Weinstrasse 2019 Eau de Toilette

NuiWhakakore
03.09.2022 - 11:11 Uhr
28
Top Rezension
8
Preis
7
Sillage
8
Haltbarkeit
8.5
Duft

Ein lohnenswerter Abstecher

‚Winery 2 Miles‘ stand auf dem Schild am Highway. Ein Weingut hier, am Missouri? Sollte es hier nicht eher Bier und Whiskey geben? Wir überlegten, ob wir einen Stop machen sollten. Nach einer Mile kam noch mal ein Schild, da stand dann auch ‚free tasting‘, das gab den Ausschlag.
Der tasting room lag in einem schön renovierten historischem Schuppen. Historisch heißt hier Mitte des 20. Jahrhunderts. Ein typisches, amerikanisches Servicekraft-Wesen kam uns entgegen geschwebt - blond, breit lächelnd, aufgesetzte Freundlichkeit, schön anzuschauen, auch wenn meine Freundin das nicht zu schätzen wußte – und sagte die Worte, die uns fast sofort wieder in die Flucht schlugen: ‚Hi, guys, we do berry wine!‘
Wir waren zu langsam, also kredenzte sie uns die Spezialität des Hauses: schwarze Johannisbeere, im Holzfass gereift, 12,5 % Alkohol, wider erwarten ganz okay und zum Glück nicht allzu süß. Von richtigem Wein natürlich so weit entfernt, wie von hier zum Mond und noch etwas weiter. Wir kauften dann aber doch ein paar Flaschen und das hatte nicht viel mit dem Inhalt zu tun. Zu dem Schuppen gehörte eine Terrasse mit Blick auf den tief unter uns liegenden Missouri. Die Abendsonne schien warm und weich, das trockene Stroh zwischen den Beerensträuchern duftete verführerisch würzig. Es war einfach die perfekte Stimmung an diesem Spätsommerabend.

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Zunächst einmal: ich war noch nie in Missouri und auch nicht im Missouri Rhineland, von dem ich aber bezweifle, das es viel mit dem deutschen Rheinland gemein hat. Laut Google Maps kann man hier auch nicht wirklich von einer Steilhanglage sprechen.

Weinstrasse von Chatillon Lux ist für mich einer der spannendsten und auch besten der Marke. Tief im Inneren ist es auch dieser ein sehr klassischer Duft, hier eine Art Fougére, der allerdings viel weiter in die Moderne geführt wurde, als andere Düfte der Marke.

Er startet dabei mit sehr animalischem Moschus und einer großen Portion Cumarin, den ich als warm und würzig, aber nicht schweißig empfinde. Die fruchtigen Noten halten sich erst einmal eher zurück, schwarze Johannisbeere erkenne ich, Trauben eher nicht. Wobei von der Johannisbeere ja nur die Knospe drin sein soll und diese ja gerne mal grün-bitter duftet. Für den fruchtigen Aspekt könnte also schon eine Traube verantwortlich zeichnen. Ein ganz klein wenig saftig ist das dann schon. Holzige Noten sind auch zu Beginn mit dabei und etwas florale. Das ganze ist zunächst einmal recht intensiv und hat wohl auch den ein oder anderen hier effektiv abgeschreckt.
Langsam kommt die Strohblume mit rein. Sie ist sehr trocken, strohig (sic), würzig und herb. Moos ist auch gut erkennbar, ebenfalls trocken-würzig, mit einer leichten Frische. Die animalischen Noten gehen zurück, bleiben aber erkennbar. Die fruchtigen Noten nehmen zu und zähmen die Strohblume mit einer angenehmen Süße. Das gibt einen schönen Gegensatz zwischen staubtrockenem Heu und saftiger Frucht. Später erkenne ich dann noch eine leichte Honignote vom Geisblatt und so klingt der Duft langsam aus. Ganz am Ende entsteht für mich sogar noch ein leicht fruchtig-harziger Eindruck, als wäre Amber enthalten. Ich bin auf der Weinstrasse 7-8 Stunden unterwegs.

Mit der Strohblume, aka Immortelle, habe ich normal immer Probleme. Sie tritt allzu oft sehr garstig, kratzig, fast schon medizinisch, auf. Hier ist sie durch die Frucht, das Holz und auch der Animalik fein eingebunden und besänftigt. Somit der erste Immortelle-Duft, der mir richtig zusagt, besser noch als der fast zeitgleich erschiene Nefertiti von Maher Olfactive.

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Obige Geschichte hat sich übrigens so ähnlich zugetragen, jedoch ein paar tausend Kilometer weiter nordwestlich in British Columbia. Gekauft haben wir damals nichts, die Lage war wohl nicht so toll, es hat aber auch gut gerochen, jedoch eher nach dunklen Nadelwäldern, feuchter Erde, Moos und dem letzten Schnee in den Bergen. Aber das ist ein anders Parfum...
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