Eau Trouble 2011

Peanut
03.03.2015 - 12:30 Uhr
42
Top Rezension
10
Flakon
5
Sillage
5
Haltbarkeit
10
Duft

Draußenkind oder Stubenhocker?

Eau Trouble (oder: Eau Troublé) ist alles, aber kein harmloses Wässerchen. Es ist, wie der Name schon sagt, reichlich trübes Wasser im pechschwarzen Flakon. Trüb heißt aber nicht, dass man hier ein Eau de Tümpel, Eau de Pümpel oder gar Abflusswasser kredenzt bekommt. Nichts dergleichen. "Eau Troublé" ist überaus und unmissverständlich wohlriechend, egal mit welchen Erwartungen man an den Duft herantritt oder wie man olfaktisch orientiert ist.

Wie man den Duft interpretiert hängt allerdings davon ab (das behaupte ich einfach mal), ob man als Draußenkind oder Stubenhocker aufgewachsen ist. Denn: Als Draußenkind (und zwar nur als Draußenkind) verfügt man über folgende Dufterfahrung respektive Assoziationsfläche in seinem inneren Duftarchiv :

Es ist Frühling oder Sommer, man hat den ganzen Tag draußen verbracht. Nach dem fünften bis zwanzigsten Mal "Abendessen ist fertig, bitte reinkommen!" schlurft man widerwillig und dreckig wie ein Kohlekumpel nach Hause. Man hat eine Fuhre Sand in den Haaren und eine von der Abendkühle leicht rot-kalte (wahlweise: verrotzte) Nase, die Latzjeans ist ganz steif vor Dreck. Ein Vollbad wäre angebracht, aber da das Abendessen auf dem Tisch steht, müssen zumindest Hände und Gesicht einer Tiefenreinigung unterzogen werden. Eine Katzenwäsche im Waschbecken ist da der Kinderwaschgang der Wahl (oder der Qual).

Kaum hat Kind fertiggeschmollt und Muttern das warme Wasser eingelassen, stellt Kind fest, dass der Spieleifer noch nicht abgeflaut ist. Sich zu waschen macht zwar so gar keinen Spaß, aber die nasse Seife genüsslich aus den Händen fluschen zu lassen, mit der Nagelbürste Motorboot zu spielen oder zu testen, wie viel Wasser ein nicht hochgekrempelter Ärmel aufsaugen kann-- das macht Laune! So lässt sich locker eine Viertelstunde vertrödeln, bis die Finger schrumpelig sind, das Seifenstück matschig und das erkaltende Seifenwasser ganz trüb ist.

Freeze frame: Das ist der Duft von "Eau Troublé"!

Genau diese Dufterfahrung aus der Kindheit ist es, die sich einer einschlägig geprägten Nase beim Genuss von "Eau Troublé" wieder in voller Pracht offenbart: Die Erinnerung an im Waschbecken erkaltendes, sehr trübes Seifenwasser. Inklusive der spezifschen bitzelnden Würze eines ordinären Seifenstücks gepaart mit dem leicht dumpfen Geruch erdigen Patschehändchendrecks. Mit von der Partie ist der Hauch der noch in der Nase und in den Klamotten hängenden frischen Luft und des Abenteuers-- aber das mag überschwängliche Überinterpretation sein. Das Seifenwasserkonzept an sich aber ist (so finde ich) recht deutlich zu erkennen und vermutlich auch gewollt.

Eine Stubenhockernase jedoch, die nie das Glück hatte, dreckig genug nach Hause zu kommen, um die Hände im Seifenwasser mariniert zu kriegen, wird höchstwahrscheinlich eher das riechen, was die Duftpyramide suggeriert: Eine rauchig-herbe Blumenkomposition (etwas Orangenblüte, etwas Puderiris, eine Idee Rose vielleicht) auf feinholzigem Bett aus Zeder, gesprenkelt mit bewusst ungefälliger Zitrusschale. Das Ganze durchgehend erdig (Vetiver?) und kühl-würzig gehalten, von diskret dürsterem Charme.

Dieses Forum wird aber offenbar von nicht wenigen Draußenkindern bevölkert, denn das Seifenmassaker-Kopfkino rattert (glaubt man den untenstehenden Kommentaren und meiner bescheidenen Meinungsforschung) nicht nur bei mir los, wenn das "Eau Troublé" den Weg in die Nasenlöcher findet. Was nicht bedeuten muss, dass dies die einzige und gewollte Wirkungsabsicht des Duftes sein muss. Für ehemalige Dreckspatzen jedoch eine naheliegende.

Anders gesagt: "Eau Troublé" vereinigt (und outet!) die Draußenkinder aller Länder.
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