Was gibts Neues?

Wenn eine Kundin schlendernd auf die Abteilung kommt und ich frage, was ich für sie tun kann, bekomme ich in 70% der Fälle zur Antwort: Danke, ich möchte mich mal umsehen, was es Neues gibt. Das ist bei Parfums nicht anders als bei Make-up, wo gezielt nach dem Sommer-Look gefragt wird. Und zwar nicht jetzt, wo die Looks z.T. schon ausverkauft sind, sondern bereits im April, wo wir noch mit wattierten Jacken unterwegs sind. Hat eine Firma mehr als ein Jahr keinen neuen Duft herausgebracht, dann sind wir schon mal mit der flapsigen Bemerkung dabei, dass XY wohl auch im Dornröschenschlaf liegt.
Aber was ist die Konsequenz dieser Erwartungshaltung? Düfte werden inflationär auf den Markt geworfen, mit heisser Nadel gestrickt und im Fernsehen und der Presse gepusht, damit möglichst schnell möglichst viel Umsatz gemacht wird. Konzipiert sind sie dann auch oft so, dass sie eine möglichst breite Masse ansprechen, niemandem weh tun und nicht zu ausgefallen und speziell sind. Denn nur für Parfumo-User lohnt es sich sicher nicht, aussergewöhnliche Düfte auf dem Markt zu bringen.
Ein zweites Ergebnis dieser Parfum-Schwemme ist aber natürlich, da die Regalfläche in den Geschäften ja  nicht mitwächst, dass ebenso regelmäßig ein Duft aus dem Markt genommen wird, was dessen Liebhaber natürlich mit Empörung zur Kenntnis nehmen. Wie die Entscheidung getroffen wird, welches Parfum es trifft, dahinter bin ich auch nach 45 Jahren Berufserfahrung noch nicht gestiegen. Wenn man Düfte wie Sensi von Armani oder Simply von Clinique nimmt, ist das oft wirklich nicht nachzuvollziehen. Vielleicht ist hier und da auch mit ein Kriterium, ob ein Duft in Ketten wie D. oder M., die umsatzstark sind und ein großes Publikum haben erfolgreich ist. Nicht umsonst wird in Promotions vor Ort viel Geld gesteckt. Bei anderen Parfums wird sozusagen eine Sollbruchstelle eingearbeitet, der Duft als Limited Edition herausgebracht und bei größerer Nachfrage dann doch noch ein, zweimal nachproduziert. Manchmal einfach mit einem anders designten Flakon als "Sommer"-, "Jubiläums"- oder sonst einer Special Edition. Auf alle Fälle können wir dann mit (leicht beschämter) Berechtigung sagen: Hier haben wir was Neues von.....XY.  Sie Kundin hatte ihr Erfolgserlebnis,  ist ihrer Freundin vielleicht eine Nasenlänge voraus, und beim nächsten Stadtbummel wiederholt sich das natürlich. In der Modebranche kommen zweimal im Jahr neue Looks, Formen, Farben, Schnitte in die Geschäfte. Bei uns vergeht kaum ein Monat, ohne ein neues Parfum im Regal. Wenn ich zwei Wochen Urlaub hatte, bin ich am ersten Tag im Geschäft erst einmal damit beschäftigt, mich über alle Neuheiten zu informieren.
Für uns im Verkauf ärgerlich ist dann auch noch, dass die Firmen Neuheiten erst mal den Zeitschriftenverlagen vorstellen. Die müssen sich auch nicht an das Erscheinungsdatum eines Duftes halten wie wir, sondern informiern ihre Leser schon vorab. Dass Chanel z.B. ein N°19 Poudre herausbringt, weiss ich nur von Parfumo. Oft ist nicht einmal der Aussendienst der Firmen informiert. Die Damen bekommen ihre Infos wohl auch meist nur für den nächsten Besuch. Oder sie sind zum Stillschweigen verdonnert, denn vorgestellt werden Düfte oft erst, wenn uns die Kunden schon danach fragen. Wir stehen dann natürlich schnell als inkompetent da. Aber es ist mir einfach nicht möglich, mir jede Brigitte, Petra, Myself, Vogue, Madame usw. usw. zu kaufen und zu lesen, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Auf alle Fälle haben wir Kunden selbst die Firmen dazu erzogen, Düfte am Fließband zu produzieren. Ich bin überzeugt, wenige der Firmen setzen sich noch zum Ziel, einen Duft für die Ewigkeit zu schaffen. Der Duft muss die Entwicklungskosten hereinbringen, noch einen schönen Gewinn abwerfen, dann hat er sein Soll erfüllt und kann ausgelistet werden.
Ich denke, diese Spirale lässt sich auch nicht mehr anhalten, denn Parfums die es an fast jeder Ecke gibt, sind eben - unabhängig vom Preis - vom Luxus- zum Markenartikel geworden. Aber das wird das Thema eines eigenen Bolgs