Chnokfir
24.09.2023 - 10:38 Uhr
35
Top Rezension
5
Preis
8
Flakon
10
Sillage
10
Haltbarkeit
6
Duft

Geschichten aus dem Augias-Stall

Wenn ich mich in einer Parfumerie beraten lasse, und ich lasse mich mittlerweile gerne beraten, dann zeige ich mich mit einer kleinen Einschränkung meist recht weltoffen. Ich lasse nie einen eindeutigen Zweifel daran, dass ich eher helle Düfte bevorzuge und mit orientalischen Noten so gut wie gar nichts anfangen weiss. Und so begab es sich, dass mir in einer Woche in zwei altbayrischen Städten in drei Parfumerien dieser Duft in den allerwärmsten Worten und überaus eindringlich ans Herz gelegt wurde. Was kann ich da also anderes tun, als meine Nase zum Teststreifen zu führen. (Eigentlich andersrum, aber das liest sich dann komisch.)

Da steht er nun, ein kleiner Vierkant mit goldener Flüssigkeit und massiver Goldplakette und einem noch massiveren goldenen Metall-Knöpke. Nicht zu gross und dennoch selbstbewusst für einen Erstling. Sowas mag ich. Genauso wie den schwarzen Karton mit schwungvollem, goldenem Aufdruck, der kaum grösser ist als der Flakon und nicht, wie ansonsten mittlerweile häufig, in den Ausmassen eines Schuhkartons.

Der Duft ist dann auch so, wie es der Name schon verspricht. Oud umfängt einen schon mit dem ersten Schnüffler und gibt einem das sichere Versprechen, dass er einen auch so schnell nicht wieder loszulassen gedenkt. Auch wenn ich nicht der grosse Spezialist in Sachen Oud bin, so weiss ich mittlerweile, dass es domestiziertes, weiches, helles, leichtes Oud gibt und ein paar weniger handzahme Cousins, die ein wenig dunkler, düsterer, trockener, schwerer, animalischer auftreten. Und genau dieses animalische Oud ist hier in seiner ganzen Pracht verbaut. Ich komme nicht umhin, hier an die Ställe des Augias denken zu müssen und hege insgeheim die Hoffnung, nicht zwei Flüsse durch meine Nasenlöcher leiten zu müssen, um diesen Geruch wieder hinaus zu bekommen. Aber so ist es am Ende wohl. Zu diesem ziemlich dunklen und animalischen Oud gesellt sich alsbald noch eine süsse und sehr aromatische (bulgarische?) Rose in etwas grösserer Anzahl hinzu - also, nichts was man in einer Gebindegrösse wie Dutzend oder Strauss, sondern eher mit Beet, Garten oder Feld hätte fassen können. Man mag es erraten, ich bin auch kein sonderlich grosser Freund der ausdrucksstarken Rosen. Somit exponenziert sich gerade meine Freude an diesem Duft. Kann sein, dass ich ausserdem noch etwas Lavendel aus der Ferne riechen kann, ich will es aber nicht beschwören. Stark war dieser Eindruck jedenfalls nicht. Bemüht man die Duftpyramide, so sollen auch frische und grüne Noten neben weiteren Zutaten verbaut sein. Leider vermag ich diese nicht wahrzunehmen, zu sehr ist meine Nase mit Oud und Rose überfrachtet und überfordert. Auch kann ich nicht von einem Duftverlauf sprechen wollen: Oud und seine beste Freundin, die Rose, kamen und blieben, bis zum bitteren Ende.

Ich trug den Duftstreifen, auf dem zwei Sprüher waren, in der Brusttasche meines Hemdes einige Zeit bei mir, vielleicht zwei oder drei Stunden, dann wurde es mir leider zu viel. Das Hemd roch noch nach drei Tagen deutlich nach "Oud 31". Durch das Hemd hindurch nahm meine Haut den Duft an und ich roch noch am kommenden Morgen dezent, aber klar zu erkennen nach "Oud 31". Hier bekommt man folglich was für sein Geld. Man sollte versuchen, diesen Duft in homöopathischen Dosen aufzutragen, ansonsten wird aus vehement leider ganz schnell penetrant.

Ich versuche mir auszumalen, wo Mann und Frau - ich nenne den Duft mal 50/50 unisex - einen solch ausdrucksstarken, potenten Duft tragen können. Im Theater, in der Bahn oder im Büro stelle ich es mir tendenziell schwierig vor. Bleibt das abgegrenzte private Umfeld, die Shisha-Bar, ein Club oder eine türkische/arabische Grosshochzeit in einem grösseren Saal, wenn nicht gar Halle. Ja, da stelle ich mir diesen Duft gut aufgehoben vor, auch wenn ich selber erst auf zwei türkischen Grosshochzeiten teilgenommen habe.

... und so kam es, dass auch bei diesen jüngsten Parfumverkostungen wieder mal keine Freundschaft fürs Leben zwischen mir und Oud geschlossen werden konnte. Vielleicht, wenn sie nicht wieder die dornige Rose mit im Schlepptau hat!?
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