loewenherz
05.05.2024 - 12:49 Uhr
32
Top Rezension
8Duft 7Haltbarkeit 6Sillage 6Flakon

Der Himmel über dem Breiðamerkurjökull

Island, jene raue und zerklüftete Insel im Nordatlantik, ist für vieles bekannt. Für wildentrückte schwarze Landschaften, geschaffen aus Eis und Feuer. Für blauleuchtendes Gletschereis und dramatisch über Klippen herabstürzende Wasserfälle. Für bizarre Formationen aus Lavagestein und edelfaulen Grönlandhai namens Hákarl, der selbst mit Schnaps nur kaum erträglich ist.

Parfum gehörte (bisher) nicht zum Mythos Island. Nun schickt das Reykjavíker Label Fischersund sich aber an, die Düfte seiner Insel - oder noch eher: ihren Mythos - olfaktorisch erleb- und als Parfums tragbar zu machen. Und was kann man sagen? Es ist mindestens interessant und akademisch bemerkenswert gemacht, wenngleich - wie Island selbst - sicher nicht jederpersons Geschmack.

Eine erste Handvoll Parfums schufen sie 'alleine', d.h. nur als Label Fischersund, zwei weitere in Kooperation mit dem ebenfalls isländischen Outdoorausstatter 66°North, so etwas wie The North Face oder Patagonia. Nicht eben der naheliegendste Brand für ein Parfum, und doch gestattet das Archaische und Wilde der isländischen Natur das Wagnis, zumal da eben konsequent und sorgfältig gemacht.

Jöklalykt ist einer dieser beiden, und er ist ein ungewöhnlicher, gleichwohl faszinierender Duft - und aus der Perspektive in gemäßigten Klimaten sozialisierter Nasen Nische pur. Sein charakteristischer Akkord ist Geosmin, auch Petrichor genannt, der die Duftwahrnehmung von Regen auf trockener Erde beschreibt, hier flankiert von einem kühlen, ozonischen Akkord, doch weit jenseits jener künstlichen Duschgelassoziation, die Ozon sonst gerne hat. Jöklalykt ist ein völlig unlieblicher, stattdessen sachlicher, schwarzbrauner Duft, jedoch verblüffend kraftvoll - wie uraltes, blaugrünstreifig erstarrtes Wasser ächzend aus einer Gletscherzunge bricht und dann auf schwarzem Sand zum Liegen kommt, während ein bleicher Regen aus tiefen Wolken lautlos auf den Gletscher Breiðamerkurjökull niedergeht, der nahe der Küste in den See Breiðárlón kalbt.

Fazit: das Label Fischersund wird absehbar kein relevanter Player in der Welt der schönen Düfte werden. Als Nische verdient es jedoch zumindest Aufmerksamkeit und Anerkennung für diesen hochinteressanten, spannenden Duft aus Himmel, aus Erde und aus Eis. Wer eine Gelegenheit zum Testen findet - in Reykjavíks Innenstadt oder am Flughafen Keflavík, sollte sie nicht verstreichen lassen.
7 Antworten
Danny264Danny264 vor 1 Jahr
der klingt echt wieder spannend
GandixGandix vor 1 Jahr
Den kenne ich noch gar nicht, die Restlichen zeichneten mir wunderbare Bilder. Dir offenbar auch ☺️
MissKittyMissKitty vor 1 Jahr
wunderbar beschrieben. Vielen Dank für die bildgewaltigen Worte.
FloydFloyd vor 1 Jahr
Ich finde auch, dass es dem Haus gut gelingt, ein gewissermaßen eigenständiges Bild oder eher eine Interpretation Islands zu transportieren. Gerne gelesen.
ElAttarineElAttarine vor 1 Jahr
Schöne Beschreibung! Ich bin auch sehr gespannt, die bald testen zu können.
MarieposaMarieposa vor 1 Jahr
Wie schön, dass auch du diesem interessanten kleinen Haus deine Aufmerksamkeit schenkst. Mir ist Fischersund mit dieser charakteristischen kühl-grünen Geosmin-DNA sehr ans Herz gewachsen. Der kalbende Gletscher fehlt mir in meiner Testreihe noch.
PollitaPollita vor 1 Jahr
Von denen bekomme ich auch bald ein paar zum Testen. Bin neugierig.