Kikolja
03.03.2024 - 02:59 Uhr
9
2
Preis
6
Flakon
9
Sillage
9
Haltbarkeit
4.5
Duft

Hochfliegende Träume, harte Landungen

Ein Blindkauf, der mich eine Stange Geld gekostet hat, vergleichbar mit dem Preis eines brandneuen iPhones. Über ein Jahrzehnt hinweg habe ich von diesem Duft nur träumen können, angestachelt durch verheißungsvolle Rezensionen und meine akribischen Recherchen während der Studienzeit. Irgendwann stolperte ich über diesen geheimnisumwitterten Duft und machte mir ein Versprechen: Sollte ich je so betucht sein wie Pierre Gasly, würde dieser Duft mein sein. Gerüchte besagten, es sei sein persönlicher Favorit. Auf TikTok schwärmen Frauen, man könne ihn meilenweit an seinem Parfüm erkennen. Ein Duft so einzigartig, dass er die Aura eines Formel-1-Stars einfängt. Und sogar das dekorierte Flakon ein bisschen an die Welt des Rennsportfahrens, deren Trophäen und Logo erinnert.

Nun, nach Jahren erreichte ich endlich einen Punkt in meiner Karriere, an dem ich mir diesen Luxus gönnen konnte – nicht ohne ein schlechtes Gewissen, aber als Sammlerstück schien es gerechtfertigt. Die Enttäuschung kam jedoch mit der Lieferung. Der Flakon, schwer und mit Gold verziert, versprach viel – doch die Details und die Sprühkappe ließen zu wünschen übrig. Für den Preis hatte ich eine pure Handwerkskunst erwartet, nicht ein Sparprogramm in Sachen Aufmerksamkeit. Die Goldverzierung war nicht genug ausgeschliffen und lapidar gegossen. Die Plastikkappe wurde die billigste der billigsten genommen. Ich glaube die 15 € Parfüms, die man auf Amazon kaufen kann tragen so eine.

Und dann der Duft selbst – sollte er nicht die Krönung meines kleinen Luxus sein? Was mich empfing, war jedoch ein bizarres Gemisch aus Orangensaft und überreifen Ananas, seltsam vermischt mit dem Geruch von Nivea Creme. Weit entfernt von mondänem Luxus, neigte der Duft eher zum Muffigen, etwas, das ich mir eher an einer Dame fortgeschrittenen Alters vorstellen könnte oder an meine ehemalige Nachbarin – eine leidenschaftliche Verehrerin von Versace in Besitz einer von Böden marmorbelegten Wohnung, die ihre extravaganten Vorlieben durch dubiose Geschäfte finanzierte, erinnerte.

Alles schien überladen, zu dicht gedrängt in einem zu engen Rahmen und dadurch wirkte es gekünstelt. Der Raum war vollgestopft, als hätte man zu viele Elemente in einen zu kleinen Bereich gepresst. Übergroße Vasen, schwere Vorhänge, spiegelnde Böden, ledernes Mobiliar, Teppiche und diverse Barschränke – all das breitete sich auf einem Areal aus, das man üblicherweise in der großzügigen Lobby eines italienischen Hotels am Gardasee erwarten würde. Das ist die treffendste Beschreibung, die mir einfällt. Ein solches Parfüm scheint genau für diesen Typ Mensch oder eine solche Situation geschaffen zu sein – eine Überfülle, eingezwängt in einen winzigen Raum.

Jetzt steht die Überlegung an: Soll ich das Parfüm als Andenken an meine maximalistischen jungen Jahre und als Kuriosität in meiner Sammlung behalten, oder soll ich es abgeben, jetzt, wo ich auf den Minimalismus-Trip aufgesprungen bin – was ja irgendwie ironisch ist, wenn ich an meinen zugegebenermaßen Verbrauchswahn denke, von dem ich definitiv betroffen bin, oder? Vielleicht sind Maximalismus und Minimalismus ja gar nicht so unterschiedlich, wie man denkt – quasi alles ein bisschen zu viel auf zu wenig Platz. Die Zeit wird es zeigen. Und wer weiß, vielleicht blicke ich ja in ein paar Jahrzehnten, wenn ich die 60 knacke, mit einem liebevollen Schmunzeln auf dieses Parfüm zurück und fange an leidenschaftlich gern zu ihm zu greifen.
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