Von rosa-roten Brillen, dem Einen und einer neuen Welt

Meine Nase ist leider noch nicht so geschult, unterschiedliche Duftnoten blind zu erschnüffeln. Die denkt noch in Assoziationen, aber ich versuche die schon noch zu schulen. Und bin mir sicher, dass ich das hinkriegen werde.

Denn wie mit jedem meiner Hobbys, bin ich von heute auf morgen vollkommen in die Welt der Düfte eingetaucht. Wenn ich etwas mache, dann richtig - fast schon wie besessen. Ich vergesse alles andere um mich herum. (Wie jetzt zum Beispiel auch das Schreiben meiner Bachelorthesis.) Deswegen habe ich über die Jahre unfassbar viele Malutensilien, Bücher, Makeup-Produkte, Fotografie-Equipment, Bastelsachen etc. angesammelt. Und gehortet ohne Ende. Vielleicht kommt ja wieder die Phase, in der ich das ein oder andere Hobby wieder aufnehmen will... Und auf manche trifft das auch zu, jedoch noch lange nicht auf alle.

Mein erstes „richtiges“ Parfum habe ich ganz stolz mit 18 gekauft (davor habe ich mich ganz frei bei meiner Mama bedient). Ich weiß noch ganz genau wie ich per Zufall Boss Ma Vie pour Femme getestet habe und mir dieser Duft nicht mehr aus dem Kopf ging. Ich war bestimmt drei Mal noch in der Drogerie, um mich zu vergewissern, dass es wirklich der Richtige ist. Denn als Schülerin musste ich mir gut überlegen, wofür ich mein hart erarbeitetes Geld vom Zeitungenaustragen ausgebe. Letztendlich bestellte ich ihn aber. Das war glaube ich sogar meine erste Online-Shopping-Erfahrung. Da konnte ich noch nicht wissen, was das 6 Jahre später für Ausmaße einnehmen würde. Aber das ist eine andere Geschichte…

Bis zu diesem Jahr haben mich insgesamt sage und schreibe 8 Düfte und einige zufällige Pröbchen begleitet. Unter anderem auch Trésor Midnight Rose, bei dem ich dachte, dass ich ihn mögen MUSS. Was aber nie der Fall war. Weiß auch nicht, was mich damals geritten hat, meinen Douglas-Gutschein dafür zu verschwenden. Der Flakon stand immer in Sichtweite, aber wurde in 4 Jahren kein einziges Mal gegriffen. Auch Ma Vie habe ich in den letzten Jahren so gut wie gar nicht mehr getragen, bin irgendwie rausgewachsen. Genauso wie Flowerbomb Eau de Parfum. Trotzdem fiel es mir schwer, einzusehen, dass sie weiterziehen müssen. Seit letztem Jahr erfreut sich meine Oma daran :)

2020 habe ich mich dank einer Probe in Her Eau de Parfum verliebt und erst dieses Jahr die rosa-rote Brille abgenommen. Wie man es auch schon aus romantischen Beziehungen kennt, hält die Verliebtheitsphase nun mal nicht mehr als zwei Jahre an. Danach muss man sich entscheiden, ob es reicht, dass es in Liebe übergehen kann. Ich musste feststellen, dass sie mir nicht reichte. Bin ihrer überdrüssig geworden.

Zur selben Zeit bin ich zufällig auf ein Video mit Parfum-Empfehlungen auf TikTok gestoßen. Und seitdem ist meine ganze Startseite voll mit PerfumeToks. Da habe ich das erste Mal von parfumo gehört. Dass man hier Duftnoten nachschauen kann, Secondhand-Düfte kaufen kann und auch Dupes für teure Düfte finden kann. Noch nie zuvor habe ich etwas von Nischendüften und Layering gehört.

Und dann fing es an. Ich durfte mir zum Geburtstag ein Parfum aussuchen. Schon Jahre zuvor habe ich einen unfassbar tollen Duft bei einer Bekannten erschnuppert. Auf die Frage, was sie trägt, sagte sie „Puh ich weiß gar nicht mehr, ich glaube Sí.“ Deswegen war mein erster Gedanke auch Sì Eau de Parfum. So machte ich mich auf den Weg zur Parfümerie, um festzustellen, ob es wirklich der war, den ich damals wahrgenommen habe. Doch wollte ich mir auch paar andere Düfte anriechen, ganz von der neuen Entdeckungslust gepackt.

In der Parfümerie musste ich dann feststellen, dass es ganz viele „Sí“s gibt. Welcher ist denn der Richtige? Ich probierte alle aus, und verstand irgendwann gar nichts mehr. Durch viele Empfehlungen konnte ich außerdem nicht an Libre Eau de Parfum vorbei. Ich wollte ihn einfach unbedingt mögen, weil ich die Idee von ihm so sehr mochte. Sogar meine ungeübte Nase MUSS doch die cremige Vanille-Lavendel-Symbiose mögen. Und Jasmin ist bei mir sowieso IMMER dabei, wie ich dank parfumo herausgefunden habe.

