Arlington Cologne

FvSpee
10.01.2021 - 07:19 Uhr
26
Top Rezension
6
Preis
9
Flakon
4
Sillage
4
Haltbarkeit
8
Duft

Colonialwaren XVIII - Farnstrauß mit Rosen

Arlington ist - da stimme ich Yatagan, dem ich auch die Probe dieses Duftes verdanke, zu - das originellste, eigenständigste und zugleich schönste der (mir bekannten) Harris-Colognes. Es trifft meinen Geschmack aber dennoch nicht so, dass es für einen Kaufwunsch reichen würde.

Regelmäßige Leser meiner Kommentare werden sich daran erinnern, dass D.R. Harris die englische Marke mit den langweiligen Kunden (Prince Charles) und den langweiligen Namen für die Colognes (Traditional, Classic, Windsor...) ist. Wofür Arlington, ein für das Haus geradezu schockierend innovativer und postmodern polyvalenter Name, in diesem Fall steht, ist mir nicht bekannt. Von den 100 Orten dieses Namens im englischsprachigen Raum dürfte der bekannteste Arlington County in Virginia (USA) sein, der an Washington D.C. angrenzenden Landkreis, in dem sich u.a. das Pentagon und der zweitgrößte Friedhof der USA, auf dem auch John F. Kennedy begraben liegt, befinden. Bei einer Marke, die englischer ist als die Queen, wird aber vermutlich eher Arlington (Devon), Arlington (East Sussex) oder Arlington (Gloucestershire) gemeint sein, auch wenn ich keinen Schimmer habe, warum man nach diesen Pampa-Konzentraten einen Duft benennen sollte.

Die Duftnotenangaben "Farn, zitrische Noten" führen meines Erachtens in die Irre. Es handelt sich hier durchaus um einen etas komplexeren Duft, im Übrigen riecht Farn nicht. Wenn Harris "Fern" angibt, dann wohl eher deshalb, weil Froschfresser-Begriffe wie Fougère für den klassisch-traditionellen Klientenkreis des Hauses ins Englische übersetzt werden mussten. Was Harris uns sagen will, ist, dass das er uns die genauen Zutaten nicht verrät, es sich aber jedenfalls um einen zitrischen Fougère handelt. Und das stimmt auch.

Nach meiner Wahrnehmung beginnt Arlington mit einer milden, aber kraftvollen Bergamotte, die etwas krautig-medizinisch unterlegt ist. Bleibt man dran an der Duftentwicklung, stellt sich bald ein Wehen von einem hübschen, aber unverspielt-männlichen Blumenstrauß her ein. Dass Arlington eine starke florale Komponenten hat, auch im weiteren Verlauf, ist für mich ganz fraglos.

Nach etwa 15 Minuten hat sich das Bild etwas gedreht. Die Zitrik kommt jetzt eher als herbe Pomelo oder Bitterorange daher (wenn auch nicht als adstringierende Grapefruit), die Blumen sind dichter und erdiger (starker Rosenverdacht!) und die jetzt fast schon scharfe Krautigkeit ganz und gar olivgrün (das ist für mich auch die Farbe des Dufts) geworden. Am Ende bleibt ein Fougère, der nicht mal im Keller lacht und die Zähne so gut zusammenbeißen kann, dass er auch bei einer mittelgroßen Operation auf die Betäubung verzichtet, durch den aber doch, ganz verstohlen, und ab und an, noch ein bisschen frische und, horribile dictu, im Ansatz heitere Zitrik durchscheint.

Auf der Internetseite des Anbieters kostet die Flüssigkeit 48 Pfund für 100 Mililiter, auf den Kontinent wird nicht geliefert (wahrscheinlich ist Mr Harris der Auffassung: "There is no such thing as a continent called Europe"). Ich halte den Duft für sehr maskulin und für Herbst und Winter mindestens ebenso gut geeignet wie für den Sommer, was nicht verwundert, weil Sommer und England sich ohnehin ausschließen.
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