Pétale Noir 2012

Buchmensch
13.06.2016 - 20:02 Uhr
19
Top Rezension
7
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
7
Duft

Nicht noir zur Weihnachtszeit

Hinter »Pétale Noir« war ich lange her. Ich fand die Duftpyramide hochinteressant, mir gefiel der Name, die Flasche auch, und wie ich schon in meinem Kommentar zu Yves Rochers »Vanille Noir« geschrieben habe, gehöre ich zu der Zielgruppe, die sich von allem, was noir ist, ködern lässt. Aber ich wollte nicht die Katze im Sack kaufen, Bei dieser riesenlangen Liste an Duftkomponenten fiel es mir schwer, mir wirklich vorzustellen, wie das Endergebnis riechen sollte - und ohnehin war es an der Zeit, ein bisschen für meinen Mut zu tun und mich endlich in richtige Parfumerien zu wagen, auch wenn ich in meinen abgewetzten Jeans und ausgelatschten Schuhen nicht wie ein typischer Kunde aussehe und immer Angst habe, unfreundlich behandelt zu werden.

Anfang Dezember, zu Besuch in München, ging ich also auf Parfumerien-Tour. Zugegeben, bei Ludwig Beck habe ich mich nicht hineingewagt, aber es blieben immerhin mehrere Douglasien übrig, irgendwas kleineres, dessen Name ich mir nicht gemerkt habe, und eine obskure Billigparfumerie, wo ich schnell wieder draußen war. Habe festgestellt, dass es durchaus von Vorteil ist, ein bisschen schlampert auszusehen: In keiner Buchhandlung der Welt hatte ich so schnell einen Verkäufer mit der Frage »Kann ich Ihnen weiterhelfen?« an meiner Seite wie in jeder einzelnen dieser Parfumuerien. In der Tat, jeder war freundlich zu mir, auch wenn ich mich zugegeben etwas argwöhnisch beobachtet fühlte.

Aber ich war ja gut vorbereitet, hatte eine Frage zur Reformulierung von »Opium« zur Hand (deren Antwort ich schon wusste, aber irgendwie hatte ich immer das Bedürfnis, mich auch wirklich als engagierten Parfumfreund auch teurerer Marken zu erkennen zu geben), und eine Wunschliste von drei Düften, die ich probeschnuppern wollte, ehe sie auf den Weihnachtswunschzettel wandern, ganz oben »Pétale Noir«. Die Marke Agent Provocateur kenne ich eigentlich nicht, jedenfalls nicht außerhalb von Parfums - dafür ist die Modewelt zu lange komplett an mir vorbeigelaufen. Aber ich hatte sie so eingeschätzt, auch vom Preisniveau her, dass es etwas ist, das man in Parfumerien bekommt. Nun, Fehlanzeige, zumindest in München. Niemand, den ich fragte, hatte auch nur irgendeinen Duft von ihnen im Angebot, und so landete dann ein anderer Duft auf meinem Wunschzettel.

Aber zu Weihnachten gab es auch einen unerwarteten Geldsegen - meine Oma, die sonst nie etwas schenkt, überwies einen kleineren Betrag, und die zusätzliche Aussicht auf einen lukrativen Buchvertrag machte mich spendabel, so dass ich mir mein schwer zu fassendes »Pétale Noir« doch kurzerhand als Blindkauf leistete. Es war teurer als das, was ich normalerweise in einen Blindkauf investierte, und um so mehr wollte ich das Endergebnis lieben - aber als das Päckchen dann kam, war ich enttäuscht. Die Flasche sah in Natura billiger aus als auf dem Foto, der neckische Ring zum Entsichern wirkte eher fimischig, und bei Parfums ohne Deckel habe ich immer Angst, sie verdunsten mir - vor allem aber hat der Geruch mich überhaupt nicht überzeugen können.

Eine Duftpyramide mit ungefähr dreihundert Komponenten, darunter Leder, Tabak, Vetiver - ich erwartete etwas Androgynes, etwas, das Schmackes hat und vielleicht einen flotten Tango aufs Parkett legt. Aber von wegen »Schwarzes Blütenblatt« - alles, was ich roch, war zart, duftig, luftig, blumig, irgendwie undefiniert, irgendwie ein Blütenstampf, aber überhaupt nicht noir. Noch nicht mal den angeblich vorhandenen Patchouli konnte ich herausriechen. Wo ich auf strenge Androgynität gehofft hatte, bekam ich das tantigste aller Tantenwasser. Ich fühlte mich zugleich zu jung und zu alt für diesen Duft, zu wenig weiblich, zu dick, und ich mag es nicht, wenn irgendwas versucht, mir mein positives Körpergefühl zu nehmen. »Pétale Noir« war ein Kleid, in das man nicht hineinpasst, und ich wusste auch genau, wie es aussieht:

Als junge Frau wollte ich immer ein Kleid von Laura Ashley haben (ja, das war die erste Modemarke, die ich kannte) - ein zartes, kleingeblümtes Kleidchen wollte ich mir kaufen, von meinem allerersten Gehalt. So weit ist es nicht gekommen, war mein erstes Gehalt doch ein Azubilohn von umgerechnet vierhundert Euro - aber nun hatte ich zumidest ein virtuelles Laura-Ashley-Kleid: Genau so roch nämlich »Pétale Noir« bei unserer ersten Begegnung. Kleingeblümt, mädchenhaft verspielt, berüscht. Es hätte mir vielleicht mit Anfang 20 ganz wunderbar gestanden oder wieder mit Mitte 60. Aber nicht jetzt, mit Anfang 40, und nicht zur Weihnachtszeit.

In so einem Fall, wenn ich den Duft ohnehin gekauft habe, bekommt ein Parfum eine zweite Chance, wenn sich das Wetter gedreht hat. Normalerweise kann ich einen Duft, den ich mag, bei jedem Wind und Wetter tragen. Schwere Orientalen im Sommer? Na sicher - wie ist denn das Wetter im Orient? Passt! Aber manchmal kommt ein Parfum daher, das geht wirklich nicht das ganze Jahr über. »Pétale Noir« ist so ein Duft. Im Winter gibt er mir überhaupt nichts. Vielleicht brauchen die zartflüchtigen Komponenten Wärme, um sich zu entfalten, oder zumindest mehr Wärme als im Dezember, denn warm ist es im Moment ja lang nicht. Aber ich habe heute »Pétale Noir« getragen, und es hat mir gut gefallen.

Von der überfrachteten Duftpyramide rieche ich immer noch nur das Röschen raus, halb versteckt hinter dem Maiglöckchen. Aber je länger ich den Duft auf der Haut habe, und die Wirkung kann sich sehen lassen, desto mehr kommt eine Pfeffernote heraus, die ich zwar in der Liste nirgends finde, die mir aber sehr zusagt. Blumen, schwarzer Pfeffer, und ein Hauch von Zitronengras. Noir würde ich das Ergebnis immer noch nicht nennen, aber vielleicht etwas noirer als im Winter, ja, doch, kann hinkommen. Der Duft bleibt luftig, fluffig, blumig, zart, immer noch mehr Rüschenkleid denn Rollkragenpullover. Aber vielleicht ist Sommerregenwetter einfach besser gedacht, um so ein leichtes Düftchen zur Geltung zu bringen.

Bekomme ich Laura Ashley auch in Übergrößen?
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