Doch irgendwie packte mich Libre nicht. Irgendwie war der mir zu frisch, zu würzig, zu un-süß. Doch ich wollte ihn noch nicht aufgeben. Am liebsten wollte ich sowohl Sí als auch Libre ausgiebig im Alltag testen. Doch leider waren alle Pröbchen schon vergriffen. Mist, warum mache ich so was auch kurz vor Muttertag! Die Verkäuferin gab mir jedoch jeweils ein Bändchen an jedem Handgelenk mit, welche sie vorher mit den jeweiligen Intense-Versionen vollsprühte.

Leider habe ich nicht bedacht, dass ich danach eine ganze Stunde lang mit beiden Düften in meinem sowieso schon viel zu heiß gewordenem Auto festsitze. Nach der Hälfte der Strecke haben sich dann auch noch Kopfschmerzen zu uns gesellt. Und da ist mir die Lust irgendwie vergangen. Nicht nur an Libre, sondern auch an Sí. Später habe ich mir beide als Dupes geholt - "Golden Decade | Zara" und In Woman. Mit Libre wurde es nix, aber der Zara-Blindbuy hat mich regelrecht umgehauen. (Mehr zu diesem Happy End kannst Du in meiner ersten und bisher einzigen Rezension nachlesen - ich schweife sowieso dauernd ab 🤪)

Nach ein paar weiteren Besuchen in der Parfümerie, legte ich mich endlich fest: This Is Her! soll es zum Geburtstag werden! Ich fühlte mich wie beflügelt. Das könnte der Richtige, der Eine für mich sein.

Doch ich wollte es nicht sofort exklusiv machen. Deswegen bestellte ich mir außerdem noch zahlreiche Pröbchen, unter anderem auch Nischen-Düfte. Man weiß ja nicht, was es da draußen noch so gibt - auch andere Parfumeure haben schöne Düfte. Und ab da nahm diese Suche nach dem für mich gemachten Duft ungesunde Ausmaße ein, vor allem für mein Studenten-Bankkonto. Jede Woche trudelt mindestens einmal die Duftpost ein. Manche Pakete wurden aus Versehen noch zu meinen Eltern geschickt. Das merke ich aber erst, wenn Mama mich „Was hast du denn da schon wieder bestellt?“ über WhatsApp fragt.

Zu groß, zu neu, zu spannend ist diese neue Welt. Jedes Mal, wenn ich denke, dass ich einen Duft anhand der Pyramide gut einschätzen kann, werde ich eines Besseren belehrt. Und das packt mich mit einem seltsamen Eifer. Erst am Samstag kam ein neuer Flakon an: L'Impératrice. Die Kaiserin ist ganz anders als das, was ich schon ausprobiert habe. Ich habe vorher nicht gedacht, dass wir uns verstehen werden, etwas langweilig kam sie mir vor. Doch sie kam wie gerufen bei solchen heißen Temperaturen. Wie ein Frozen Watermelon Daiquiri. Die Kaiserin ist ganz sicher nicht die Eine, aber ich verbringe gerne Zeit mit ihr. Sie ist wie ein Sommer-Flirt, bei dem man weiß, dass es langfristig nicht funktionieren wird.

“Jetzt komm doch endlich auf den Punkt“, wird der ein oder andere wohl denken. Und Recht hat er damit. Eigentlich habe ich heute nicht im Sinn gehabt, meinen ersten Blogeintrag zu verfassen. Doch dann habe ich eine ganz neue Entdeckung gemacht. Und mich darüber wie ein Kleinkind gefreut.

Ich habe schon vorher versucht, Düfte zu layern. Aber immer fand ich sie einzeln besser, runder. Mal wieder schaute ich mir an, welche meiner Bekanntschaften ich einander vorstellen kann. Dabei entdeckte ich, dass die Imperatrice und This is her! ein durchaus gutes Match abgeben könnten. Natürlich musste ich es sofort ausprobieren. Zum Schlafengehen ist der Z&V sowieso perfekt, deswegen passte das gut mit meinen Plänen zusammen. Und dann BOOM!💥

Eine neue, aufregende Komposition wurde freigeschaltet. Der erste Verkupplungs-Versuch, der wirklich glückte! Ich kann es immer noch nicht glauben. Während ich darüber berichte, muss ich immer wieder an meinem Handgelenk riechen, ob es denn immer noch so stimmig ist oder ob ich beim Annäherungsversuch zwischen den beiden doch nicht den richtigen Riecher hatte. Habe vor Aufregung sogar etwas Herzklopfen dabei - aber riech‘ mal hin, es ist wahr!
Meine Pläne vom frühen Schlafengehen sind damit aber geplatzt. Morgen klappt es ganz bestimmt!

Mein Fazit mach fast 3 Monaten Suche nach dem Einen: noch bin ich nicht bereit, mich festzulegen. Ich habe ja soeben erst eine noch größere Palette an Möglichkeiten freigeschaltet. Ich weiß, dass ich mir sonst eines Tages „Was wäre wenn?“ denken und verpasste Möglichkeiten betrauern würde. Aber langsam lerne ich auch Verflossene loszulassen und mich damit abzufinden, dass manche Begegnungen nicht für immer geschaffen sind. Somit werde ich wohl auch den Rest von Her Eau de Parfum aufgeben, damit sie eine andere so glücklich machen kann wie sie es einst auch bei mir tat.