbreitet, die Freundlichkeit um zwei, drei Stufen zunimmt, wohin man damit auch kommt. Auch ein versonnenes "hier riecht es so gut..." habe ich schon oft gehört, wenn ich ihn trage.

Deshalb, Trésor, sage ich das jetzt einmal ganz offen: ja, ich liebe dich, und du wirst hoffentlich immer Bestandteil meines Lebens bleiben. Schön, dass es dich gibt.
8 Antworten
Süsskind vor 6 Jahren 24 5
7
Flakon
8
Sillage
7
Haltbarkeit
8
Duft
die erstaunliche Reise im Edelholz-Vanille-Stealthbomber
Nicht zuletzt angeregt von den vielen lesenswerten Duftbeschreibungen hier und im Wissen, dass dieser Duft genau in mein Beuteschema fällt, habe ich mir unlängst endlich auch Cašmir zugelegt - zumal es ja zu einem Preis angeboten wird, bei dem man nicht Nein sagen kann, und ich mich gelegentlich ganz einfach gern überraschen lasse.

Nun ist es generell so, dass ich (Nick-nomen est omen) ganz im Land der Orientalen und Gourmands zuhause bin und mich mit großem Vergnügen mit schweren Kalibern umgebe. Vanille geht bei mir immer, fruchtig oder blumig darf es auch gerne sein, und auch Hölzern und Harzen bin ich sehr zugetan.

Neugierig verbrachte ich die Beute ins Badezimmer, packte, nicht ohne seinen außergewöhnlichen Anblick zu bestaunen, das hübsche Bömbchen aus seiner roten Schachtel und wagte in Erwartung einer orientalisch-süßen Duftexplosion einen vorsichtigen Sprüher auf mein Handgelenk. Kokos, Mango und Pfirsich... sehr süß? Ich traute meiner Nase nicht, aber ich konnte von alldem nichts wahrnehmen. Einfach überhaupt nichts. Nur einen zarten, würzigen, nachgerade herben Vanilleduft. Vielleicht war aber einfach auch nur zu wenig Parfum auf meinem Handgelenk gelandet. Also nochmal sprühen. Und nochmal. Und - nochmal. Mit dem selben Effekt: Keine Früchte. Kein Kokos. Auch kein Jasmin und Maiglöckchen. Ja, die Rosengeranie, die ich gern in selbstgemachter Kosmetik einsetze, nehme ich sehr wohl wahr. Und Sandelholz (wohl eher Amyris?), Amber, Moschus. Das auch. Ich bilde mir ein, auch eine Spur Rosenholz zu riechen, und ganz zart im Hintergrund blitzt etwas Frisches, Grünes auf wie ein Hauch von frisch gemähtem Gras. Vanille, aber keine süße, helle, wie man sie mit Omas köstlichen Keksen assoziiert, sondern eine dunkle, warme, sehr erdige Vanille. Leise und würzig, so würde ich meinen Eindruck beschreiben.

Das war nun wirklich das Gegenteil dessen, was ich erwartet hatte, aber ich war - und bin - angetan von diesem Duft. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich Menschen eine solche Komposition wahrnehmen; es ist, als wäre Cašmir Musik, und ich wäre nicht in der Lage, die höheren Frequenzen wahrzunehmen; als wären Kopf- und große Teile der Herznote für mich einfach unriechbar.

Die treffendste Assoziation, die ich für mich zu Cašmir finden kann, ist der Geruch eines Badestegs an einem heißen Sommertag, wenn man sich, gerade aus dem Wasser gestiegen, auf das warme Holz legt und von der Sonne trocknen lässt. Ich ging an diesem Abend mit einem Hauch Cašmir auf der Haut zu Bett (was ich mit neuen Düften immer mache) und suchte beim Einschlafen die verborgenen Früchte und Blumen. Die mussten doch da irgendwo sein, direkt vor meinen Augen! Ich fand sie nicht. Aber ich träumte von einem Tag am See mit seinen süßen, tiefen Geheimnissen...

Am nächsten Tag (ein Samstag) wollte ich herausfinden, ob ich am Ende vielleicht einfach nur nasenblind geworden war (eine grauenvolle Vorstellung!), nebelte mich ordentlich mit Cašmir ein und hielt meinem Mann, der unten auf mich wartete (wir wollten gerade einkaufen fahren), meine Handgelenke hin. Da ich wie gesagt ausgesprochene Anhängerin schwerer Düfte bin, damit aber keinesfalls meine Umwelt belästigen will, haben wir die Abmachung, dass er mich unter allen Umständen warnen muss, sollte ich es einmal übertreiben. Außerdem spiele ich ganz gern das "Was trage ich heute?"-Spiel. Er schnüffelte. "Hm" machte er und vergrub seine Nase in meinem Hals und in meinen Haaren. "Hmmm." Er schaute mich an. "Das ist eine Fangfrage! Du trägst heute gar nichts, stimmt's?" kam es triumphierend. "Aber deine neue Creme riecht total angenehm, machst du mir auch so eine?"

Cašmir ist also nicht nur in meiner Nase so unauffällig, dass man sich damit gefahrlos auf eine Kaffeefahrt mit strenggläubigen Klosterschwestern begeben könnte, ohne auch nur eine hochgezogene Augenbraue zu riskieren. Aber das dicke Ende, Ladies and Gentlemen, kommt noch. Denn Cašmir ist ein wahrer Edelholz-Vanille-Stealthbomber, mit dem du unterm Radar jeglicher internen und externen Anstandsdamen direkt an diesen Ort der Magie jenseits des Alltags gelangen kannst. Lass es nur ein wenig wirken. Mein Mann schaute mich an, als wären wir uns gerade erst begegnet, vergrub wieder seine Nase in meinem Hals und in meinen Haaren, draußen schien die milde Vormittagsherbstsonne, und der samstägliche Einkauf wartete auf uns. Aber wir, wir waren plötzlich desinteressiert an Einkauf, Herbstsonne, Wohnungsputz und Samstagsbusiness as usual, die Tür zu den Alltagspflichten ging sacht zu, und was blieb, waren dunkle, erdige Vanille und edle Hölzer und ein ziemlich außergewöhnliches Wochenende.

Die Einkäufe haben wir an diesem Tag übrigens mit knapper Müh und Not noch geschafft. Ein paar Tage später wiederholte ich das Experiment (wissenschaftlich betrachtet muss ein Experiment wiederholbar sein, damit man von einem nichtzufälligen Ergebnis sprechen kann, hihi), und mein respektvolles Fazit lautet: Cašmir werde ich sicherheitshalber niemals im Büro tragen - und schon gar nicht, sollte ich jemals an so etwas teilnehmen, auf einer Kaffeefahrt in einem Bus voller Klosterschwestern. :)
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