8ᵉ Jour 1991 Eau de Toilette

Buchmensch
24.05.2016 - 15:39 Uhr
15
Top Rezension
8
Flakon
8
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

Der Meister des achten Tags

Man begegnet sich immer mehrmals m Leben, und "8e jour" und ich haben bestimmt ein Halbdutzend Anläufe gebraucht, um uns endlich lieben und schätzen zu lernen - sozusagen das "Harry und Sally" der Parfumwelt.

Das erste Treffen muss irgendwann 1995 gewesen sein, in Köln. Dort, auf der Schildergasse, war ein Yves Rocher-Laden, und auch wenn ich von mir aus niemals dort hineingegangen wäre, wollte das aber meine Freundin, und ich zockelte hinterher - der Beginn einer großen Liebe. Ich kaufte Handcreme mit Ringelblumenextrakt, mein erstes Parfum, "Nature", und wo ich gerade dabei war, probierte mich durch das restliche Duftangebot. Letzteres ohne Rücksicht auf Verluste: Statt nur einen Duft auf einmal aufzusprühen, teilte ich meine Hände in Zonen ein, und mit der Gründlichkeit eines Allergietestes sprühte ich Duftproben auf. Im Nachhinein kann ich nur hoffen, dass die Sillage nicht so groß war - ich mag gar nicht vorstellen, wie jemand riecht, der sich gerade das gesamte 90er-Jahre YR-Sortiment aufgesprüht hat!

Die Favoriten waren schnell ausgemacht: "Nature", natürlich, und "Venice" - "8e jour" hingegen konnte überhaupt nicht überzeugen, ich roch in erster Instanz nur Katzenpipi. Aber irgendwann gegen Abend stieg mir etwas in die Nase, wunderbar weich, warm, süß, geheimnisvoll ... Ich ließ die Nasenspitze über die Hand wandern, machte die Stelle aus, von welcher der Duft ausging, und versuchte, mit meiner Erinnerung abzugleichen, was ich dorthin gesprüht hatte. Handrücken rechts, nahe dem Mittelfingerknöchel ... Das kann doch nicht das gleiche "8e jour" sein wie vorhin?

Ich war erstaunt. Man bedenke, es war meine erste Begegnung mit Parfum auf meiner Haut überhaupt. Während meiner Schulzeit hatte ich an den Parfumpröbchen, die mir meine Großtante zukommen ließ, geschnuppert, aber mich nie getraut, etwas aufzutragen, und ich hatte keine Ahnung, dass sich die meisten Parfums erst einmal entwickeln müssen - und ausgerechnet Yves Rocher ist nicht die beste Marke, um dieses Prinzip zu lernen, sind doch die meisten Düfte sofort da und verändern sich dann auch nicht weiter, nur eben "8e jour" machte da eine Ausnahme. Ich merkte mir den Namen für später - das zumindest hatte ich schnell raus: Bei Yves Rocher nie zum vollen Preis kaufen. Immer Sonderangebot abpassen. Vor allem, wenn man ein armer Student ist.

Aber das Sonderangebot ließ auf sich warten. Anders als andere Düfte, die es schnell für kleines Geld gab, war "8e jour" wohl einer von den luxeriösen Düften im YR-Sortiment, und es dauerte zwei oder drei Jahre, bis ich endlich ein Fläschchen "8e jour" EDT besaß - nicht in dem hochinteressanten Schüttflakon, der in der Draufsicht aussieht wie ein Auge, sondern den deutlich schlichteren Sprühflakon. Aber der Duft sollte ja der gleiche sein, egal wie die Flasche aussieht, oder? Ich sprühte, ich wartete, und ich war enttäuscht. Es war nicht das, woran ich mich erinnerte. Vielleicht hatte ich damals überhaupt die Zone auf meiner Hand falsch zugeordnet? Nicht, dass ich "Nuit Orchidee" oder "Ispahan" gerochen hatte? Oder ich hatte eine Flasche erwischt, die nicht mehr gut war? Ich beweinte mein rausgeschmissenes Geld, stellte die Flasche in den Schrank, und rührte sie nicht mehr an.

