Virgin Island Water 2007

Chnokfir
18.06.2023 - 09:42 Uhr
23
Top Rezension
7
Preis
8
Flakon
7.5
Sillage
8
Haltbarkeit
9
Duft

In the summertime, when the weather is fine ... Nein, auch im Winter, wenn es schneit!

Früher,... Also, ganz früher,... In einer dystopisch anmutenden Welt vor Parfumo, als die Welt noch schwarz-weiss war, die Handys mit grünem Display und ohne Internetzugang so gross und schwer wie Ziegelsteine und ich meine gesamte Parfum-Sammlung noch in drei (3!) Billy-Regalen unterzubringen vermochte, befand ich mich in gar schrecklich grosser Not und Pein. Mein Jil Sander "Sun Men" in der 200ml-Endausbaustufe ging zur Neige und der Sommer nahte schnellen Schrittes. Ein neuer Duft mit Schwimmbad- und Sonnenmilch-Vibes musste her. Das Wort "Performance" stand seinerzeit noch allein für die PS-Angabe bei Verbrennungsmotoren im Automobilrennsport, also fragte ich nach einem stärkeren Duft. Es war just der Tag, als ich in einer Parfumerie, die leider bereits lange vor Corona wegen der galoppierenden Mietpreise aufgegeben wurde, in die Weihen der Nischendüfte eingeführt wurde. Bislang war eine Nische hingegen nur der Ort, an dem ich mein quietschoranges Festnetztelefon mit Wählscheibe auf einem simplen Regalbrett neben einigen Telefonbüchern und der Printausgabe von www.dasoertliche.de aufzubewahren pflegte. Creed. Dein Name sei gepriesen.

Dieser schlichte weisse Karton mit all dem silbernen und goldenen Zierat. Dieser altertümlich geschwungene Klarglas-Flakon mit dem silbernen Knauf mit blauem Ornament. War ich bislang eher der Freund klarer Formensprache, so wurde ich nun bekehrt. Der Flakon ist ein wenig Retro, aber nicht allzu verspielt, kein unnötiges Schnick-Schnack. Mehr Worte muss man an dieser auch nicht dazu verlieren. Ich feiere den feinen Nebel des Zerstäubers.

Der Duft gibt einem dann auch gleich genau das, was er einem mit seinem Namen versprochen hat: Die zitrische Frische der vollen Frucht gepaart mit Kokos am strahlend weissen Sandstrand einer Karibikinsel. Da ist das zunächst das etwas wässrige Kokoswasser, in dem einem die sehr sauren zitrischen Früchte die nötige Erfrischung für einen warmen Sommertag spenden. Wenn da noch weitere tropische Früchte sein sollen, dann gehen sie bei mir im hellen und weissen Blütenmeer unter. Diese weisse Blüten kommen aber nicht allzu feminin rüber, da sie eine grüne Konnotation haben und statt süss-floralen Noten eher grüne Frische mitbringen. An manchen Tagen glaube ich auch Ananas raus zu riechen, aber vielleicht ist es auch nur mein Jieper nach einem Batida mit Ananas. Kokos wird reichhaltig milchiger und zusammen mit der süss-herben Tonkabohne hat man gelegentlich auch einen dezenten Eindruck eines Bounty-Schoko-Riegels.

"Virgin Island Water" ist kein leichter Sommerduft und maskulin riecht auch komplett anders. Doch wenn gerade Sommer ist und das innere Mindset gerade auf Sonnenbad gepolt ist, der stressgeplagte Körper nach Urlaub schreit, dann ist holt einen "Virgin Island Water" komplett ab und versetzt einen *schnipps* in die richtige Stimmung. Und das Geniale ist, es funktioniert auch in der Vorweihnachtszeit oder Herbst/Winter bei grabeskaltem Nebelwetter - einfach mal mit "Virgin Island Water" durchs Büro hüpfen und alle miesepetrigen Kollegys (entgendert nach Phettberg) strahlen einen anfangs etwas verwirrt, dann aber zunehmend verzückt an. Auch wieder so eine Aromatherapie, ein Mikrokosmos guter Laune.

Ist der Duft anfänglich noch sehr dominant raumfüllend, so zieht er sich nach knappen 3-4 Stunden auf Armlänge zurück, verteilt aber immer noch angenehme kleine Wölkchen in der näheren und weiteren Umgebung. Nach knappen 8 Stunden ist dann leider abrupt Schluss bei mir, doch eignet sich "Virgin Island Water" durch seine dominante und kompakte Kokos-Note gut zum Nachsprühen.

Ja, ich mag "Virgin Island Water" wirklich gerne, doch durch seine Süsse und zentral-dominante Kokos-Note brauche ich diesen Duft auch nicht viel öfter als einmal in Monat. Doch dann zelebriere ich ihn so richtig. Im Winter eher als im Sommer. Zum Leidwesen meiner Schwebenden Pfirsichblüte, die Kokos ja überhaupt nicht mag. Wann waren wir eigentlich das letzte Mal thailändisch essen?
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