Rusé 1966 Parfum

Turandot
06.07.2013 - 08:42 Uhr
18
Top Rezension
7.5
Sillage
7.5
Haltbarkeit
9
Duft

W.A.MOZART / FAGOTTKONZERT B- DUR KV 191

Rusé gehört offensichtlich zu den Parfums, bei denen jeder etwas anderes erlebt und auch jede Einordnung mehr über den Riechenden verrät, als über den Duft. Man kann das an der Vielfalt im Tortendiagramm deutlich ablesen. Mit etwas gutem Willen kann ich auch ausser "süss" und "rauchig" alles nachvollziehen was andere Mitglieder für Kategorien gewählt haben.

Nun ein Duft, der für jeden etwas hat, gerät schnell in den Verdacht, beliebig zu sein, aber das ist Rusé keinesfalls. Im Gegenteil, der Duft hat einen ausgeprägten, unverkennbaren Charakter, verbreitet dunkle Eleganz und erinnert mich an kein Parfum, was ich schon einmal gerochen habe. Noten zu identifizieren ist hier schlichtweg nicht möglich. Ich könnte höchstens aufzählen, was sicher nicht drin ist, z.B. Patchouli oder fruchtige Noten.

Rusé erinnert mich auch nicht wie Florblanca an einen Waldspaziergang, auch nicht in der Kopfnote. Dazu ist mir die Atmosphäre, die das Parfum verbreitet nicht naturalistisch genug. Hier sind florale Elemente eher angedeutet als nachempfunden. Ich sehe erst mal auch keine Bilder, sondern mich erinnert Rusé an Musik, bei der Oboen oder ein Fagott die Hauptrolle spielen. Damit ist auch mein Titel erklärt, denn das war an diesem Kommentar für mich das Schwerste.

Der unsüsse, aber eigentlich nicht wirklich herbe Charakter von Rusé fasziniert auch mich. Und den Vergleich mit dunklem Satin kann ich wiederum sehr gut nachvollziehen. Trotz seiner Opulenz ist die Herznote des Parfums für mich glatt und kühl und wirklich dunkel. Den Duft auch bei "holzig" und "harzig" einzuordnen, das stimmt zwar, aber das hört sich rauher an, als es wirklich ist. Hier tut es mir wieder einmal leid, in unserer Einordnung nicht die Möglichkeit für "moosig" wählen zu können, wobei auch das wieder modriger klingen würde,als Rusé sich präsentiert.

Ihr seht schon, so leicht lässt sich dieser Duft nicht fassen und das ist es gerade, was mich an einem Parfum begeistert. Auch die Basis entwickelt sich nicht, wie von mir erwartet, bzw. wie man es von vielen Düften gewohnt ist - weicher, süsser, holziger, animalischer - nichts davon stimmt, denn Rusé verändert seinen Charakter nicht bis zum Ausklang, wird höchstens zärtlicher, sondern verhallt wie ein Echo seiner selbst und bleibt damit spannend bis zum Schluss. Dieser Spannungsbogen, der es einem unmöglich macht, das Parfum in Kopf- Herz- und Basisnote aufzudröseln, bzw. die einzelnen Etappen dingfest zu machen, das ist es auch was mich so begeistert. Und wenn ich auch mit dem Begriff "Kunstwerk" im Zusammenhang mit Parfums sehr vorsichtig bin - was hier von Menschenhand geschaffen wurde, nötigt mir ohne wenn und aber Bewunderung ab. Dankeschön, dass ich Rusé begegnen durfte!

Das einzige Manko ist vielleicht der Name, denn listig oder schlau, damit finde ich überhaupt keine Entsprechung im Duft. "Rusé" hört sich klanglich passend an und was es bedeutet, ist mir letztlich auch egal.

Im Zusammenhang mit dem Duft entsteht für mich wieder einmal die Überlegung, ob es überhaupt Sinn macht, einen Duft zu kommentieren, bei dem kaum jemand die Chance hat, ihn noch kennen zu lernen, geschweige denn zu erwerben. Aber es wäre doch schade, wenn Parfums wie Rusé sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden würden und damit so etwas wie ein Kulturgut verloren ginge.
12 Antworten