Jahre vergingen. Ich entdeckte Parfum wieder, ich entdeckte Parfumo, und ich probierte mich durch die Parfums, die ich fast zwanzig Jahre und drei Umzüge lang mit mir rumgeschleppt hatte, und da war auch mein "8e jour" wieder. Zeit, ihm noch eine Chance zu geben … Ich sprühte, ich schnupperte, und ich rannte ins Bad, um es mir abzuwaschen. Diesmal war ich mir sicher: Der Duft musste gekippt sein. Ich roch Maggi, ich roch Katzenpipi, ich roch alles, was für mich einen gekippten Duft ausmachte (man muss dabeisagen, dass "8e jour" der erste Duft war, den ich überhaupt als gekippt identifizierte). Aber ich gab nicht auf. An einem Abend im Jahr 1995 hatte ich etwas wundervolles gerochen, und diesen Geruch wollte ich zurück, koste es, was es wolle!

Es kostete etwas mehr, aber endlich gelang es mir, eine Flasche des inzwischen lang vergriffenen und gesuchten Duftes zu ersteigern - diesmal den hübschen augenförmigen Schüttflakon. Ich träufelte, ich tüpfelte - wirklich, Schüttflakons überfordern mich, ich bekomme das Zeug nicht so auf die Haut, wie ich es gerne hätte - und das Ergebnis roch … genauso wie mein letzter Versuch. Ich war verflucht. "8e jour" mag mich nicht. Und in noch eine Flasche wollte ich nicht investieren. Und so vergingen noch einmal an die zwei Jahre, bis ich, so schnell gebe ich ja nicht auf, "8e jour" eine letztes, allerletzte Chance gab. Diesmal wieder aus der Sprühflasche. Und mit mehr Geduld. Ich endete im siebten Himmel. Beim gefühlt achten Versuch waren der achte Tag und ich endlich Freunde geworden.

Vielleicht liegt es daran, dass ich in der Zwischenzeit vierzig geworden war und vorher einfach zu jung für diesen Geruch. Ich denke nicht, dass man "8e jour" gut mit zwanzig Jahren tragen kann. Der Duft ist zu reif, zu raffiniert, zu vielschichtig. Und er erfordert, wie alles, das Jasmin enthält, Geduld. Zumindest bei mir riecht Jasmin immer zuerst nach Katzenpipi - das gilt z.B. auch für "Tendre Jasmin". Aber wenn man das einmal hinter sich hat - war zwei Stunden oder mehr dauern kann - wird es buchstäblich dufte. Wenn der Jasmin die Party verlassen hat, wagen sich die anderen, die sich in der Zwischenzeit in der Küche versteckt hatten, endlich auf die Tanzfläche. Honig, Zimt und Myrrhe sagen dem DJ, was er auflegen soll, Rose und Ylang Ylang tanzen dazu, lang und ausdauernd bis zum nächsten Morgen. Eine Orientale nicht von der Stange, kein Floriental, sondern fast schon gourmandig, so präsent ist der Honig bis zum Schluss.

Es gibt Düfte, da dauert es einfach etwas länger, sie zu zähmen, und manchmal muss man sich auch selbst darauf einlassen, sich zähmen zu lassen. "8e jour" ist ein sehr spezieller Duft, nicht für jeden Tag und nicht für jeden Menschen. Während mir meine Favoriten der 90er heute zu brav, zu beliebig, zu durchschnittlich erscheinen (mit "Nature" kann ich nicht mehr viel anfangen, ich fühle mich zu alt dafür), fühle ich mich von "8e jour" in meiner Künstlerseele ernstgenommen. Ich bin interessant, einzigartig, verschroben, und ich brauche Düfte, die das unterstreichen. Ich mag "8e jour" immer noch nur an bestimmten Tagen tragen, ich brauche eine besondere Stimmung dafür, und ich möchte nidht, dass der Duft sich abnutzt, er soll etwas besonderes bleiben für mich. Aber jetzt, nach all den Anläufen, die wir beide füreinander gebraucht haben, ist es eine lange und glückliche Liebe.
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