Zintkala

Zintkala

Rezensionen
Zintkala vor 3 Monaten 4
10
Flakon
7
Sillage
7
Haltbarkeit
10
Duft
Der Duft meiner frühen 20er. Auf in die Unabhängigkeit! (oder so ähnlich)
Als 2014 passend zum Release des neuen Albums 1989 der Duft „Incredible Things“ von Taylor Swift angekündigt wurde, sagte mir das Wort „Parfumo“ noch nichts und mein Duft-Arsenal bestand aus 2 billigen Victoria’s Secret Bodysprays, die mir seit Jahren gute Dienste erwiesen hatten.
Als mehr oder weniger obsessiver Taylor Swift-Fan der ersten Stunde hatte ich mit der süffisanten Selbstgefälligkeit einer greisen Musikkritikerin mit Zigarre im Mundwinkel vom alten Ohrensessel aus beobachtet, wie meine Lieblingskünstlerin, deren Namen bis 2012 in Deutschland nur wenige kannten, kommerziell immer erfolgreicher wurde und 2014 mit dem Album 1989 endgültig den deutschen Mainstream erreichte.
Taylor Swifts kommerzieller Erfolg beruhte immer auf ihrem eigenen Songwriting, gepaart mit einem Marketing-Genie, das ihresgleichen sucht. Es gab nur eine Sache, die sie mir nie verkaufen konnte: Ihre Parfums. Mit dem erfolgreichen Wonderstruck Eau de Parfum und dem Flanker Wonderstruck Enchanted Eau de Parfum konnte man mich in den frühen 2010ern jagen (Und als konsumfreudiger Teenager mit Taylor Swift-Faible hätte ich sie nur allzu gerne gemocht!) Sie waren mir zu pink, zu süß, zu „girly“ - auch wenn das natürlich seine Berechtigung und seine Zielgruppe hat. Ich fühlte mich ein paar Jahre zu alt dafür.
Nun trudelten 2014 die ersten Mini-Reviews von „Incredible Things“ in der Fan-Community ein - und ich wurde hellhörig:
„Der 1. Duft von Taylor, den ich nicht mag.“
„Die anderen waren stärker.“
„Nichts für mich.“
„GAR nicht wie Wonderstruck!“
„Bäh.“
Ich sah mir die Duftnoten an, blickte auf mein ambriert-vanilliges Victoria’s Secret-Waffenlager und tätigte den 1. und letzten Blindkauf meines Lebens. Ein Volltreffer!
Incredible Things ist tatsächlich anders als seine Vorgänger. Ja, süß ist er auch, aber auf weniger quietischige Art und Weise und ein wenig reifer:

Direkt im Auftakt bekommt man eine scharfe Dosis rosa Pfeffer gepaart mit der Säure der Grapefruit. Beides verfliegt recht schnell. Nach ein paar Sekunden kommt aber auch schon eine cremige blumig-vanillige Süße durch, die sich durch den gesamten Duftverlauf ziehen wird. Dann die Überraschung: Eine nicht gelistete herb-seifige Koriander-Note gesellt sich dazu. (Und ja - die ist kontrovers. Ich glaube, an dieser Stelle nehmen andere Rezensent:innen eine Piña Colada-Note war. Die habe ich als bekennende Kokus-Hasserin in 11 Jahren nie gerochen. Ich habe allerdings mein Näschen mittlerweile an den Rush gehalten und dort dieselbe Koriander-Note erschnuppert.)
Im weiteren Duftverlauf erscheint dann schließlich die leicht ambrierte Wildleder-Moschus-Basis, die die Vanille unterlegt. Hier ziehe ich (entfernte!) Parallelen zu Cuir Béluga Eau de Parfum . Beide Düfte trennen natürlich Welten. Aber dieser butterweiche Vanille-Wildleder-Akkord, der beim erwachsenen Cuir Beluga selbstbewusst im Mittelpunkt steht, findet beim Incredible Things zart im Hintergrund statt. Ja, mit viel weniger Power, aber doch ausgeprägt genug, dass ich mich nach der Einstellung von Incredible Things auf eine jahrelange Suche begab, diese himmlische Basis in einem anderen Duft wiederzufinden.

Incredible Things ist in der Welt der Celebrity-Düfte ein interessanter Sonderling. Er bewegt sich natürlich zielgruppentreu im eher süßen femininen Mainstream. Erfahrene Näschen haut er sicher nicht aus den Latschen. Für mich stellte er jedoch damals den Einstieg in die komplexere Welt der Düfte dar: Bis dato kannte ich nur den fruchtig-süßen Einheitsbrei diverser günstiger Marken und beschränkte mich auf Vanille-Bodysprays ohne Duftverlauf. In Incredible Things erkannte ich die Freuden eines pfeffrig-sauren Auftakts, der im Kontrast zum restlichen Duft steht. Die Koriander-Note mittendrin ist mutig. Es scheint, dass sich die verantwortlichen Parfümeure selber vor ihren Wagemut angesichts der hyperfemininen Zielgruppe erschreckten und die Note lieber gar nicht erst in der Pyramide erwähnten. Die Wildleder-Basis inspirierte mich mit Anfang 20, meinen Duftnoten-Horizont auch in Richtung eher traditionell maskulin gelesener Noten zu erweitern.

Mich erinnert dieser Duft an erste Dates zu Studiumszeiten, Sommer-Nachmittage mit Freunden und die Jahre, in denen ich lernte, auf eigenen Beinen zu stehen, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Die ersten Schritte in die Unabhängigkeit als junge Erwachsene - exakt das Thema des Albums 1989, das dieses Parfum damals begleitete: „Nice to meet you, where you been? I could show you incredible things…“

P.S.: Es gibt meines Wissens kein gutes Dupe für diesen eingestellten Duft. Die heutzutage erhältlichen Flakons sind oft gekippt und/oder haben extrem kurze Haltbarkeit; ich empfehle daher keinen Kauf. ABER: Hypnôse Eau de Toilette kommt mit Passionsblume + Vanille ganz gut an einen Teil des Dufts ran. Cuir Béluga Eau de Parfum ist wie schon erwähnt die erwachsene Power-Variante der schüchternen Basis von Incredible Things. Die rosa pfeffrige Grapefruit-Kombi in der Kopfnote, die ich so mochte, habe ich leider bisher so in keinem anderen Duft wiedergefunden.
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